# taz.de -- Myfest in Kreuzberg: Köfte gegen Sexismus | |
> Tausende feiern auf Kreuzberger Straßen den 1. Mai. Den Vorwurf, das Fest | |
> sei zu unpolitisch geworden, versuchen die Veranstalter mit einer | |
> politischen Erklärung zu entkräften. | |
Bild: Tausende feiern in Kreuzberg. | |
Aus allen Himmelsrichtungen kommen Menschen. Junge, alte, farbenfroh | |
gestylt, oder ganz in schwarz. Mit Kindern im Arm oder Bierbechern in der | |
Hand. Es ist so wie jedes Jahr: Das 1.-Mai-Fest, Kreuzberger Myfest | |
genannt, übt eine magische Anziehungskraft aus. Schon am Nachmittag ist in | |
der Oranienstraße kaum noch Durchkommen. Rund 40.000 Besucher waren es | |
2012. „Es werden bestimmt wieder so viele“, schätzt Jörg Flähmig. Der | |
Referent des Bezirksbürgermeisters von Friedrichhain-Kreuzberg ist Mitglied | |
der Crew, die das Fest organisiert. | |
Das Myfest wurde 2003 vom Bezirksamt und Anwohnern aus der Taufe gehoben, | |
um der bis dahin alljährlich stattfindenden Randale etwas entgegen zu | |
setzen. Hauptschlagader ist die Oranienstraße. Von dort zieht sich die | |
Party sternförmig durch den Kiez bis zum Mariannenplatz und zur | |
Skaliterstraße. Überall qualmen Grills, es riecht nach Köfte und Bratwurst. | |
Rund 200 Lizenzen für Stände hat das Bezirksamt diesmal vergeben, schätzt | |
Flähmig. Verkaufen dürfen aber nur Anwohner und Gewerbetreibende aus dem | |
Kiez. Einzige Bedingung: keine Getränke in Flaschen oder Dosen, weil sich | |
diese vortrefflich als Wurfgeschoss eignen. | |
Aus Lautsprecherboxen wummern die Bässe. Die Bands, die auf den 20 über das | |
Areal verteilten Bühnen auftreten, haben bis zum Anschlag aufgedreht. Funk, | |
Punk, House, Rock, Folk – für jeden ist was dabei. „Lass uns einfach | |
daliegen, daliegen“, säuseln die Sonic Runes an der Waldemarstraße. 300 | |
Meter weiter röhrt der volltätowierte Frontmann der „The devil ‘n‘ us�… | |
Das Myfest sei zu unpolitisch, so die zunehmende Kritik in den letzten | |
Jahren. Es sei eine reine Fress- und Saufparty geworden. Ausnahme bildete | |
immer der Mariannenplatz. Dort befinden sich die Buden von Umweltgruppen | |
wie dem Anti-Atom-Forum, der Gruppe „Freiheit statt Angst“ oder Gladt ( | |
Gays and Lesbians aus der Türkei). Auch die Linkspartei und selbst die | |
Volkssolidarität, ein Relikt aus DDR Zeiten, hat dort einen Stand. | |
Novum an diesem 1. Mai: Um 18 Uhr soll auf allen Bühnen eine Akklamation | |
vorgetragen werden. Vorgelesen oder vertont – das ist den Protagonisten | |
überlassen. Aber der Inhalt sei der gleiche, sagt Flähmig. Die Erklärung | |
richte sich gegen Gewalt, Gentrifizierung und Sexismus. | |
Lange bevor es soweit ist, streben Tina und Lisa nach Hause. Die | |
28-Jährigen sind Kreuzberger Urgewächse. Jede schiebt einen Kinderwagen vor | |
sich her und hat einen Hund an der Leine. Tina sogar zwei. Die beiden | |
wohnen in der Dresdnerstraße. Ab 16 Uhr komme man nicht mehr ins Haus rein, | |
sagt Tina. | |
Auch Rüdiger H. strebt mit seinem Rollator am Nachmittag nach Hause. Dem | |
heute 57-Jährigen waren 1980 nach einer Hausräumung in Kreuzberg von einem | |
Polizeiauto die Beine zerquetscht worden. Manchen ist Kreuzberg am 1. Mai | |
einfach zu voll. | |
Der taz-Live-Ticker vom 1. Mai unter | |
[1][www.taz.de/Liveticker-1-Mai-2013/!115493/] | |
1 May 2013 | |
## LINKS | |
[1] /Liveticker-1-Mai-2013/!115493/ | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |