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# taz.de -- Wo Khadir Khan die Bombe lieben lernte
> In Pakistan gilt Abdul Khadir Khan als Nationalheld – trotz der
> Weitergabe geheimer Nukleartechnologie an den Iran, Libyen und Nordkorea.
> Sein Wissen erworben hat Khan in den siebziger Jahren – beim
> niederländischen Teil der Urenco
Im August schockierte Ruud Lubbers, der ehemalige niederländische
Ministerpräsident, seine Landsleute: Auf Bitte des US-amerikanischen
Geheimdienstes CIA hätten die Niederlande den pakistanischen Atomspion
Abdul Khadir Khan Mitte der siebziger Jahre laufen gelassen, verkündete
Lubbers im Rundfunk. „Geben Sie uns Informationen, und nehmen Sie ihn nicht
fest“, habe seinerzeit die Forderung der CIA gelautet – im kalten Krieg sei
das einem Befehl gleichgekommen: „Das letzte Wort hatte nicht Den Haag,
sondern Washington“, sagt Lubbers. „Es gab keine Zweifel, dass die alles
wussten und hörten.“ Als zuständiger Wirtschaftsminister war Lubbers schon
damals skeptisch: „Ich hatte Zweifel, dass das der richtige Weg war“.
Lubbers‘ Zweifel waren berechtigt: Mittlerweile gilt Khan als größter
Atomschmuggler aller Zeiten. Im Februar 2004 räumte der
Maschinenbauingenieur, der von 1976 bis 2001 das pakistanische Atomprogramm
leitete, öffentlich ein, Atomtechnologie und Know-How an Iran, Libyen und
Nordkorea weitergegeben zu haben. Für die CIA-Zentrale in Langley eine
Blamage: Alle drei Länder zählen zu den von Präsident George W. Bush als
„Achse des Bösen“ bezeichneten unkalkulierbaren „Schurkenstaaten“.
Khan selbst wurde nie bestraft: Der Atomwissenschaftler gilt in Pakistan
als Nationalheld – schließlich verfügt auch Indien, mit dem der muslimische
Staat nach Ende der britischen Kolonialherrschaft 1947 drei Kriege führte,
über die Massenvernichtungswaffe. Trotz seines Geständnisses wurde Khan von
Pakistans Regierungschef Pervez Musharraf wegen seiner Verdienste um das
Atomprogramm des Landes begnadigt, steht aber in der Hauptstadt Islamabad
praktisch unter Hausarrest.
Ähnlich zögerlich ging die niederländische Regierung Mitte der Siebziger
gegen Khan vor. Nach seinem Studium an der Technischen Universität Delft
interessierte sich Khan auffällig für die Zentrifugentechnik zur
Urananreicherung, betrieben vom niederländischen Teil der Urenco in Almelo.
Verborgen blieb dem niederländischen Geheimdienst das nicht. Schon 1974
sollte er festgenommen werden Die CIA aber hielt ihre schützende Hand über
ihn. Stattdessen wurde der Ingenieur versetzt – und war gewarnt: Ein Jahr
später kehrte er von einer Reise nach Pakistan nicht mehr zurück.
Den Prozess machten ihm die Niederlande erst 1983 in Abwesenheit. Dennoch
gilt Khan an Rhein und Maas nicht als vorbestraft: 1985 wurde er im zweiten
Anlauf wegen formaler Fehler freigesprochen, reiste danach sogar noch zwei
Mal persönlich nach Holland. Dort habe er fehlende Technik für das
pakistanische Atomprogramm eingekauft, prahlt Khan noch heute: „In dieser
Zeit hat man uns überschüttet mit Angeboten.“
In der Logik des kalten Krieges war das nur folgerichtig. Ausgerüstet mit
der Urananreicherungs-Zentrifugentechnik der Urenco sollte Khan helfen, die
junge Atommacht Indien zu neutralisieren – und wurde zum Geist aus der
Flasche: Wohl im Austausch gegen modernste Raketentechnik stellte der
Atomphysiker sein Wissen dem Iran, Libyen und Nordkorea zur Verfügung.
Welche Rolle die pakistanische Armee in dem Aufrüstungsprogramm spielte,
wurde nie geklärt – dabei war Pakistans Regierungschef Musharraf General
der Truppe.
Noch heute beschäftigt Khan die internationale Diplomatie: Die Vereinigten
Staaten verdächtigen den Iran, in dem unterirdischen Werk von Natans die
Urananreicherung voranzutreiben. Je nach Anreicherungsgrad kann das
Atommaterial zur friedlichen Stromerzeugung, aber auch zum Bau von
Atombomben dienen. Israels Ex-Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte
gestern einen Präventivschlag gegen das iranische Atomprogramm: Wie schon
1981 müsse die israelische Luftwaffe die Atomanlage bombardieren – und so
Abdul Khadir Khans Technologietransfer vorerst in Schutt und Asche legen.
ANDREAS WYPUTTA
6 Dec 2005
## AUTOREN
ANDREAS WYPUTTA
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