# taz.de -- Nachruf Dirigent Sir Colin Davis: „Musik braucht keine Worte.“ | |
> Er galt als Gentleman: Sir Colin Davis hielt Musik für die „schönste | |
> Erfindung des Menschen“. Jetzt ist der britische Dirigent im Alter von 85 | |
> Jahren gestorben. | |
Bild: Sir Colin Davis dirigiert das English Chamber Orchestra auf einem Gastspi… | |
LONDON/DRESDEN dpa | Mozart, immer wieder Mozart. Und ein guter Rotwein. | |
Der britische Dirigent Sir Colin Davis war nicht nur musikalisch ein | |
Gourmet. „Er kochte selbst mit Leidenschaft und ein Essen im Restaurant hat | |
er regelrecht zelebriert“, erinnert sich Ria Sonntag, seine Betreuerin bei | |
Davis' Aufenthalten in Dresden. | |
Die Elbestadt war ein bevorzugter Arbeitsplatz des Briten. Mit der | |
Sächsischen Staatskapelle verband ihn eine innige Beziehung, seit er 1981 | |
erstmals zu Plattenaufnahmen an die Elbe kam. Am Sonntag ist Davis mit 85 | |
Jahren in London gestorben. Dresden oder London hatte er sich früher einmal | |
als Orte des Abschieds gewünscht. | |
Davis stammte aus der Kleinstadt Weybridge im Südosten Englands und machte | |
eine Weltkarriere. Davon konnte noch keine Rede sein, als er zunächst als | |
Klarinettist in einer Militärkapelle Märsche blies. Wenig später wechselte | |
er ins klassische Fach. Am Londoner Sadler's Wells Theatre amtierte er von | |
1961 bis 1965 als Musikdirektor. | |
Ab 1967 stand er am Pult des BBC Symphony Orchestra. Auch später sollten | |
bekannte Namen folgen – vom Boston Symphony Orchestra bis zum London | |
Symphony Orchestra (LSO). Davis hat stets in der Premier League der | |
Orchester gespielt. Ende der 1970er Jahre wurde er als erster Engländer | |
nach Bayreuth verpflichtet – für den „Tannhäuser“. „Die Rolle von Sir… | |
im britischen Musikleben war riesig“, würdigte ihn das LSO. | |
Auf die Frage nach einer beruflichen Alternative zur Musik antwortete Davis | |
vor Jahren mit britischem Humor. „Was wäre ich geworden, wenn nicht | |
Musiker? Vielleicht ein berühmter Verbrecher.“ Orchestermusikern begegnete | |
er mit großem Respekt. Wohl auch deshalb wurde er Gentleman der Klassik | |
genannt. | |
## „Ich bin kein Gentleman“ | |
„Es ist unnötig, ein Tyrann zu sein. Es bringt nichts, wenn die Musiker aus | |
Furcht spielen“, formulierte der Brite sein Credo. Es gehe darum, Musik als | |
gemeinsame Sprache zu pflegen: „Musik braucht keine Worte.“ Den Titel | |
Gentleman hat er übrigens nie gemocht. „Ich bin kein Gentleman. Ein | |
Gentleman arbeitet nicht“, sagte Davis, der 1980 zum Ritter geschlagen | |
wurde. | |
Beim Blick auf Davis' Leben wird deutlich, wie einige Komponisten zu | |
besonders engen Wegbegleitern wurden. Neben Mozart sind das vor allem | |
Edward Elgar, Jean Sibelius und Hector Berlioz. Als Davis' im Mai 2012 mit | |
der Staatskapelle auf eine vorgezogene Jubiläumstour zum 85. Geburtstag | |
ging und dabei Metropolen wie Wien und Mailand besuchte, bot man ein reines | |
Mozart-Programm. | |
Damals fiel es Davis schon schwer, mit ganz sicherem Gang auf die Bühne zu | |
kommen. Kurz zuvor hatte er in Dresden einen Schwächeanfall erlitten. „Aber | |
sobald er am Pult stand, straffte er sich“, erinnert sich Ria Sonntag. Sie | |
behält den Sir als Mann von großer Bescheidenheit und mit „Ehrfurcht vor | |
der Musik“ in Erinnerung. | |
## Würdigung aus München | |
In Deutschland wird man das vor allem in München und Dresden tun. An der | |
Isar war er von 1983 bis 1992 Chef des Symphonieorchesters des Bayerischen | |
Rundfunks. „Mit Davis hatte das Orchester wieder einen Chef von Format: ein | |
weltweit renommierter und leidenschaftlicher Musiker und als Mensch sehr | |
liebenswürdig, völlig uneitel und von distinguierter feiner Art“, würdigte | |
ihn das Orchester am Montag auf seiner Website. | |
Die Dresdner, die die Todesnachricht auf einer USA-Tour erhielten, wollen | |
Davis nun ihre beiden New Yorker Konzerte widmen. „Sir Colin war ein | |
ungemein liebenswürdiger und völlig unprätentiöser Mensch, der mit seiner | |
Warmherzigkeit die Herzen aller sofort für sich gewann. Zwischen ihm und | |
der Staatskapelle bestand ein künstlerischer Einklang, wie er nur ganz | |
selten zu finden ist“, betonte Dirigent Christian Thielemann. Die | |
Staatskapelle verliere nicht nur ihren Ehrendirigenten, sondern vor allem | |
einen einzigartigen Freund. | |
Die Münchner beschrieben auch, mit welcher Begeisterung der Maestro den | |
Nachwuchs förderte. Wie später in Dresden arbeitete er hier regelmäßig mit | |
Studenten. Dass Sir Colin Davis die Märchenoper „Hänsel und Gretel“ von | |
Engelbert Humperdinck so sehr liebte, mag ein Beleg dafür sein, wie jung er | |
im Herzen immer blieb. | |
15 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Jörg Schurig | |
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