# taz.de -- Kunst in der Provinz: Eine Szene wächst | |
> Mit der zeitgenössischen Kunst in Schwerin geht es aufwärts. Das zeigt | |
> ein Rundgang durch die Ausstellungen der lokalen Szene, die derzeit im | |
> Schweriner Kunstverein, in der Galerie AG für zeitgenössische Kunst, im | |
> Staatlichen Museum und im Schloss aktiv ist | |
Bild: Spröder Charme: Installationsansicht von Hella Gerlachs Arbeiten im Kuns… | |
Wenn der Besucher den Schweriner Kunstverein, am innerstädtischen | |
Pfaffenteich gelegen, betritt, bleibt seine Ankunft nicht unbemerkt. Ein | |
Bewegungsmelder zeigt ihn der Leiterin Julia Wirxel an, die in einem der | |
hinteren Räume des ehemaligen Schweriner E-Werkes ihr Büro hat. Dieser Tage | |
aber setzt sich noch eine andere, ebenfalls Apparatur in Gang: eine Art | |
Duftspender, der auf dem Fußboden wartet. | |
Der Duft des Duftspenders zieht dem Besucher erst nach einer gewissen Zeit | |
in die Nase, wie auch die ganze Ausstellung erst nach und nach ihren Charme | |
entwickelt. Zu sehen sind Arbeiten der Künstlerin Hella Gerlach, es geht um | |
Griffe zum Halten, um an Meditationskissen erinnernde Flächen, um aus Stoff | |
gefertigte Räume, um rote Kugeln, die in den Pyramiden des alten Ägyptens | |
auf die Himmelsrichtungen verweisen sollten. Der Titel der Ausstellung | |
lautet „Ein gedanklicher Stretch“. | |
Wie der Schweriner Kunstverein auf Hella Gerlach aufmerksam geworden ist? | |
„Ich habe die Arbeiten von Hella Gerlach in einem Off-Raum in Berlin | |
gesehen und fand sie gut, und die Künstlerin wird sich weiterentwickeln“, | |
sagt Wirxel. Außerdem gehöre es zu den Aufgaben eines Kunstvereines, einem | |
Künstler oder einer Künstlerin eine erste, institutionelle | |
Einzelausstellung zu ermöglichen, auch hier in Schwerin. | |
Schwerin ist keine Universitätsstadt wie Greifswald, wo die Szene | |
lebendiger ist. Trotzdem gibt es zeitgenössische Kunst in Schwerin und die | |
Tendenz ist, dass die Kunst mehr wird, anstatt weniger: 2007 spendierte die | |
Bundeskulturstiftung die Erstausstattung für den Kunstverein und seit März | |
2012 hat er in Person von Julia Wirxel eine feste Leitung. | |
Julia Wirxel war zuletzt in Baden Baden tätig, ihre Stationen davor: das | |
Rheinland, das Ruhrgebiet. Was Wirxels Arbeit stützt, das ist die Enge oder | |
auch Nähe der sogenannten Provinz: Wer sich für Kunst interessiert, kennt | |
sich, schätzt sich, arbeitet entsprechend gut zusammen und schon ist Julia | |
Wirxel am Telefon und fragt nach, ob die Galerie AG gerade besetzt sei. Ja, | |
das ist sie. | |
Zur Galerie AG geht es einmal quer durch die Schweriner Altstadt in die | |
Münzstraße, Hausnummer 24. Die „Galerie AG für zeitgenössische Kunst“ i… | |
eine klassische Produzentengalerie, in der sieben Künstler seit einiger | |
Zeit mit Claudia Schönfeld eine Leiterin beschäftigen. Auch diese kommt | |
geografisch gesehen aus dem Westen, ganz ursprünglich aus dem Schwarzwald, | |
dann aus dem Rheinland; studiert hat sie in Freiburg im Breisgau und in | |
Paris. Sie hat über die Schweriner Sammlung des Malers Jean Baptiste Odry | |
promoviert, ist geblieben und sie hat es nicht bereut. | |
Zu Gast hat die AG derzeit den Fotografen Knut Wolfgang Maron mit seinen | |
Serien „Dakota Bar“ und „Von Profanem und Heiligem“. Maron, | |
Folkwangschüler, hat es 1993 nach Wismar verschlagen, wo er den einzigen | |
Lehrstuhl für Fotografie im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern innehat. | |
Marons kleine Schau hat ihren Grund: Seine umfassende Serie „Ein Leben“ | |
über die letzten Jahre seiner Mutter wie des Hauses, in dem seine Mutter | |
lebte, ist derzeit in voller Größe und Eindringlichkeit im Staatlichen | |
Museum Schwerin zu sehen, bevor sie weiter geht nach New York. | |
„Man kann Marons Bilder natürlich auch bei uns kaufen“, sagt Schönfeld und | |
kommt ins Schwärmen: „Maron ist einer, der unheimlich was macht für seine | |
Schüler. Und er selbst war vorher spannend, aber jetzt ist er Weltklasse.“ | |
Und dann Schwerin: „Das Staatliche Museum Schwerin wurde 2005 Museum des | |
Jahres, wir haben eine bombastische Kunstsammlung, wir haben die größte | |
Marcel-Duchamp-Sammlung Deutschlands.“ | |
Mit dessen Ankauf habe sich die Stadt von der Kunst her gesehen ins 21. | |
Jahrhundert katapultiert. „Was Schwerin aber fehlt, ist eine Universität, | |
wie Greifswald sie hat“, sagt Schönfeld. Impulse erwartet sie denn auch vom | |
Deutschen Kunsthistorikertag – der in diesem Jahr eben in Greifswald | |
ausgerichtet wird. | |
Und dann ist da noch das Schweriner Schloss, das sich am Rande des | |
Schweriner Sees erhebt und ein beliebtes Ausflugsziel der Touristen ist. | |
Die können hier unerwartet auf weitere Arbeiten von Hella Gerlach stoßen: | |
Gerlach hat ihre skulpturalen Stoffarbeiten und Keramiken zwischen der | |
Dauerausstellung positioniert – also den düster-wuchtigen Porträts | |
ehemaliger Großherzoge von Mecklenburg-Schwerin und all den schweren | |
Möbeln, mit denen sich diese umgaben. | |
Das also funktioniert: Brücken schlagen, kooperieren, Überraschendes | |
anbieten. Neulich haben die Schweriner AG Künstler dann ihre Bilder | |
eingepackt und sind damit nach Frankfurt gereist, nach Frankfurt am Main. | |
Zu einer privat organisierten Bilderschau, ausgerichtet in einer der | |
besseren Gegenden, wo sich Villa an Villa reiht. „Die Künstler unserer | |
Galerie bieten nicht nur Bilder, die malerisch sehr gut sind, sie können | |
einem auch gefallen und man kann sie sich auch über die Couch hängen“, sagt | |
Schönfeld. Und genau das geschah dort: „Die Leute haben die Bilder in den | |
Transporter gehoben, sind mal kurz um die Ecke gefahren und haben geschaut, | |
wie sie sich bei ihnen zu Hause so machen.“ | |
Überhaupt war plötzlich das Interesse an zeitgenössischer, | |
mecklenburgischer Kunst geweckt: „Die Leute haben gesagt: Na, dann kommen | |
wir doch im nächsten Sommer mal nach Mecklenburg, schauen uns vor Ort die | |
Kunst an und machen dort Urlaub.“ Sollten sie ihr Versprechen wahrmachen, | |
wird das der Schweriner Kunst in jedem Fall guttun. | |
## Hella Gerlach: „Ein gedanklicher Stretch“. Kunstverein Schwerin im | |
E-Werk, noch bis zum 14. April Hella Gerlach: „Interventionen in der | |
ständigen Sammlung“. Museum Schloss Schwerin, noch bis zum 14. April Knut | |
Wolfgang Maron: „Dakota Bar“ und „Von Profanem und Heiligem“. Galerie AG | |
für zeitgenössische Kunst, noch bis zum 5. Mai Knut Wolfgang Maron: „Ein | |
Leben“. Staatliches Museum Schwerin, noch bis zum 16. Mai | |
26 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Frank Keil | |
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