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# taz.de -- Streit im Energiekonzern: Der Dr.-Brinker-Code
> Die Kündigung eines leitenden EWE-Mitarbeiters war unwirksam, urteilte
> das Arbeitsgericht. Ein Verdacht bleibt: Ist er wegen Kritik am Chef
> geschasst worden?
Bild: "Der muss weg", soll er gesagt haben: EWE-Chef Werner Brinker.
Gerade eindreiviertel Jahre war Christian Clasen als Leiter der Abteilung
Netzabrechnung und Inkasso beim Energiekonzern EWE tätig, als ihm die
Kündigung auf den Schreibtisch flatterte. Die erfolgte zwar fristgerecht,
war letztlich aber unwirksam, wie das Arbeitsgericht Oldenburg am
Donnerstag urteilte – in einem Rechtsstreit, in dem auch der
Vorstandsvorsitzende Werner Brinker eine Rolle spielte.
Als Grund für die Kündigung gab die Konzernspitze Clasens „autoritären
Führungsstil“ an – dieser Vorwurf wird bei Entlassungen in dieser Liga
ansonsten wohl eher selten erhoben. Entsprechend dünn sind die von der EWE
angeführten Punkte: Der 51-Jährige soll in Sitzungen mit Regionalleitern
„Monologe gehalten“, „Kritik beiseite gewischt“ und „Mitarbeiter nicht
zurückgerufen“ haben, fasste die Vorsitzende Richterin der 1. Kammer
zusammen.
Clasen vermutet ganz andere Beweggründe. Ein Mitarbeiter seiner Abteilung
war 2011 über eine drei Jahre alte und bis dato unbezahlte Stromrechnung
gestolpert. Der Kunde: ein italienisches Restaurant im nördlich von
Oldenburg gelegenen Rastede, das in wirtschaftliche Schwierigkeiten
geratenen war und dessen Betreiber die Rechnung nicht bezahlen konnte. Um
eine Sperrung des Anschlusses zu verhindern, trat ein Bürge auf den Plan:
ausgerechnet EWE-Chef Brinker, ebenfalls in Rastede wohnhaft und, wie nun
zu hören ist, auch gerne Gast in dem Lokal.
In einem Schreiben an die betreffende Mitarbeiterin hatte Brinker darum
gebeten, von einer Sperrung abzusehen; er kenne den Kunden „sehr gut“ und
würde für „eventuelle Rückstände geradestehen“. Angesprochen auf die
Außenstände beglich er letztlich die Rechnung in vierstelliger Höhe – drei
Jahre, nachdem das Restaurant endgültig schließen musste. Für die EWE, so
Konzernsprecher Christian Blömer, sei der Fall „damit erledigt“.
Für Clasen nicht. Er hatte den Vorgang kritisiert und auf den
Unternehmenskodex verwiesen, nach dem „Konflikte zwischen privaten und
Unternehmensinteressen“ zu vermeiden seien, zumindest aber die „Interessen
der EWE nicht beeinträchtigt werden“ dürften. Offenbar zu viel der
Aufsässigkeit: „Der muss weg“, soll Brinker vor Zeugen gesagt haben, wenige
Monate später erfolgte die Kündigung. Wegen des Führungsstils, betonen die
EWE-Anwälte.
Da der gesetzliche Kündigungsschutz wiederum für leitende Angestellte nicht
greift, ging es vor Gericht um die Frage, ob Clasen, dem immerhin 400
Mitarbeiter unterstanden, ein solcher war. Die Kammer meint: ja. Die
Kündigung betrachtete sie indes als unwirksam. Damit stehen die Weichen in
Richtung Abfindung, über deren angemessener Höhe es allerdings verschiedene
Ansichten gibt. Das Arbeitsgericht hielt 33.000 Euro für adäquat.
Man wird sich wohl vor der nächsten Instanz wiedersehen, Clasen kündigte
Berufung an. Er habe sich nichts zuschulden kommen lassen, sagt er, und
sein Anwalt fügt hinzu: Wenn so mit Mitarbeitern umgegangen werde, die auf
fragwürdige Vorgänge hinweisen, dann brauche man auch keinen
Unternehmenskodex. Die Rolle Brinkers bleibt vorerst ungeklärt. Ein Schaden
sei dem Unternehmen nicht entstanden, so der Sprecher – trotz der drei
Jahre lang offen gebliebenen Rechnung.
12 Apr 2013
## AUTOREN
Maik Nolte
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