# taz.de -- Nach Schmadtkes Abschied: Voller Angriffslust – neben dem Platz | |
> Mit der herben 1:6 Heimniederlage gegen die Bayern endet für Hannover 96 | |
> eine turbulente Woche. | |
Bild: Des einen Freud, des anderen Leid: Münchens Torschütze Claudio Pizarro … | |
HANNOVER taz | Seine harten Worte zur herben Niederlage ließen nicht lange | |
auf sich warten. Martin Kind, als Präsident von Hannover 96 zumindest ein | |
Meister der schonungslosen Analyse, ergänzte die 1:6 (0:3)-Heimniederlage | |
gegen Meister Bayern München auf seine Art. „Den Willen habe ich bei uns | |
erkannt, aber nicht die Umsetzung – wie in der gesamten Rückrunde“, sagte | |
der Chef eines Vereins, der eine turbulente Woche mit einem Debakel vor | |
49.000 Zuschauern beendete. | |
„Man kann gegen diese Mannschaft sicher verlieren. Aber es ist eine Frage | |
der Art und Weise“, sagte Mittelfeldspieler André Hoffmann, der nach einem | |
Fehler von Bayern-Torhüter Manuel Neuer in der 85. Minute immerhin den | |
Ehrentreffer für Hannover köpfen konnte. | |
Das 96-Sammelsurium an Enttäuschungen und Querelen nimmt nach zwei | |
erfolgreichen Spielzeiten beängstigende Formen an. Mit Jörg Schmadtke, den | |
das dauerhafte Kompetenzgerangel mit Cheftrainer Mirko Slomka mürbe gemacht | |
hatte, ist ihnen ein erfolgreicher Manager und Schnäppchen-Einkäufer | |
verloren gegangen. Mit der elften Niederlage in dieser Saison ist auch die | |
letzte Chance auf eine erneute Teilnahme an der Europa League verspielt. | |
Diese personelle und sportliche Gemengelage führt im Stadion immer wieder | |
zu Auseinandersetzungen. Der harte Kern der Fans, der traditionell in der | |
Nordkurve Stimmung macht, forderte während des Bayern-Spiels erneut den | |
Rücktritt des Präsidenten. Der weniger harte Kern der Zuschauer quittierte | |
das mit Pfiffen und „Ultras raus“-Rufen. | |
Dass es zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen den eigenen Zuschauern | |
kam, bei denen Ordner und Polizei schlichten mussten, wirft einen düsteren | |
Schatten über einen sonnigen Nachmittag der Fußball-Bundesliga. | |
Im Verspielen von Punkten und Sympathien hat Hannover 96 in den vergangenen | |
Wochen eine beängstigende Konstanz gezeigt. Die Mannschaft scheint dem | |
Regiment von Slomka nur noch bedingt zu gehorchen, auch wenn der betont, | |
dass gut zusammengearbeitet werde. Der Trainer mag aus dem hausinternen | |
Machtkampf auf den ersten Blick als Punktsieger hervorgegangen sein. Auf | |
den Rängen im Stadion und in den Internetforen hat er aber an Zustimmung | |
eingebüßt. | |
Kurz nach Schmadtkes Abgang, der um die vorzeitige Auflösung seines | |
unbefristeten Arbeitsvertrages gebeten hatte, spielte Slomka den | |
Ahnungslosen, der von keinerlei Streitigkeiten wusste. Nach dem 1:6 sprach | |
er dann doch von wochenlangen Querelen. Ab sofort steht der Trainer allein | |
in der Pflicht und Verantwortung für ein Team, dessen Schwung und | |
Angriffslust arg gelitten haben. | |
Die Frage, ob Kind den Verlust von Schmadtke hätte verhindern können, lässt | |
sich nur bedingt beantworten. Es bleibt für den Präsidenten ein Makel, dass | |
er es nicht geschafft hat, zwischen seinen leitenden Angestellten zu | |
vermitteln. „Ich denke, wir haben die richtigen Entscheidungen getroffen“, | |
findet Kind, auf dessen Schreibtisch sich die Bewerbungen von potenziellen | |
Geschäftsführer, Managern und Sportdirektoren stapeln. | |
Christian Nerlinger (ehemals Bayern München) und Dietmar Beiersdorfer | |
(derzeit Zenit St. Petersburg) gehören zum Kandidatenkreis. Kind sucht | |
einen Nachfolger für Schmadtke, der ein ähnliches Profil mitbringt und als | |
Führungspersönlichkeit gilt. Der schweigsame Schmadtke hatte seine Arbeit | |
meistens eher hinter den Kulissen erledigt, dem Zeitungs-Boulevard die Nähe | |
verweigert und darauf verzichtet, Streit öffentlich auszutragen. | |
Im Schlagabtausch mit Slomka war das die falsche Taktik. Deshalb sucht der | |
Präsident nach einem neuen starken Mann mit Führungspersönlichkeit. Kind | |
ist klug genug, nicht zu laut zu sagen, dass seine nächste Verstärkung | |
neben dem üblichen öffentlichen Druck auch das Binnenverhältnis mit Slomka | |
aushalten können muss. | |
21 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Otto | |
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