# taz.de -- Entschieden unentschieden | |
> KONZERT Anlässlich des 30-jährigen Bühnenjubiläums kommt Georgette Dee, | |
> „die größte lebende Diseuse“, für zwei Abende mit deutschem Schlager in | |
> die Schwankhalle | |
von JAN ZIER | |
Sie? Oder er? Für Georgette Dee stellt sich diese Frage nicht, auch wenn | |
sie in Interviews fast unvermeidbar scheint, all die Jahrzehnte schon. | |
Georgette Dee will sie auch nicht beantworten. Und schon gar nicht: | |
entscheiden. Warum überhaupt: oder? Dee ist beides, Mann und Frau, | |
entschieden unentschieden, auch auf der Bühne. Manch einer erkennt ihn | |
deshalb gar nicht, agiert er im Theater mal als Mann. Und nicht, wie | |
gewohnt, als Diseuse. | |
Georgette Dee ist eine Kunstfigur jenseits tradierten Geschlechterdenkens, | |
eine eigene Marke, auch im ganz juristischen Sinne, benannt nach einem | |
Stück Stoff – ein leichtes Gewebe, mit krauser Oberfläche, zugleich ein | |
wenig kratzig. Wenn sie auf die Bühne tritt, sagt sie, dann ist die | |
„Transformation vollkommen“. Deswegen braucht Georgette Dee auch nichts | |
aufgesetzt Travestiehaftes, keinen Gummibusen, keine Kunstwimpern. Sie will | |
solche „sexuellen Spießerfantasien“ nicht bedienen. Und er fühlt sich, sa… | |
er, auch ganz wohl in seiner Haut – „wie wohl die meisten schwulen Männer�… | |
Dass ihr langes Kleid deswegen vielleicht ein wenig, nun ja, sackartig | |
daher kommt, das hört sie nicht so gerne. Auch wenn Eleganz, wie Georgette | |
Dee selbst sagt, nicht so „ihr Ding“ sei. Vielleicht könnte sie dann auch | |
nicht so überzeugend Porno auf Adorno reimen. | |
Heute tritt Georgette Dee in der Schwankhalle auf. Und morgen wieder. | |
Bremen, das ist eine Georgette Dee-Stadt, früher schon, als sie das | |
Musical-Theater füllte, oder, noch früher, das Goetheplatz-Theater, bis auf | |
den obersten Rang. Sie hat es auch nicht gar so weit von zu Hause, einem | |
Dorf in der Lüneburger Heide, wo Dee einst als Drogisten- und | |
Gärtnerinnen-Sohn aufwuchs. | |
„Wo meine Sonne scheint“ heißt das Programm diesmal, es ist die | |
Jubiläums-Tour: 30 Jahre steht Georgette Dee nun schon auf der Bühne. Seit | |
sie von der alt ehrwürdigen ZEIT zur „größten lebenden Diseuse“ geadelt | |
wurde, ist ihre Anerkennung im breiteren Publikum spürbar gestiegen. Seine | |
auch. Begleitet wird sie, nein, nicht (mehr oder wieder) vom kongenialen | |
Terry Truck am Piano, auch wenn sich das viele ihrer treuen Fans so | |
wünschen würden, sehnlichst. Statt dessen wird Jürgen Attig mit ihr kommen, | |
am Kontrabass, und Carsten von Stanislawski, an der Gitarre. Und deutschen | |
Schlager spielen, also die „Gefühls-Evolutions-Geschichte des Menschen“, | |
wie sie das nennt, in Anlehnung an ein Erich Kästner-Wort über den Chanson. | |
Im CD-Regal steht sie meist irgendwo zwischen Marlene Dietrich und Zarah | |
Leander – noch so eine schwierige Zuschreibung, die irgendwie passt. Und | |
doch wieder nicht. „Aber ich glaube“, sagte sie jüngst in einem Interview, | |
„das geht schon in Ordnung“. Und wenn sie dabei die Dietrich als | |
„Miststück“ apostrophiert, dann klingt das immer noch liebevoll, nicht nur | |
weil sie ein „großartig“ hinterher schiebt. | |
Ihr musikalisches Erweckungserlebnis kam eigentlich mit Edith Piaf. Doch | |
wie die Piaf gesungen hat, sagt Dee, „das passt nicht zu mir“. Piaf war | |
„nur ihre Lieder“. Dee ist das nicht. Doch weil sie die Frau gibt, hört man | |
ihr zu, auch, gerade wenn sie von zwischenmenschlichen Beziehungen spricht. | |
Lässt sich von ihr erotisieren. Egal ob Mann oder Frau, schwul oder hetero | |
oder beides. Da hilft es, den zugegeben profanen bürgerlichen Namen auch | |
weiterhin zu verschweigen. Dem Mythos wäre er auch abträglich. | |
Natürlich, mittlerweile ist Dee über 50, die Performance durchkomponiert, | |
perfekter, glatter als früher, der programmatische Drogenkonsum gemindert, | |
die Stimme nicht mehr so brilliant wie ehedem. Viele verzeihen ihr das. | |
„Irgendwie“, sagt sie, „habe ich immer gemacht, was ich wollte. Und bin | |
damit durchgekommen“. | |
■ Samstag und Sonntag, jeweils 20 Uhr, Schwankhalle | |
9 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
JAN ZIER | |
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