# taz.de -- Engagement aus Nivea-Erlösen: Ein Fabrikant als Kunstmäzen | |
> Der einstige Beiersdorf-Chef Oskar Troplowitz förderte Kunst und Kultur – | |
> durch Mitgründung wertvolle Schenkungen und den Kampf für einen | |
> Bürgerpark. | |
Bild: Troplowitz, 1916 gemalt von Franz Nölken. | |
Er verbindet den trubeligen Eingangsbereich der Hamburger Kunsthalle mit | |
den wuchtigen und hohen Ausstellungsräumen in deren Innerem: der „Hamburger | |
Gang“, gewidmet der lokalen Kunst. Ein langer, schlauchförmiger Weg ist es, | |
der an einer Reihe kleiner, aneinander gereihter Kabinette vorbeiführt. Es | |
ist ein idealer Ort, um unaufgeregt, aber konzentriert das künstlerische | |
Vermächtnis des Hamburger Unternehmers, Kunstmäzens und Sammlers Oscar | |
Troplowitz (1863–1918) vorzustellen, der im Bewusstsein der Hansestadt | |
lange nahezu vergessen war. | |
Am Anfang der aktuellen Ausstellung stehen zwar, wie bei anderen | |
Troplowitz-Würdigungen auch, die prägnant blauen Nivea-Dosen, die den | |
Weltruhm seiner Firma begründeten. Diese nannte er mit Blick auf den | |
vorherrschenden Antisemitismus in allen Schichten der Bevölkerung | |
vorsorglich „Beiersdorf“, nachdem er eine kleine pharmazeutische Firma | |
eines gewissen Paul Beiersdorf übernommen hatte. | |
Hat man das aber hinter sich, bekommt man als Besucher die Chance, | |
Troplowitz’ Sinn für Ästhetik kennen zu lernen: eines jüdischen | |
Unternehmers, der 1910 zum Christentum konvertierte und dessen Unternehmen | |
– in Altona mit elf Angestellten gegründet – seinen ersten Hauptsitz in | |
Hamburg-Eimsbüttel mit nun 500 Beschäftigten finden würde. | |
Troplowitz verstand es – sowohl mit sozialpolitischen Maßnahmen wie | |
bezahltem Urlaub, einer Hinterbliebenenstiftung und einer Stillstube – die | |
Arbeiterschaft für sich zu gewinnen. Aber er wusste auch, die damals | |
aktuellen Entwicklungen der Kunst zu schätzen und zu nutzen: Früh setzte er | |
auf experimentelle Druckgrafik, um für seine Produkte zu werben, bezog auch | |
das damals junge Genre des Werbefilms ein – anfangs noch als Stummfilm. | |
Denn er wusste: Gute Produkte herzustellen, ist das eine. Sie aber auch | |
bekannt zu machen, das andere, vielleicht Wichtigere. | |
Der Erfolg gab ihm recht, und Troplowitz nutzte ihn, um sich politisch zu | |
engagieren, wie in einem der mittleren Kabinette der Hamburger Kunsthalle | |
nachzuverfolgen ist: Er wurde Bürgerschaftsabgeordneter für das | |
bürgerlich-liberale „Linke Zentrum“, blieb auch später ehrenamtlich | |
Mitglied der Oberschul, der Finanz, aber vor allem der Baudeputation der | |
Bürgerschaft. In letzterer Funktion engagierte er sich besonders für das | |
Museum für Hamburgische Geschichte. Er war beteiligt, als mitten im | |
wachsenden Hamburg ein Stadt und Bürgerpark gegründet werden sollte und | |
kämpfte an der Seite des damaligen Kunsthallendirektors Alfred Lichtwark | |
sowie des Baudirektors Fritz Schumachers, der 1909 berufen wurde. | |
Parallel förderte Troplowitz gemeinsam mit seiner Frau Gertrud die Bildende | |
Kunst, insbesondere Malerei und Plastik. Die Eheleute gehörten zu den | |
Mitgliedern des noch jungen Hamburger Kunstvereins und spendeten der | |
Kunsthalle Anfang des 20. Jahrhunderts eine Reihe inzwischen wichtiger | |
Werke des französischen Impressionismus. Der wurde damals nicht so | |
selbstverständlich wertgeschätzt wie heute. Vielmehr betrachteten ihn viele | |
als vorübergehende Modeerscheinung, die obendrein der deutschen Kunst | |
Konkurrenz machte. | |
Spannend ist deshalb vor allem das letzte Kabinett in der Kunsthalle. Es | |
erzählt von Pablo Picassos Bild „Absinthtrinkerin“, das Troplowitz 1914 in | |
Paris erwarb. Diesen Ankauf kann man angesichts des nahenden Krieges und | |
des ihn begleitenden Nationalismus durchaus als politisches Statement | |
verstehen. In Troplowitz’ Büro hing das Bild gegenüber von seinem | |
Schreibtisch – zum Schrecken seiner Frau, der das düstere Portrait eines | |
existentiell verlorenen Menschen unheimlich war. | |
Nach dem Tod des Fabrikanten, der am 1. Mai 1918 mit 55 Jahren starb, | |
überließ die Witwe das Gemälde der Kunsthalle. Die Nazis beschlagnahmten | |
das Werk 1937 als „entartete Kunst“ – und boten es zwei Jahre später üb… | |
einen Schweizer Kunsthändler dem internationalen Kunstmarkt an. Heute ist | |
es im Kunstmuseum in Bern zu sehen, nachdem es zwischenzeitlich im | |
Wohnzimmer eines Schweizer Augenarztes hing. Alle Versuche, das Bild | |
zurückzuholen oder es sogar zurückzukaufen, sind bisher gescheitert. | |
## „Ein Leben für Hamburg. Oscar Troplowitz“: bis 30. Juni, Hamburger | |
Kunsthalle | |
11 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Frank Keil | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |