# taz.de -- Berliner Kiezmuseum vor der Pleite: Meister Brunzel geht das Geld a… | |
> In einem Kiezmuseum wird vom Leben um 1900 erzählt. Jetzt droht die | |
> Schließung. Protest könnte erneut aus einer Begegnungsstätte für Senioren | |
> erwachsen. | |
Bild: Wie sah das Leben hinter diesem Prenzlauer Berger Balkon vor 120 Jahren a… | |
Als Zimmermeister Heinrich Brunzel 1895 ein Grundstück an der Dunckerstraße | |
kaufte, war Bauland in Prenzlauer Berg ähnlich begehrt wie heute. Wo | |
seinerzeit noch Acker war, sollte in den kommenden Jahren in | |
atemberaubender Geschwindigkeit ein neues Wohngebiet entstehen. | |
Hunderttausende zog der Industrieboom der Jahrhundertwende nach Berlin – | |
und alle benötigten dringend Wohnungen. Auch Brunzel wollte ein Stück vom | |
Immobilienkuchen abhaben und ließ eine Mietskaserne errichten, wie es sie | |
in der Gegend hundertfach gibt. | |
Seit zehn Jahren wird in Brunzels Haus diese Zeit wieder lebendig. Eine | |
Wohnung mit zwei Zimmern, Küche und Innentoilette wurde im Stil der | |
Jahrhundertwende wieder hergerichtet. Die Exponate stammen aus dem 1995 | |
geschlossenen Museum Arbeiterleben in der benachbarten Husemannstraße. | |
Weniger das Elend der überbelegten Arbeiterwohnungen in den Hinterhäusern | |
wird hier gezeigt als vielmehr die bescheidene Welt des Kleinbürgertums. In | |
Führungen und auf Schautafeln lässt sich zum Beispiel erfahren, dass die | |
Immobilienbranche in Prenzlauer Berg 1895 nicht viel anders agierte als | |
heute. Mit wenig Eigenkapital wurde seinerzeit Land gekauft, schnell | |
erschlossen, bebaut und ebenso schnell wieder verkauft. Geschäfte machten | |
vor allem Banken und größere Investoren. | |
Mehr als 100 Jahre später bedroht der Spardruck auf den chronisch klammen | |
Bezirkskassen nun auch das kleine Museum. Trotz ehrenamtlicher Betreuung | |
steht das Projekt vor dem Aus. Mit ihm ist auch die | |
Seniorenbegegnungsstätte „Herbstlaube“ im selben Gebäude gefährdet. Die | |
Arbeit im Museum wird vorwiegend von den Nutzerinnen und Nutzern der | |
Einrichtung getragen. | |
Mit einem Straßenfest wurde am Samstag auf die Situation aufmerksam | |
gemacht. Gegen Mittag steht Pankows Kulturstadtrat Torsten Kühne (CDU) vor | |
Brunzels Haus, spielt Drehorgel und bittet um Spenden für das Museum. „Es | |
ist ja für einen guten Zweck“, sagt Kühne. Schon jetzt hält sich das Museum | |
nur durch Spenden, ein geringes Eintrittsgeld und ehrenamtliches Engagement | |
über Wasser. Das reicht aber nicht mehr für Miete und laufende Kosten. Auch | |
Klaus Mindrup von der SPD ist vor Ort. Er möchte bei den Bundestagswahlen | |
im September Stefan Liebich als direkt gewählten Wahlkreisabgeordneten im | |
Viertel ablösen. Doch auch Mindrup kann nicht viel zur Zukunft des Museums | |
sagen. „Schmeißen Sie viel Geld in die Spendenbüchse“, ist sein Beitrag. | |
Stadtrat Kühne ist immerhin in Kontakt mit der Landesebene, um dort Gelder | |
zu generieren. „Keine falschen Hoffnungen“ wolle er machen, meint er. | |
Bezüglich einer „Zwischenlösung“ gibt er sich aber recht zuversichtlich. | |
Dabei sind alle voll des Lobes für das Museum. Nicht nur, dass hier | |
Heimatgeschichte lebendig werde, auch die pädagogische Arbeit wird mehrfach | |
hervorgehoben. Mit der Grundschule an der Marie gibt es zum Beispiel eine | |
Kooperation. „Entsetzt“ seien die Kinder gewesen, als sie von den | |
Schließungsabsichten gehört haben, sagt Karin Ehrlich, die die | |
„Herbstlaube“ in der Wendezeit eingerichtet hat und später die Ausstellung | |
ins Gebäude holte. Sie betont die Bedeutung des Austauschs zwischen den | |
Kindern und ihrer Großelterngeneration. Eine große Kette aus Briefen haben | |
die Kinder Stadtrat Kühne gebastelt, Karin Ehrlich hängt sie ihm um den | |
Hals. Geld und Sicherheit für Museum und „Herbstlaube“ bringt das natürli… | |
auch nicht. | |
## Druck für mehr Geld | |
Von Reden und Absichtserklärungen hat Klaus Lemmnitz genug. Der 66-Jährige | |
ist Prenzlauer Berger Urgestein und hat schon mehrere Kiezaktionen und | |
Initiativen aufgebaut. Nur langsam kann er sich durch das kleine | |
Straßenfest bewegen, zu viele Hände sind zu schütteln. Die Bezirkspolitik | |
solle sich mit Nachdruck bei der Landesebene für mehr Geld einsetzen, | |
fordert er. „Ansonsten müssen wir vielleicht wieder auf unkonventionelle | |
Aktionen zurückgreifen.“ Immerhin ist wieder eine Seniorenbegegnungsstätte | |
im Spiel. Dass auch Rentnerinnen und Rentner für mächtig Ärger im Bezirk | |
sorgen können, hatte zuletzt die erfolgreiche Besetzung der | |
Begegnungsstätte in der Stillen Straße in Pankow gezeigt. | |
18 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Jörn Wegner | |
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