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# taz.de -- Energiewende: Sprachliches Greenwashing
> Windkraftanlagen – wie hoch und wo genau? Ein Bürgerbegehren in Hamburg
> entpuppt sich auch als Kampf um die ökologisch wertvollste Fragestellung.
Bild: Gegen Atomkraft - aber auch gegen Windmühlen nebenan: Bürgerkonflikt in…
Im Hamburger Bezirk Bergedorf werden ab dem heutigen Dienstag
Abstimmungsunterlagen zu einem Bürgerbegehren verschickt. Mitentscheiden
sollen die Einwohner darüber, wie hoch die Windkrafträder sein dürfen, die
in dem ländlich strukturierten Hamburger Außenbezirk aufgestellt werden –
und wie weit sie von Wohnhäusern entfernt sein müssen.
Gegen – aus ihrer Sicht – zu hohe und zu nahe gelegene Windkraftanlagen hat
eine Initiative 4.000 Unterschriften gesammelt und mit Hochdruck die bis
zum 11. Juli laufende Abstimmung geplant. Deren vielleicht etwas langatmige
Fragestellung: „Sind Sie für eine Beschränkung auf die jeweiligen Höhen von
Windkraftanlagen bis zu 100 Metern mit dem bisherigen Abstand für die
Wohnanlagen und lehnen sie daher eine Änderung des Flächennutzungsplans (…)
mit der Bebauung von Windkraftanlagen mit zulässigen Höhen bis zu 180
Metern ab?“
SPD, Grüne, Links- und Piratenpartei im Bezirk sind für mehr Windkraft.
Andreas Dressel, Chef der SPD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft,
soll seinen Bergedorfer Genossen dann den entscheidenden Hinweis gegeben
haben: Ihre Abstimmungschancen wären wohl größer, könnten sie ihre eigene,
zum Entscheid gestellte Gegenfrage ein wenig ökologisch-zeitgeistiger
formulieren. Und so machte es die Bergdorfer SPD. Ihre Kernfrage – „Sind
sie dafür, dass im Bezirk Bergedorf vier Flächen für leistungsfähige
Windkraftanlagen ersetzt werden (…)?“ – ergänzte sie um einen Öko-Zusat…
„(…) damit Bergedorf seinen Beitrag zur Energiewende leistet, der
Atomausstieg voran kommt und der Pannenreaktor in Krümmel für immer
abgeschaltet bleibt?“
Klar: Das AKW im schleswig-holsteinischen Krümmel geht auch ohne
Bergedorfer Windspargel nicht wieder ans Netz. Aber weil die neue
Formulierung auch nicht völlig falsch ist, bekam die Bezirks-SPD
Unterstützung von Grünen, Linken und Piraten.
Das ärgerte die Bürgerinitiative, die sich nun in die Nähe von
Atomkraftfans und Energiewende-Verweigerern gerückt sah. Die Aktivisten um
ihren Sprecher Willy Timmann sannen auf Rache, machten sich an die
ökologische Kostümierung auch ihrer eigenen Frage durch einen wirkungsvoll
vorangestellten Zusatz: „Sind Sie
– für den Atomausstieg
– für die endgültige Abschaltung des Atomreaktors Krümmel
– für die gut geplante Energiewende (…)“, dann geht es weiter mit der
polemisch etwas angereicherten Kernfrage nach dem „bisherigen Abstand zu
Wohngebieten“ und der „Änderung des Flächennutzungsplans (…) mit riesig…
Windkraftanlagen bis zu 180 Metern Höhe“.
Diese Formulierung, das ist in Bergedorf ein offenes Geheimnis, wäre
juristisch vor einem Verwaltungsgericht vermutlich anfechtbar: Das derzeit
gültige Bürgerentscheidsgesetz erlaubt lediglich eine leichte
„redaktionelle Überarbeitung“ der ursprünglichen Frage.
Weil aber die Fraktionen der Bezirksversammlung ja höchstselbst angefangen
hatten mit dem formulierungsmäßigen Greenwashing, mögen sie auch nicht so
recht den ersten Stein in Richtung der Initiative werfen. Dabei ist die
Fragestellung des Bezirksparlaments gar nicht zu beanstanden: Es darf
fragen, was und wie es will.
Fraglich ist, ob die Sache einen solchen Formulierungskampf auf hohem
Ausstiegsniveau eigentlich wert ist. Denn der Bürgerentscheid hat nur
empfehlenden Charakter. Die eigentliche Entscheidung über die Ausweisung
der neuen „Windkraft-Eignungsflächen“ fällt in der Hamburger Bürgerschaf…
in der die SPD die Mehrheit hält. Und die hat bereits durchblicken lassen,
für den Ausbau der Windkraft zu stimmen – ganz egal, wie die Bergedorfer
abstimmen.
10 Jun 2013
## AUTOREN
Marco Carini
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