# taz.de -- Abschlüsse für Behinderte: Mehr als nur Teilnahme | |
> Erstmals erhalten BremerInnen mit Behinderungen ein Zertifikat für den | |
> Abschluss einer Bildungsmaßnahme. Das hat jedoch kaum mehr als | |
> symbolischen Wert. | |
Bild: Gut gelaunt: Arbeitsagentur-Chef Götz von Einem und Sozialsenatorin Anja… | |
Zum ersten Mal wurde am Mittwoch in Bremen ein Zertifikat über den | |
Abschluss einer zweijährigen Bildungsmaßnahme an Menschen mit Behinderungen | |
vergeben. Sie arbeiten bei der Werkstatt Bremen, im Martinshof. Das | |
Zertifikat soll ihnen den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt erleichtern – so | |
wie es die UN-Behindertenrechtskonvention fordert, die Deutschland 2009 | |
ratifiziert hat. Allerdings: Außerhalb Bremens und des Saarlandes, das seit | |
einem Jahr solche Zertifikate vergibt, wird dieses Zeugnis nirgends | |
anerkannt. | |
Einen Ausbildungsabschluss vor der Handels- oder Handwerkskammer hätten die | |
17 TeilnehmerInnen der Maßnahme nicht geschafft. Aber sie haben, finanziert | |
von der Arbeitsagentur oder der Rentenversicherung, in den Bereichen | |
Garten- und Landschaftsbau, Industriefertigung für den Automobilbau, | |
Lebensmittelverpackung, Hauswirtschaft, Gebäudereinigung, in der | |
Metallbearbeitung und in der Kantinenbewirtschaftung ein Eingangsverfahren | |
und die zweijährige Maßnahme mit Erfolg absolviert. | |
„Bislang gab es dafür lediglich eine Teilnahme-Bescheinigung“, sagt | |
Wilfried Hautop, Geschäftsführer des Martinshofs. Ein Zertifikat sei | |
hingegen eine Anerkennung: „Das ist für die Absolventen wichtig, und wir | |
hoffen natürlich auch, dass es ihnen den Schritt in den regulären | |
Arbeitsmarkt erleichtern wird.“ Dabei ist er sich bewusst, dass das | |
Zertifikat nur ein Anfang ist: „Aber so transportieren wir sowohl Leistung | |
als auch die Lern-Inhalte nach außen. Wir haben dafür nämlich durchaus von | |
der Bundesagentur für Arbeit vorgegebene Rahmen- und Ausbildungspläne.“ | |
Und genau wie bei einer anerkannten Ausbildung habe es auch hier | |
TeilnehmerInnen gegeben, die den Abschluss nicht geschafft hätten. Die | |
Gefahr der Stigmatisierung durch ein solches Zeugnis sieht Hautop nicht: | |
„Im Gegenteil“, sagt er, „denn wir haben jetzt die Unterscheidung zwischen | |
Teilnahme und Abschluss. Als nächste Stufe käme das Fachpraktikum, und | |
daran würde sich dann schon die reguläre Ausbildung anschließen.“ Das | |
Zertifikat erleichtere Arbeitgebern die Einordnung des Bewerbers. | |
Die Absolventen werden freilich vorerst alle weiterhin im Martinshof | |
arbeiten. „Natürlich reicht es nicht aus, dass wir anschieben – die Firmen | |
müssen auch ziehen“, sagt Hautop. „Nach der Maßnahme ist niemand | |
olympiareif, deshalb sollte das Level auf dem Arbeitsmarkt heruntergefahren | |
werden – man muss auch Langsamkeit akzeptieren!“ | |
Auch Dieter Stegmann, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft | |
Selbsthilfe behinderter Menschen (LAGS), sagt: „Natürlich können geistige | |
und körperliche Behinderungen nicht wegdiskutiert werden, aber diese | |
Menschen sind in der Praxis oft sehr gut, und darauf müssen sich Betriebe | |
einlassen.“ Das Zertifikat könne durchaus dazu beitragen. | |
Sozialsenatorin Anja Stahmann (Die Grünen), die gemeinsam mit Hautop und | |
Götz von Einem, Geschäftsführer der Bremer Arbeitsagentur, die Zertifikate | |
überreichte, hofft, „dass nach dem Saarland und nach Bremen auch die | |
anderen Bundesländer nachziehen“. Hautop möchte derweil „auch die | |
Bildungssenatorin als Verbündete gewinnen und sie davon überzeugen, dass | |
Inklusion nicht mit Verlassen des Schulsystems enden darf“. | |
27 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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