# taz.de -- Obama: Alles nur zur Sicherheit | |
> Fenster müssen geschlossen bleiben, Straßen werden gesperrt. Was halten | |
> Menschen davon, die noch in der Sperrzone unterwegs sind? | |
Bild: Potsdamer Platz: Hier nächtigt der Präsident | |
## Keiner will Gefrorenes | |
„Es ist fast wie im Winter, fast kein Kunde“, beschwert sich Felix. Er | |
arbeitet in einem kleinen Frozen-Joghurt-Stand am Pariser Platz. „Sonst | |
steht hier bei so einem Wetter eine riesige Schlange. Aber die Leute kommen | |
kaum noch durch.“ Auch die Lieferanten für den kleinen Stand hätten schon | |
Probleme, durch die ganzen Absperrungen zu kommen. Dafür sind rund um den | |
Pariser Platz umso mehr Polizisten und Einsatzwagen, hier ist für heute | |
Obamas Auftritt geplant. Felix’ Stand bleibt dann geschlossen. „Ich hab | |
gehört, die Gäste im Adlon dürften morgen noch nicht einmal mehr aus dem | |
Fenster gucken“, sagt Felix. | |
## Auf der Suche nach Kunden | |
Leonardo sitzt in seinem Velotaxi. „Ich lerne für die Uni. Heute ist kaum | |
was los, ob das am Besuch morgen liegt, weiß ich nicht.“ Er parkt auf dem | |
Platz des 18. März vor dem Brandenburger Tor, umgeben von Mannschaftswagen | |
der Polizei. Viele Touristen kommen hier am Dienstag nicht vorbei. Heute, | |
am Tag von Obamas großem Auftritt, „wird das noch mal ein richtiges | |
Problem, da ist vieles komplett gesperrt“, sagt der 25-Jährige. „Das heiß… | |
ich muss riesige Umwege fahren.“ Arbeiten will er heute aber trotzdem. | |
„Such ich mir eben einen Platz, an dem ein bisschen mehr Leute stehen.“ | |
## Secret Service, überall | |
„Schon verrückt, so viel Aufwand für einen Mann“, sagt Marco, kurz bevor … | |
damit beginnt, alle Tische und Mülleimer in den Laden zu räumen. Beim | |
Imbiss am Brandenburger Tor darf draußen nichts stehen bleiben. „Selbst die | |
Schlüssel für den Stand muss ich abgeben. Wahrscheinlich kontrollieren die, | |
dass hier keiner mehr drin ist“, sagt Marco. Die, das ist der Secret | |
Service, der schon überall präsent sei, „die erkennt man ja sofort“. Am | |
Dienstag sammelt sich aber noch eine Schlange vor dem Stand. | |
## Klima ist geregelt | |
Über das Verbot für Anrainer, ihre Fenster zu öffnen, können die beiden | |
Anwälte nur lachen. „Wir öffnen die Fenster eh nie, in unseren Büros | |
regiert die Klimaanlage“, sagt der eine. „Jetzt haben wir erfahren, dass | |
uns das Verbot eh nicht betreffen würde“, sagt der andere. Denn ihre Büros | |
liegen am anderen Ende des Potsdamer Platzes – außerhalb der abgesperrten | |
Zone rund um das Hotel, in dem Obama schläft. An diesem schlendern die | |
beiden nun in ihrer Mittagspause vorbei, gucken zu, wie Polizisten | |
Absperrgitter aufbauen und sich von Arbeitern der Stadtreinigung | |
Gullideckel aufstemmen lassen, um den Schacht darunter zu kontrollieren und | |
dann mit Gasflasche und Flammenwerfer zu versiegeln. Es könne wohl | |
höchstens sein, dass die Post am Mittwoch nicht bis zu ihrem Büro | |
durchkommt, sagt der eine. | |
## Chillen zwischen Beton | |
Mitten auf einer Wiese voller Gänseblümchen sitzen Nomiko Bayarmaa, 16, und | |
Ernst Boy, 15, hinter sich die Hochhausfassaden des Potsdamer Platzes, zehn | |
Meter weiter lässt gerade ein Polizist seinen Hund an Straßenlaternen und | |
Fahrradständern schnüffeln. „Schon gut, dass Barack Obama hier herkommt“, | |
sagt Bayarmaa und setzt ihre Sonnenbrille ab. So hoher Besuch komme | |
schließlich nicht allzu oft nach Berlin. Aber dass sie beide hier sitzen, | |
das habe mit dem allerorts um sie herum zu bestaunenden Sicherheitstrubel | |
um den US-Präsidenten rein gar nichts zu tun. „Wir wollten einfach ein | |
wenig chillen und sind dafür eben am Potsdamer Platz ausgestiegen, reiner | |
Zufall“, sagt Boy. Sie kommen aus Schöneberg und Reinickendorf und haben | |
ihre Ruheoase auf einem raren Stück Grün inmitten der Beton- und Glaswüste | |
in Berlins Mitte gefunden, am derzeit wohl sichersten Ort der Stadt. Die | |
beiden nehmen ihre Schläger und spielen Federball, eine halbe Stunde noch. | |
Denn dann sperrt die Polizei auch die Wiese ab. | |
## Zoo statt Tor | |
Colin Chesneau, 16, wirkt etwas verloren mit seinem Stadtplan in der Hand, | |
hier im toten Winkel des Potsdamer Platzes, den Lennéstraße, | |
Ben-Gurion-Straße und Tiergarten bilden. Er kommt aus Frankreich, ist für | |
eine Woche in Berlin, schläft bei Freunden und wollte eigentlich unbedingt | |
das Brandenburger Tor sehen. „Aber das war nur aus der Ferne möglich, wegen | |
der Absperrungen“, sagt er. Aber so schlimm sei das schon nicht, Barack | |
Obama komme schließlich in die Stadt, „50 Jahre nach John F. Kennedy, das | |
ist doch großartig für Berlin“, sagt Chesneau. Er ist bestens im Bilde. Das | |
Brandenburger Tor müsse dann eben ein paar Tage warten. „Ich gehe dann eben | |
jetzt in den Zoo.“ | |
## Anwohner ausgeflogen | |
An „Anwohner im Bereich Potsdamer Platz und Leipziger Platz“ hat die | |
Polizei ein Informationsschreiben gerichtet und darin vor Sicherheits- und | |
Kontrollmaßnahmen wegen des Obama-Besuchs gewarnt, außerdem um geschlossene | |
Fenster rund um Obamas Hotel gebeten. Aber gibt es im Büro- und | |
Touristenmekka dieser Gegend überhaupt „Anwohner“? Ja, in einem | |
Apartmenthaus gleich hinter dem Hotel, in dem Obama nächtigt. Zu finden und | |
zu sprechen ist aber keiner von ihnen, dafür spricht eine Concierge, die | |
sich mit diesem Wort meldet, wenn man die Klingel unter dem Schild | |
„Doorman“ drückt. Sie erläutert höflich, dass die Polizei das | |
Informationsschreiben per E-Mail gesendet habe. Aber hier lebten manche | |
dauerhaft, andere dagegen nicht. Wohl darum gibt es hier keine Anwohner auf | |
der Straße. Sind wohl gerade an einem ihrer anderen Wohnsitze, wo man die | |
Fenster öffnen darf. | |
## Einbußen trotz Zugang | |
Das Restaurant der Kellnerin liegt inmitten des Geschäfts- und | |
Unterhaltungszentrums am Potsdamer Platz. An dessen Rande steht sie jetzt | |
in ihrer Pause und raucht. „Obama“, sagt sie, zieht die Schultern hoch, | |
bläst den Rauch aus und schweigt dann. Neben ihr steuert ein Polizist mit | |
einer Fernbedienung einen kleinen Kran, der Felsblöcke vor die Einfahrt | |
einer Tiefgarage hebt. „Die machen hier alles dicht“, sagt die Kellnerin | |
schließlich, „keine Ahnung, wie das laufen soll.“ Aber Obama, das sei ja | |
auch der mächtigste Mann der Welt. Mehr Probleme mit den versperrten | |
Zugängen werde eh die Spätschicht haben, meint sie. Das Restaurant bleibt | |
offen, im Gegensatz zu den Filialen der Eis- und der Pizza-Kette vorne, | |
direkt neben Obamas Hotel, die haben am Dienstag und am Mittwoch | |
geschlossen. Zum Restaurant gibt es noch unversperrte Zugänge auf der | |
anderen Seite. „Aber ordentliche Einbußen wird uns das trotzdem bescheren.“ | |
18 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Puschner | |
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