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# taz.de -- Leistung oder Quote: „Die Quote hat viele Mütter und Väter“
> Hamburgs Justizsenatorin Jana Schiedek ist durch ihren Kampf für eine
> Frauenquote in Aufsichtsräten bundesweit bekannt geworden.
Bild: Jana Schiedek
taz: Frau Schiedek – verstehen Sie sich als Feministin?
Jana Schiedek: Darüber habe ich mir noch nie ernsthaft Gedanken gemacht.
Als Senatorin setze ich mich für die Gleichstellung der Frauen ein, die auf
den meisten Feldern nach wie vor das benachteiligte Geschlecht sind – das
fällt sicher unter Feminismus.
Hat der klassische Feminismus à la Alice Schwarzer in Ihrer Sozialisation
keine Rolle gespielt?
Meine Cousine war überzeugte Feministin. Ich habe deshalb von Kindesbeinen
an Frauenbewegungs-Debatten mitbekommen. Aber wirklich bewegt hat mich das
Thema erst später.
Waren Sie mal in einer Frauengruppe, oder war das in Rissen in den
90er-Jahren kein Muss?
Ich habe eher in gemischtgeschlechtlichen Gruppen agiert.
Gibt es Punkte, an denen Sie als Frau Benachteiligung erfahren haben?
Eher selten. Ich habe das Phänomen, dass qualifizierte Frauen kaum in
Top-Positionen von Unternehmen oder Organisationen vordringen und
spätestens auf der mittleren Management-Ebene hängen bleiben, aber bei
vielen anderen Frauen erlebt. Das genügt, um zu wissen, dass gegen diese
„gläserne Decke“ unbedingt etwas getan werden muss.
Sie saßen sechs Jahre in der Bezirksversammlung Mitte und drei Jahre in der
Bürgerschaft, seit zwei Jahren sind Sie Senatorin. Ist Politik immer noch
ein männerdominiertes System?
Ich habe den Hamburger Politikbetrieb nie als so männerdominiert empfunden.
Wir haben hier in den meisten politischen Gremien aber auch einen ziemlich
vorbildlichen Frauenanteil. Was wiederum an Quoten liegt.
Es ging mir weniger um Quotierung, als um männliche Macht- und
Klüngelstrukturen.
Die habe ich auch nicht so ausgeprägt erlebt. Außerdem können Frauen
mittlerweile auch ganz gut netzwerken.
Was können Parteien tun, um mehr aktive weibliche Mitglieder zu
rekrutieren?
Wir müssen uns gezielt um junge Frauen kümmern, die nicht sofort ganz laut
„ich, ich!“ schreien, wenn es um die Verteilung von Aufgaben,
Verantwortlichkeiten und auch Posten geht. Wer Frauenförderung ernst nimmt,
muss anders und gezielter fragen. Auch in der SPD haben wir Quoten, aber
das Ziel muss ja sein, dass wir sie nicht mehr brauchen, weil es
selbstverständlich ist, dass Frauen und Männer in allen Positionen
gleichermaßen vertreten sind. Doch das ist noch eine weite Wegstrecke.
Politische Karriere und Kinder sind für Frauen immer noch schwer vereinbar.
Worauf genau spielen Sie an?
Wenn Männer sagen, ich konnte mich aufgrund meiner politischen Karriere zu
wenig um meine Kinder kümmern, wird sich darüber niemand aufregen. Stellen
Sie sich diesen Satz aus dem Mund einer Frau vor.
Das stimmt. Politik ist ein arbeitsintensiver Bereich mit vielen
Abendterminen, doch es gibt genügend Frauen, die zeigen, dass man das
vereinbaren kann. Wir kümmern uns so intensiv um die Vereinbarkeit von Job
und Familie, da muss sich die Politik auch mit sich selbst beschäftigen und
hinschauen, wie es mit der Vereinbarkeit aussieht.
Wie regeln Sie das? Wer macht Zuhause den Abwasch, wer putzt das Bad: Sie,
Ihr Mann oder lassen Sie putzen?
Wir haben das nach unseren persönlichen Begabungen aufgeteilt. Mein Mann
kocht, weil er es mag und kann, ich bin für die Wäsche verantwortlich und
ich gebe zu: Zum Putzen haben wir Hilfe.
Sie gelten als „Mutter der Frauenquote“. Ärgert es Sie, dass Ihre Arbeit so
verkürzt wird?
Ich selbst sehe mich nicht als „Mutter der Frauenquote“. Wenn die Quote
endlich kommt, dann hat sie viele Mütter und auch einige Väter. Und ich
habe auch nicht das Gefühl, dass meine Arbeit in der öffentlichen
Wahrnehmung nur auf diesen Bereich reduziert wird.
Nun galten Sie ja bei Ihrer Berufung zur Justizsenatorin selbst gleich als
Quotenfrau.
Der Bürgermeister hatte die Entscheidung getroffen, dass der Senat
gleichermaßen mit Frauen und Männern besetzt wird. Deshalb warte ich noch
immer auf das Interview, wo dem Innen- oder dem Schulsenator die Frage
gestellt wird, wie sie sich denn so als Quotenmänner fühlen.
Wir werden das nachholen.
Ich bin in den vergangenen Jahren öfter in den Genuss von Quoten gekommen
und habe damit überhaupt kein Problem. Was mich an der Debatte ärgert, ist
der Unterton, dass Quote etwas mit mangelnder Qualifikation zu tun hätte.
Hat sie aber nicht. Es geht darum, dass wir eine Riesenzahl
hochqualifizierter, hervorragend ausgebildeter Frauen haben, die trotzdem
nicht in Führungspositionen kommen. Das gilt es zu ändern.
Wie aber begegnen Sie einer Frau, die sagt: Ich will keine Quote – ich will
wissen, dass ich mich nur wegen meiner Qualifikation durchgesetzt habe.
Ich kann diese Sichtweise verstehen, halte sie aber dennoch für falsch.
Junge Frauen denken oft so, da der Berufseinstieg zumeist noch
vergleichsweise einfach ist. Wenn Frauen ein paar Jahre berufliche Realität
hinter sich haben, merken sie, dass sie und auch andere Frauen irgendwann
auf der Karriereleiter nicht mehr vorankommen. Dann ändert sich nach meiner
Erfahrung der Blickwinkel oft. Denn würde in den oberen Etagen nicht
absoluter Frauenmangel herrschen, bräuchten wir die Quote ja nicht.
Lenkt die Quote in Aufsichtsräten die frauenpolitische Debatte nicht auf
ein falsches Ziel? Sie betrifft real nur wenige Frauen, die es ohnehin
schon weit gebracht haben, und führt weg von Debatten etwa um ungleichen
Lohn für Männer und Frauen.
Das Gegenteil ist der Fall. Zum einen gibt es keinen Grund, diese Debatten
gegeneinander auszuspielen. Zum anderen hat nach meiner Beobachtung die
Diskussion um die Quote auch den Blick auf solche Themen wie
Entgeltgleichheit und Betreuungsgeld eher geöffnet. Diese Diskussionen
nehmen heute einen viel zentraleren Raum in der gesellschaftlichen Debatte
ein, als noch vor einigen Jahren.
Sie waren für Peer Steinbrücks Kompetenzteam im Gespräch – empfinden Sie
sich als politische Senkrechtstarterin?
Es ist mir vielleicht gelungen, mit der Quote in Aufsichtsräten und der
Gleichstellung Eingetragener Lebenspartnerschaften bundespolitische Akzente
zu setzen. Aber als Senkrechtstarterin habe ich mich nie gesehen. Und was
Berlin betrifft: Ich fühle mich hier in meiner Heimatstadt und als Justiz-
und Gleichstellungssenatorin sehr wohl.
Sie sind aufgrund Ihrer Bundesratsinitiativen bundesweit recht bekannt, in
Hamburg hingegen die Senatorin mit dem geringsten Bekanntheitsgrad. Das
verwundert.
Justizpolitik ist anders als etwa Schul- und Stadtentwicklungspolitik kein
Bereich, der ständig im öffentlichen Fokus steht. Ich habe aber nicht den
Eindruck, dass ich mit meinen Themen nicht durchdringen könnte. Der Erfolg
der verschiedenen Initiativen ist wirklich wichtiger als mein
Bekanntheitsgrad.
Sie waren mit der Politik schon durch, hatten Ihr Bürgerschaftsmandat
aufgegeben, um sich ganz Ihrer Arbeit zu widmen, als der Anruf von Olaf
Scholz kam.
In meinem Job als Europareferentin der Hamburg Port Authority war ich viel
auf Reisen. Das ließ sich nur noch schwer mit unserem Feierabendparlament
in Einklang bringen. Deshalb hatte ich mich entschieden, das Mandat
aufzugeben, um mich voll auf eine Sache zu konzentrieren. Das kann ich
jetzt, wenn auch anders als gedacht.
Sie sind dem Stadtteil St. Pauli, wo sie wohnen, und auch dem Fußballverein
FC St. Pauli eng verbunden. Erlaubt es Ihnen Ihr Zeitplan noch, jedes
Heimspiel zu besuchen?
Jedes Mal schaffe ich es nicht, aber gewisse Hobbys und Leidenschaften will
ich beibehalten und da steht der FC St. Pauli in meiner Prioritätenliste
weit oben.
Im Stadion sind Frauen noch in der krassen Minderheit – brauchen wir auch
hier eine Quote?
Man kann sicher niemand zwingen, Fan von einem bestimmten Verein zu sein.
Es kommen zwar einige lautstarke Frauen ans Millerntor, doch es könnten
ohne Frage noch mehr sein.
Darf eine Senatorin im Stadion lauthals jubeln und pöbeln?
Ich kenne keine Senats-Regeln, die das verbieten. Die könnte ich ohnehin
keine fünf Minuten einhalten. Ich bleibe ja Jana, die St. Pauli-Fan ist,
insofern nehme ich mir das Jubeln und auch mal das Grölen durchaus raus.
Wenn ich das nicht mehr dürfte, dann hätte ich ein Problem.
7 Jun 2013
## AUTOREN
Marco Carini
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