# taz.de -- Postboten-Power: Fünf Cent pro Brief | |
> Die Beschäftigten des privaten Zustelldienstes Nordwest Post- und | |
> Presselogistik in Oldenburg streiken: Von den Stücklöhnen könne man nicht | |
> leben. Ihr Arbeitgeber antwortet mit Aussperrung | |
Bild: Das fröhliche Hellblau täuscht: Der Zustelldienst Nordwest bleibt stur … | |
OLDENBURG taz | Als die Beschäftigten des privaten Zustelldienstes Nordwest | |
Post- und Presselogistik (NWPP) in Oldenburg nach zweitägigem Warnstreik | |
wieder zur Arbeit erschienen, wurden sie unverrichteter Dinge wieder nach | |
Hause geschickt: Die Briefzustellung hatten die Kollegen der gelben Post | |
übernommen. Der Arbeitskampf bei dem Citipost-Franchisenehmer eskaliert, | |
und die Beschäftigten kämpfen nicht mehr nur für einen Manteltarifvertrag | |
und eine Abkehr vom Stücklohnmodell, sondern nun eventuell gar um ihre | |
Jobs. Denn der Arbeitgeber zeigt sich hart. | |
„Keine Arbeit, kein Geld“, fasst Harald*, einer der streikenden Zusteller, | |
die Konsequenzen für ihn und seine Kollegen zusammen. Sie werden pro | |
zugestellter Sendung bezahlt, fünf bis zwölf Cent gibt es jeweils – aber da | |
die Zahl der Briefe schwanke, wüssten sie nie, auf wie viel Geld sie am | |
Ende des Monats kämen, kritisiert Ver.di-Sekretärin Cathrin Radloff. An | |
dieser Frage sind die Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft und der NWPP | |
nach eineinhalb Jahren und elf Verhandlungsrunden Ende April gescheitert – | |
der Arbeitgeber habe wieder nur ein „verkapptes Stücklohnmodell“ vorgelegt, | |
sagt Radloff. | |
Eines können einige Mitarbeiter allerdings einplanen: den monatlichen Gang | |
zum Jobcenter, wo sie ihr Einkommen aufstocken lassen müssen, um zumindest | |
auf Hartz-IV-Niveau zu kommen. Harald etwa hat einen mittelgroßen | |
Zustellbezirk, den er in etwa sieben Stunden abarbeite. Der Stücklohn für | |
zugestellte Briefe richtet sich auch nach der „Schwierigkeit“ des Bezirks �… | |
etwa der Größe, der Zahl der Einfamilienhäuser, Kopfsteinpflaster und | |
Treppen. Haralds Bezirk dürfte zu den eher anstrengenden zählen, dennoch | |
kommen bei seinen 35-Stunden-Wochen zumeist nur 700 bis 800 Euro zusammen, | |
manchmal ein Hunderter mehr – immer noch weniger als die ihm zustehende | |
Hartz-IV-Leistung. Mit dem Aufstocken kommt er auf knapp 1.100 Euro: „Davon | |
kann man existieren, aber nicht leben.“ | |
Seit der vergangenen Woche seien die Streikenden de facto ausgesperrt, der | |
Arbeitgeber habe vom Arbeitsamt bezahlte Umschüler eingesetzt, um die | |
Arbeit der aufsässigen Zusteller zu übernehmen, berichtet ein | |
Ver.di-Mitarbeiter. Einigen Mitarbeitern sei zudem bedeutet worden, dass | |
ihre Teilnahme am Ausstand „negative Konsequenzen“ nach sich ziehen könne. | |
Die NWPP-Geschäftsführung lehnte es ab, sich zu den Vorwürfen zu äußern; | |
auch von der Citipost gab es keine Stellungnahme. | |
Es geht ja nicht nur um den eigentlichen Lohn, erklärt der Zusteller | |
Harald. „Weihnachts-, Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen – das sind | |
alles Fremdwörter für die Firma.“ Im letzten Jahr habe es einen | |
Einkaufsgutschein über 40 Euro gegeben: „Weihnachtsgeld würde ich das nicht | |
nennen, eher ein Almosen.“ An Urlaubstagen gewähre die NWPP das gesetzliche | |
Minimum. Dabei machten die Zusteller „genau das Gleiche wie die Kollegen | |
von der gelben Post“, sagt Harald. Die aber verdienen mehr, bekommen mehr | |
Urlaub und sind tariflich abgesichert. | |
Derweil scheinen sich die Auseinandersetzungen zuzuspitzen, und zwar nicht | |
nur zwischen den Tarifparteien: Auch zwischen der Citipost Nordwest der | |
NWPP, die beide zur Unternehmensgruppe der Nordwest-Zeitung gehören, | |
scheint es wegen des Arbeitskampfs zu rumoren. An einem der vier | |
Oldenburger Zustelldepots seien mittlerweile die Zugangscodes geändert | |
worden, die Beschäftigten kommen nicht mehr herein. Ab Juli wolle die | |
Citipost die dazugehörigen Bezirke wieder selbst übernehmen, heißt es aus | |
Gewerkschaftskreisen. Die Beschäftigten eines anderen Standorts haben sich | |
mittlerweile aus dem Streik zurückgezogen – sie fürchten, dass ihr Depot | |
als nächstes an der Reihe sein könnte. | |
Dass mit der Firma Mail-Express unlängst ein lokaler Konkurrent | |
pleitegegangen ist, habe ihre Situation nicht unbedingt verbessert, sagt | |
Harald: Es gebe zwar mehr Aufträge, aber eben auch mehr Arbeit. Nicht alle | |
ehemaligen Mail-Express-Kunden lieferten ihre Briefe nun über die | |
NWPP/Citipost aus. Er habe in seinem Bezirk ein Unternehmen, das zur | |
Deutschen Post gewechselt sei, berichtet Harald: „Die wollten solche | |
Dumpinglöhne nicht unterstützen.“ | |
* Name geändert | |
16 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Maik Nolte | |
## TAGS | |
Deutsche Post | |
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