# taz.de -- Mäzene gesucht: Neue Freunde für den Wunderkammer-Vogel | |
> Das Landesmuseum Oldenburg will seine klamme Kasse füllen und sucht seit | |
> Anfang des Jahres Paten für seine Exponate. | |
Bild: Fundraising: Das Landesmuseum Oldenburg vergibt Patenschaften für seine … | |
OLDENBURG taz | Für welches der Zigtausend Exponate sie sich entscheiden | |
würden, wussten die Spieckers noch nicht, als sie sich nach Oldenburg ins | |
dortige Landesmuseum Natur und Mensch aufmachten. Seit einigen Monaten | |
bietet das Haus Patenschaften für seine Sammlungsstücke an, vom | |
präparierten Nachtfalter bis zu einzigartigen archäologischen Fundstücken. | |
Margitta und Michael Spiecker entschieden sich am Ende für den | |
ausgestopften Pirol, den sich das Delmenhorster Ehepaar 200 Euro kosten | |
ließ – schließlich muss man als Pate ja Geld locker machen. „Ich bin | |
richtig glücklich“, sagt die 63-Jährige. | |
Je nach Exponat werden für eine solche Partnerschaft zwischen hundert und | |
zehntausend Euro fällig, am oberen Ende der Skala rangieren Objekte wie der | |
Meteorit „Benthullen“ oder ein Präparat des seit 160 Jahren ausgestorbenen | |
Riesenalks. Das Konzept hat Museumsdirektor Peter-René Becker von seiner | |
früheren Wirkungsstätte, dem Überseemuseum Bremen, mitgebracht. Es gehe bei | |
dieser Klingelbeutelaktion allerdings nicht etwa darum, dass es dem | |
altehrwürdigen Oldenburger Haus finanziell besonders schlecht ginge, das | |
vom Land getragene Museum steht auf einer soliden Basis, auch wenn es, wie | |
andere Kultureinrichtungen auch, nicht unbedingt in Geld schwimmt. Er wolle | |
damit vielmehr die „ohnehin schon starke emotionale Bindung“ der Besucher | |
zum Museum vertiefen, sagt Becker. Und ein bisschen Geld für | |
außerplanmäßige Ausgaben zur Verfügung haben. | |
Diese emotionale Bindung war bei den Spieckers zuvor vielleicht nicht so | |
besonders eng, zumindest nicht so stark wie ihre sonstige | |
Naturverbundenheit. Vor 25 Jahren haben sie die Delmenhorster Ortsgruppe | |
des Nabu mitgegründet, davor waren sie im Vogelschutzbund aktiv. Die 63 und | |
67 Jahre alten Eheleute gehen gerne wandern, gerade erst haben sie beim | |
Urlaub an der Ostsee einen Seeadler beobachten können, berichten sie. | |
Daneben versuche er auch schon mal, Vögel mit Pfeifen anzulocken, um sie | |
aus der Nähe zu sehen, sagt Michael Spiecker. Nachtigallen etwa – oder eben | |
Pirole, die nicht eben zu den häufig vorkommenden Arten zählen. Der scheue | |
gelb-schwarze Vogel steht auf der Vorwarnliste der Naturschützer, eine | |
Stufe vor der Roten Liste. Die Pirol ist noch nicht akut bedroht, aber | |
schon gefährdet. | |
Als sie beim Rundgang durch das Museum den Pirol entdeckten, war die | |
Entscheidung dann auch schnell getroffen. Dieser Vogel sei in den | |
vergangenen Jahren immer seltener zu hören gewesen, zuletzt hätten sie nur | |
noch von einem einzigen Brutpaar in Delmenhorst gewusst, erzählen die | |
beiden Vogelfreunde. Sichtungs- und Rufhäufigkeit seien letztlich | |
Indikatoren für den zunehmenden Verlust des Lebensraums für ganze Arten: | |
„Denken Sie nur an den Kiebitz!“ Der war einmal ein Allerweltsvogel, heute | |
bekomme man ihn kaum mehr zu Gesicht. | |
Also der Pirol, der im Museum in einem, nun ja, eigenwilligen Ensemble zur | |
Schau gestellt wird: Der Vogel ist an einem Ast befestigt, gemeinsam mit | |
ein paar Paradiesvögeln. Ein Kapitän hatte um 1900 diese ausgestopften | |
Tiere, die von ihrer Art und ihrem Vorkommen her überhaupt nichts | |
miteinander zu tun haben, in einem Glaskasten arrangiert und an die | |
damalige Großherzogliche Naturaliensammlung veräußert. Heute ist der Kasten | |
unveränderter Teil der „Wunderkammer“, wie Becker sie nennt: Ein Raum im | |
Museum, der so belassen wurde wie er vor hundert Jahren war. | |
Die Spieckers stört die altertümliche und ornithologisch wenig sinnvolle | |
Präsentation nicht. Sie sei froh, dass es mit dem Pirol überhaupt geklappt | |
habe, sagt Margitta Spiecker. Es mache auch nichts, dass die mit der | |
Patenschaft einhergehende Geldspende gar nicht direkt für das betreffende | |
Objekt verwendet wird – das Museum finanziert damit andere Dinge, | |
Neuanschaffungen etwa, Materialkosten, unter Umständen auch die | |
Verbesserung der Sicherheitseinrichtungen. Im Gegenzug gibt es eine Urkunde | |
und eine namentliche Nennung der Paten auf einem Monitor an der Kasse, bei | |
höherpreisigen Objekten mitunter auch eine Plakette. Wichtiger sei ihnen, | |
dass das alles mit dazu beitrage, die Sammlung, und damit auch „ihren“ | |
Pirol, zu erhalten und für Schulkinder erfahrbar zu machen, sagen die | |
Eheleute. | |
Ihren Patenvogel werden sie jetzt wohl öfter mal besuchen, und vielleicht | |
bekommt der Pirol beizeiten auch ein Patengeschwisterchen. Die | |
frischgebackenen Paten werden jedenfalls hellhörig, als Becker erzählt, | |
dass er unlängst einen Wiedehopf gesehen habe. „Möglich, dass der Pirol nur | |
der Einstieg war“, sagt Margitta Spiecker. | |
Für Becker wäre das nichts Neues: Während seiner Zeit in Bremen sei eine | |
Familie so sehr in Schildkröten vernarrt gewesen, dass sie am Ende | |
Patenschaften für alle vorhandenen Exemplare übernommen hatten, sogar jene, | |
die im Magazin lagerten. Soweit werden die Spieckers kaum gehen: Insgesamt | |
besitzt das Landesmuseum rund 6.000 Vögel. | |
21 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Maik Nolte | |
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