# taz.de -- Demonstration gegen Nazis: Blockierter Spaziergang | |
> Mit Sitzblockaden und einer offiziellen Kundgebung haben am Samstag in | |
> Kirchweye rund 500 Menschen gegen einen Aufmarsch Rechtsextremer im Ort | |
> protestiert. | |
Bild: Protest am Kirchweyer Bahnhof: Neonazis versuchen, den Tod von Daniel S. … | |
Als am Samstag etwa 40 Rechtsextreme im niedersächsischen Kirchweyhe | |
ankamen, wurde es hektisch. Denn infolge einer Panne bei der Polizei kamen | |
sie ausgerechnet auf dem Bahnsteig an, auf dem ihnen etwa 100 | |
Gegendemonstranten ihnen den Weg versperrten. „Brenzlig“, nannte die | |
Polizei die Situation. Am Ende blieb es friedlich – und die Neonazis | |
weitgehend unter sich. | |
Zum Aufmarsch der Neonazis hatte die Partei „Die Rechte“ aufgerufen. Ihr | |
Bundesvorsitzender Christian Worch hatte die Demonstration über das | |
Verwaltungsgericht Hannover erstritten. Bereits zum dritten Mal versuchten | |
die Neonazis am Samstag den Tod des 25-jährigen Daniel S. zu nutzen, um | |
gegen „Ausländer“ zu hetzen und eine „Deutschenfeindlichkeit“ zu bekla… | |
Daniel S. war am 10. März vor dem Bahnhof in Kirchweyhe zusammengeschlagen | |
und getreten worden, nachdem er versucht haben soll, einen Streit zu | |
schlichten. Er starb wenige Tage später an den Folgen seiner schweren | |
Verletzungen. Die Staatsanwaltschaft Verden wirft dem Hauptverdächtigen, | |
dem 20-jährigen Cihan A., Mord aus Heimtücke und niederen Beweggründen vor. | |
Seit der Tat wehrt sich Kirchweyhe gegen die Vereinnahmung durch die | |
Rechten. | |
“Haut ab“ schallte es den Neonazis entgegen, kaum dass sie den Kirchweyher | |
Bahnsteig betreten hatten. Die Polizisten schirmten Neonazis von | |
Gegendemonstranten ab, denen es gelang, den einzigen Bahnsteig und den | |
provisorische Schienenübergang knapp zwei Stunden zu blockieren. Schon | |
vorher war der Zug der Rechten im nahe gelegenen Bassum aufgehalten worden. | |
Der Protest wurde noch lauter, als die Rechten ihr Transparent mit der | |
Forderung entrollten, einen Platz nach Daniel S. zu benennen. Unter | |
Begleitung der Polizei mussten die Rechten vom Bahnsteig klettern und über | |
die Gleise zum Ort ihrer Auftaktkundgebung gehen. „Das war nicht so | |
geplant“, sagte ein Polizeipressesprecher vor Ort. | |
Weyhes Bürgermeister Frank Lemmermann (SPD) hatte die Blockierenden | |
mehrmals auf Wunsch der Polizei gebeten, sich der offiziellen Kundgebung | |
mit rund 400 Teilnehmern vor dem Bahnhof anzuschließen. Ohne Erfolg: „Nein, | |
wir bleiben“, war die Antwort. Nach ihrer erfolgreichen Blockade durften | |
sie dann allerdings nicht zum Bürgerfest kommen. Die Polizei hatte sie | |
offiziell „des Landes“ verwiesen, also reisten sie ins nahe gelegene | |
Bundesland Bremen ab. | |
Mitte März hatte die niedersächsische Gemeinde einen ersten Aufmarsch von | |
Rechtsextremen juristisch verhindern können. Der Präventionsrat der | |
Gemeinde, der „Runde Tisch gegen Rechts“ und der Integrationsrat hatten zu | |
einer Mahnwache aufgerufen, um den Anwohnern einen öffentlichen Ort für | |
ihre Anteilnahme zu bieten und den politischen Raum der Rechtsextremen | |
einzuengen. Nach einem Rechtsstreit konnten die Rechtextremen am 24. März | |
dann aber doch das erste Mal in Kirchweyhe aufmarschieren. An die 80 Rechte | |
waren Worchs Aufruf damals gefolgt. 1.000 Menschen protestierten gegen sie. | |
Am Samstag hatte sich die Teilnehmzahl von rechts aber fast halbiert. Es | |
kamen auch weniger Gegendemonstranten, aber ihr Protest war entschlossener: | |
Eine Sitzblockade von etwa 20 Personen auf der Demo-Route verzögerte den | |
Marsch erneut. Bis die Polizei die Blockade gewaltsam auflöste, mussten die | |
Rechten Reden und Musik von der nahe gelegenen Gegenkundgebung mit anhören. | |
„Die Rechtsextremisten missbrauchen den Tod des jungen Mannes für | |
Propagandazwecke“, sagte der evangelische Pastor Holger Tietz. | |
2,5 Kilometer zogen die Rechten am Bahnhof vorbei durch den Ort. „Geht“ und | |
„Lasst uns in Ruhe“, sagten Anwohner die an der Straße standen. Bei einer | |
Zwischen- und Abschlusskundgebung erreichten die Redner Dieter Riefling und | |
Thomas Wulff nur die eigenen Kameraden. Worch kündigte an, erneut auflaufen | |
zu wollen. | |
“Wenn sie wieder kommen, protestieren wir auch wieder“, sagte Bürgermeister | |
Lemmermann. „Erst waren die Rechten so an die 100, jetzt etwa 40, beim | |
nächsten mal dann 20 und vielleicht kommt keiner mehr.“ | |
12 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
Georg Kirsche | |
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