# taz.de -- Unbehauste FAhrzeuge: Die Angst des Busfahrers vor der Endstation | |
> Einst modernisierte der Oldenburger Unternehmer Theodor Pekol, wie | |
> Menschen im Bus reisen. Sein Erbe verwaltet heute ein Verein aus | |
> Enthusiasten. Seine alten, teils einzigartigen Fahrzeuge allerdings | |
> könnten demnächst unbehaust dastehen | |
Bild: Vehikel in Gefahr: Oldenburgs Verein für Verkehrsgeschichte braucht bald… | |
OLDENBURG taz | Es ist kalt. Und feucht. Die ausliegenden Teppichböden | |
gammeln, die aufgehängten Zeitungsartikel wellen sich, an manchen | |
Holzteilen blüht der Schimmel. Nicht die geeignetste Umgebung, um | |
historische Fahrzeuge zu präsentieren oder auch nur zu lagern – aber der | |
Oldenburger Verein für Verkehrsgeschichte wäre wohl froh, wenn er | |
wenigstens diese heruntergekommene, zugige Halle des ehemaligen | |
Busunternehmens Pekol behalten dürfte. Denn die denkmalgeschützten | |
Autobusse, historischen Feuerwehrwagen und anderen Oldtimer könnten | |
demnächst im Freien stehen: Ein Gericht verdonnerte den Verein dazu, die | |
Halle zu räumen, der Eigentümer gab ihm genau vier Wochen Zeit dafür. | |
Hans-Joachim Luckau zeigt auf einen Linienbus mit Zigarillo-Werbung, der | |
aussieht wie aus dem Ei gepellt, auf dem Dach zwei Fähnchen in | |
oldenburgischen Farben. „Der hat früher mal als Hühnerstall gedient“, sagt | |
der Vereinsvorsitzende. Der 65-Jährige hat das Fahrzeug, das beinahe | |
genauso alt ist wie er, liebevoll restauriert und fahrbereit gemacht. Man | |
kann diesen Bus buchen, etwa für Hochzeitsfahrten, dann sitzt Luckau am | |
Steuer – so wie er überhaupt 27 Jahre seines Lebens hinter den Lenkrädern | |
von Oldenburger Bussen verbracht hat. | |
Er ist sogar in Sichtweite der Fahrzeughallen aufgewachsen, in denen der | |
Tüftler Theodor Pekol einst seine eigenen Busse konstruierte. Es sind die | |
Hallen, in deren Resten Luckau jetzt steht und erzählt, wie er einen alten | |
Pekol-Reisebus im Raum Stuttgart abgeholt und quer durch die Republik | |
geschleppt hat. „Sein Herz fährt bis heute mit“, sagt Vereinskollegin | |
Kerstin Beyer, die den erbsgrün-beige lackierten Gefährten ebenfalls | |
verbunden ist. „Diese Busse gibt’s nirgendwo anders, die fahren nur hier“, | |
hätten ihre Eltern geschwärmt: „Das fand ich toll.“ Nicht nur sie: Der Na… | |
des Unternehmens wurde zum Synonym für Mobilität schlechthin – in Oldenburg | |
fuhr man nicht Bus, man „fuhr Pekol“. | |
Oldenburg, das war nicht unbedingt der Ort, an dem Technikgeschichte | |
geschrieben wurde. Der 1958 verstorbene Pekol allerdings schrieb gleich | |
davon mehrere Kapitel: Ausgerechnet hier, im kleinen, abgelegenen | |
Oldenburg, errichtete er ab 1936 das deutschlandweit erste durchgehende | |
Oberleitungsnetz für Obusse. Hier entwickelte oder verbesserte er auch die | |
selbsttragende Leichtbauweise, den hinten liegenden Motor, die | |
Einzelradaufhängung, erste Automatikgetriebe – allesamt Innovationen, die | |
die Entwicklung künftiger Busmodelle prägen sollten. Manche der Neuerungen | |
sind sogar für Laien zu verstehen: Die simple Idee, das Gepäck der | |
Reisenden in einem Raum unterhalb der Sitze statt wie bisher auf dem Dach | |
zu verstauen, sagt Luckau: ebenfalls von Pekol. | |
Das Unternehmen existierte bis in die 1980er-Jahre, später richtete sich | |
der Verein in den verfallenen Werkstatthallen ein und schraubte an den | |
verbliebenen oder wiedergefundenen Pekolbussen herum. Viele gibt es nicht | |
mehr, das Aluminium war und ist begehrt. Heute steht ein halbes Dutzend in | |
der Halle, zwischen ihnen ein paar Möbel aus den 50ern, Stellwände, eine | |
Schaffneruniform: Überreste der kleinen Ausstellung, die der Verein | |
eingerichtet hat, der bis 2011 ein paar Mal pro Jahr die Rolltore für | |
Publikum öffnete. | |
„An manchen Tagen hatten wir tausend Besucher“, sagt Luckau stolz. Zu jedem | |
einzelnen der Fahrzeuge kann er die komplette Lebensgeschichte erzählen. | |
Einer der Busse etwa sieht aus, als wäre er irgendwann ausgebrannt und | |
hätte dann noch ein paar Jahre auf dem Meeresgrund verbracht. Ein Modell | |
aus dem Jahr 1953, erklärt Luckau, und natürlich sei der Zustand erbärmlich | |
– aber es sei eben auch der letzte seiner Art, sprich: seines Modells. So | |
etwas schmeiße man nicht weg. So wenig den heruntergekommenen | |
NDR-Übertragungswagen, über den die Fußballübertragungen aus der „Hölle … | |
Donnerschwee“ liefen – als der VfB Oldenburg noch in höheren Sphären | |
spielte. | |
Man hat das Gefühl, es würde ihm körperliche Schmerzen bereiten, sich von | |
einem seiner Stücke zu trennen. Und tatsächlich schaut Luckau unglücklich | |
drein, als er erzählt, dass er rund 20 Fahrzeuge bereits abgegeben habe, | |
„teilweise sogar verschenkt“. Denn der ihm zur Verfügung stehende Platz ist | |
bereits deutlich geschrumpft: Die Stadt hatte das Pekol-Gelände an eine | |
Supermarktkette verkauft, die dort ein Nahversorgungszentrum errichtet. Ein | |
Teil der Halle sollte abgerissen werden, ein anderer Teil erhalten und als | |
Museum in das Ensemble integriert werden. Es klang nach einer für alle | |
zufriedenstellenden Lösung. | |
Dann gab es Streit: um die Größe der Restfläche, um die Kosten für die | |
Dachsanierung, am Ende redeten beide Seiten nur noch per Anwalt | |
miteinander. Die Zweckehe endete vor Gericht – der Verein muss raus. Und | |
das ist halt im Wesentlichen Luckau: Ihm gehören die Fahrzeuge, er führte | |
die Besucher durch die Hallen, er ist stets dabei, wenn sich | |
Kulturausschuss und Verwaltung um die Zukunft seiner Sammlung zanken. | |
Und es ist ja auch ein großes Problem: Wohin er mit den Bussen, den | |
Lastern, den Bullis und PKW soll, weiß Luckau nicht. Eine andere, | |
ausreichend große Unterstellmöglichkeit ist nicht in Sicht, einen Plan B | |
scheint der Verein nie entwickelt zu haben. Hier, in den maroden | |
Fahrzeughallen des Theodor Pekol müsse die Sammlung bleiben – wo denn | |
sonst? Hannover etwa, oder Salzgitter? | |
Die dortigen etablierten Verkehrsmuseen sind gemeint, wenn Luckau anmerkt, | |
dass schon „andere Museen“ dagewesen seien und Interesse an den | |
Schmuckstücken bekundet hätten. Die Busse gehören nach Oldenburg – das | |
sagen nicht nur die Vereinsleute, sondern auch Lokalpolitiker, Besucher, | |
sogar Denkmalschützer. | |
Daher setzt der Verein auch jetzt, wo die Frist zur Räumung unerbittlich | |
abläuft, alles auf die Karte eines Ausgleichs mit dem Eigentümer. | |
Vielleicht, wenn man doch noch ein tragfähiges Konzept vorlege, sagt | |
Heinz-Herrmann Schmidt, selbst Mitglied des Vereins – seit er von Luckau im | |
Zigarillobus zu seiner 60. Geburtstagsfeier gefahren wurde. Vielleicht, | |
wenn man noch einmal an den Investor appelliere, der die Bebauung ja | |
ohnehin um die Halle herum geplant habe, hofft Kerstin Beyer, die als Kind | |
„mit Pekol zur Schule und zur Oma“ fuhr, also täglich. | |
Vielleicht. Die Politik will vermitteln, die Erfolgsaussichten sind gering. | |
Viel Porzellan ist zerschlagen worden zwischen den Busfreunden und dem | |
neuen Eigentümer, es mag auch ein wenig an der Kommunikation des Vereins | |
liegen. „Verrentete Busfahrer“, sagt Beyer, „sind halt keine geborenen | |
Lobbyisten.“ | |
Die Halle fristgerecht zu räumen, das könne überhaupt nicht funktionieren, | |
sagt Luckau – es klingt verzweifelt, aber auch ein wenig bockig. Für ihn | |
geht es um sein Lebenswerk, um das mögliche Auseinanderreißen der Sammlung, | |
darum, dass diese typischen Oldenburger Busse auf andere Museen verteilt | |
werden könnten. „Diesen Gedanken“, sagt Luckau, „lasse ich gar nicht zu.… | |
Der ehemalige Busfahrer, dessen Herz ein Leben lang Pekol fuhr, würde die | |
Endstation lieber umfahren. | |
7 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Maik Nolte | |
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