| # taz.de -- Gartenschauen in Hamburg: Leichter die Gondeln nie schweben | |
| > Gartenschauen kommen unpolitisch daher. Doch sie sind auch Instrumente, | |
| > um weltanschauliche Botschaften subtil zu transportieren. Das zeigen die | |
| > Hamburger Beispiele der Nachkriegszeit | |
| Bild: Trotz der Gondelbahn nur ein mäßiger Besucher-Erfolg: die IGA Hamburg v… | |
| HAMBURG taz | Gartenschauen sind städtische Großereignisse, | |
| Kommunalpolitiker nutzen sie als Instrumente, um politische, | |
| wirtschaftliche, städtebauliche und kulturelle Interessen durchzusetzen. | |
| Die politischen und weltanschaulichen Botschaften werden jedoch eher subtil | |
| transportiert. Das zeigt sich auch an den drei Hamburger | |
| Gartenbauausstellungen von 1953, 1963 und 1973. | |
| Die Internationale Gartenbauausstellung (IGA) von 1953 stand im Zeichen des | |
| Wiederaufbaus. Die Luftangriffe, bei denen große Teile der Stadt zerstört | |
| worden waren, lagen gerade einmal zehn Jahre zurück. Seit Kriegsende waren | |
| acht Jahre vergangen. Die Gartenschau von 1953 sollte den Park Planten un | |
| Blomen neu präsentieren, der für die „Niederdeutsche Gartenschau“ 1935 | |
| entstanden war. | |
| Die Nationalsozialisten hatten mithilfe des Reichsarbeitsdienstes eine | |
| Prestige-Schau ausgerichtet, die die norddeutsche Pflanzenwelt vorstellen | |
| sollte. Zu sehen waren zudem exotische Pflanzen, Hamburgs Rolle als „Tor | |
| zur Welt“ sollte durch den Schaufenstercharakter unterstrichen werden. | |
| Wie 1935 war der Hamburger Gartenarchitekt Karl Plomin mit der | |
| gärtnerischen Gestaltung betraut, doch die IGA 1953 erhielt ein anderes | |
| Erscheinungsbild als die nationalsozialistische Vorgängerschau. Die neuen | |
| Gebäude wie das Café Seeterrassen, die Ausstellungshallen und der | |
| Philips-Turm erhielten eine moderne Anmutung, so wurde der Turm etwa durch | |
| Leuchtstoffröhren illuminiert. | |
| Die Besucher bekamen in den Hallenschauen üppige Inszenierungen der 15 | |
| beteiligten Nationen dargeboten. Nach der Mangelsituation der Kriegs- und | |
| Nachkriegszeit war der Anblick von exotischen Pflanzen, Obst und Gemüse | |
| spektakulär. Im neuen Alsterpark waren in der Ausstellung „Plastik im | |
| Freien“ Werke von teilweise in der NS-Zeit verfemten sowie europäischen | |
| Bildhauern zu sehen. | |
| Bauprojekte wie die Neue Lombardsbrücke, die Landungsbrücken, die | |
| Jugendherberge am Stintfang und der Alsterpavillon waren kurz vor Eröffnung | |
| der Gartenbauausstellung abgeschlossen worden. Mit neuen Wanderwegen an | |
| Alster, Elbe und Wandse, sanierten Parks und begrünten Schulhöfen strahlte | |
| die IGA in die Stadt aus. | |
| Maßgeblich vorangetrieben hatte die IGA der Hamburger Bürgermeister Max | |
| Brauer (SPD), der sich in den 1920er-Jahren als Oberbürgermeister von | |
| Altona für Grünanlagen eingesetzt hatte. Nach Krieg und Zerstörung sollte | |
| die IGA 1953 als „Olympiade der Gärtner“ im Zeichen der Völkerverständig… | |
| stattfinden. | |
| Brauer wollte auch dem „Fremdenverkehr“ neue Impulse geben. Dies erschien | |
| erforderlich, um die wirtschaftlichen Einbußen auszugleichen, die der | |
| Wegfall des in der DDR aufgegangenen „Hinterlandes“ mit sich brachte. Als | |
| ehemals verfolgter Sozialdemokrat und Remigrant konnte Brauer Hamburg | |
| gegenüber dem Ausland glaubwürdig vertreten. Allerdings bekam er Gegenwind | |
| von der Opposition, die spottete, Brauer wolle die „Nissenhütten hinter | |
| Geranien verstecken“. | |
| Auch andere kriegszerstörte Städte nutzten die Gartenschauen als Motor für | |
| den Wiederaufbau. 1951 richtete Hannover die erste Bundesgartenschau aus. | |
| Danach veranstaltete der Zentralverband des deutschen Gemüse-, Obst- und | |
| Gartenbaues diese Schauen in wechselnden Städten: Auf die Hamburger IGA | |
| 1953, wie alle Internationalen Gartenbauausstellungen zugleich | |
| Bundesgartenschau, folgten die Ausstellungen 1955 in Kassel, 1957 in Köln, | |
| 1959 in Dortmund und 1961 in Stuttgart. | |
| Die ebenfalls in Hamburg ausgerichtete IGA 1963 wurde mit 35 beteiligten | |
| Nationen und vielen Fachangeboten als weltweit größte Ausstellung des | |
| Gartenbaus gefeiert. Damit wurde sie auch zu einem Akt der Repräsentation | |
| der Bundesrepublik. | |
| Für die Veranstaltung wurde der nach dem Zweiten Weltkrieg mit Trümmern | |
| verfüllte Wallgraben in den Großen und Kleinen Wallanlagen in abstrahierter | |
| Form sichtbar gemacht. Von einer Gondelbahn aus konnten die Besucher auf | |
| die neuen in Beton gefassten Wasserflächen, die Nationengärten und | |
| futuristischen Restaurants in den Wallanlagen blicken. Auf dem | |
| Heiligengeistfeld waren in der Schau „Technik im Gartenbau“ eine | |
| automatisierte Gärtnerei und neue Gewächshäuser zu sehen. | |
| Am Ende der „Veranstaltung der Superlative“ wurden statt der erwarteten | |
| acht bis zehn Millionen Besucher jedoch nur fünf Millionen bilanziert – | |
| diese nur dank eines Rechentricks. Die Veranstalter schätzten großzügig, | |
| dass die Dauerkartenbesitzer jeweils 40 Mal gekommen seien. So wurden aus | |
| den 69.000 Dauerkartenbesitzern 2,76 Millionen Besucher. 2,2 Millionen | |
| Einzelbesucher wurden gezählt. | |
| Noch 1963 wurden die Gondelbahn abgebaut, die Nationengärten eingeebnet. | |
| Trotz öffentlicher Kritik an der Organisation und den hohen Kosten der IGA | |
| 1963 beschloss der Senat die Bewerbung um die IGA 1973. | |
| 1969 wurden in Hamburg für die IGA 1973 zahlreiche Gebäude der | |
| Niederdeutschen Gartenschau 1935 und der IGA 1953 abgerissen. Der Platz | |
| wurde für den neuen Komplex aus Congress Centrum Hamburg (CCH) und | |
| Hotelturm benötigt. In das Parkgelände wurden viele Spielplätze und | |
| Freizeitangebote eingestreut. | |
| Im Sommer fand der IGA-Dom auf dem Heiligengeistfeld statt. Der | |
| Shanty-Sänger Carl Bay bewarb als „Käpt’n Blume“ mit dem IGA-Lied die | |
| Veranstaltung. Die Fachangebote für den Gartenbau richteten sich stärker | |
| als 1963 an Hobbygärtner. Wegen der neuen Ausrichtung und des guten Wetters | |
| kamen über fünf Millionen Besucher. | |
| Künstler und Landschaftsarchitekten übten Kritik an den Kosten: denn in den | |
| neuen Großsiedlungen stünde kaum Geld für Spielplätze zur Verfügung. | |
| Kurz nach der IGA 1973 bemängelte das Hamburger Abendblatt die breiten | |
| Asphaltwege und die karge Bepflanzung als „Platten un Beton“. Die geplante | |
| IGA 1983, mit der der Elbpark an die Wallanlagen hätte angeschlossen werden | |
| sollen, kam nicht mehr nach Hamburg, sondern ging an München. | |
| Seit Mitte der 1980er-Jahre wurde der Park Planten un Blomen gemäßigt | |
| umgestaltet. Er ist beliebt, obwohl er an einigen Stellen altmodisch wirkt. | |
| Hier ticken die Uhren anders als in der Hafencity. Latte macchiato und | |
| Cappuccino finden sich hier allenfalls in den bodenständigen Eisdielen. Wer | |
| an lauschigen Sommerabenden schon einmal die Wasserlichtspiele auf dem | |
| Parksee besucht hat, weiß, wie gemischt das Publikum ist. | |
| Die Jubiläen der Gartenschauen werden dieses Jahr nicht besonders gefeiert. | |
| Die öffentliche Aufmerksamkeit richtet sich auf die Internationale | |
| Gartenschau (IGS) in Wilhelmsburg, die am 26. April eröffnet wird. Sie darf | |
| nicht IGA heißen, da sie nicht die Kriterien für eine internationale | |
| Ausstellung erfüllt, wie sie das Bureau International des Expositions in | |
| Paris für die Anerkennung fordert. Künftig wird die IGA in den 7er-Jahren | |
| stattfinden – als nächstes 2017 in Berlin. | |
| Die IGS trägt dennoch die Tradition der Hamburger Gartenschauen im Namen. | |
| Sorgen sich die Macher, dass die Schau am Erfolg von Planten un Blomen | |
| gemessen wird? Wie die neuen Parkanlagen in Zukunft angenommen werden, wird | |
| sich zeigen – wenn die Besuchermassen, die Monorailbahn längst verschwunden | |
| sind. | |
| 21 Apr 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Kristina Vagt | |
| ## TAGS | |
| IGA 2017 | |
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