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# taz.de -- Pauker soll bleiben: Lehrer-Krieg in Bremerhaven
> Konflikte mit der Schulleitung sollen schuld daran sein, dass ein Lehrer
> versetzt wird. Seine Abschlussklasse will, dass er bleibt.
Bild: Schule am Ernst-Reuter-Platz: Manchmal steckt in einer alten Hülle eben …
BREMEN taz | Bevor das diesjährige Sommerfest an der Schule am
Ernst-Reuter-Platz in Bremerhaven überhaupt beginnen konnte, war es schon
zu Ende: NeuntklässlerInnen stürmten die Bühne, um gegen die Versetzung
ihres Klassenlehrers Michael Kastner zu demonstrieren. Eigentlich sollte er
sie bis zu ihrem Schulabschluss im nächsten Jahr begleiten, aber nun müssen
die SchülerInnen einen Lehrerwechsel hinnehmen. Sowohl ihre Eltern als auch
Kastner selbst sind sich sicher: Die Versetzung ist das Ergebnis eines
schon länger bestehenden Konflikts zwischen Schulleitung und Klassenlehrer.
„Herr Kastner ist ein eigenwilliger Lehrer“, sagt Saban Buric, Vater eines
Neuntklässlers, „aber die Schüler lieben ihn.“ Einige hätten sogar gewei…
als sie von Kastners Weggang erfuhren: „An der Schule sind viele Kinder aus
schwierigen sozialen Verhältnissen. Dass diese Jugendlichen in ihrem
wichtigsten Schuljahr einen anderen Lehrer bekommen sollen, ist völlig
unverständlich.“ Das finden auch die SchülerInnen, die es nicht bei der
Störung des Schulfestes beließen: Sie mobilisierten ihre Eltern und
forderten Stellungnahmen von der Schulleiterin und vom Schulrat. „Von der
Schulleitung bekamen wir die Information, dass die Sache nicht mehr in
ihren Händen läge“, so Buric, „der Schulrat wollte gar nicht mit uns
sprechen, und der Schuldezernent sagte, Herr Kastner würde wegen
Personalmangels an eine andere Schule versetzt.“
Dabei handelt es sich um die Humboldt-Schule, „und ihr Schulleiter hat
losgelacht, als ich mich bei ihm gemeldet habe“, sagt Kastner, denn trotz
angeblichen Personalmangels soll dort ebenfalls ein Mathelehrer versetzt
werden. Kastner würde sehr gern an diese Schule wechseln, denn dort hat er
sein Referendariat absolviert und nie Probleme mit der Schulleitung gehabt,
„aber ich möchte wenigstens noch das kommende Schuljahr an meiner jetzigen
Schule bleiben. Es geht hier ja gar nicht um mich, sondern um die Kinder!“
Die seien ihm in den letzten drei Jahren ans Herz gewachsen, „dabei hätte
ich nicht gedacht, dass ich so viele Sympathiebekundungen bekomme – ich
halte mich nämlich keineswegs für einen guten Pädagogen.“ Als „Rauhbein�…
bezeichnet sich Kastner: „Ich mach’ nicht mit Smileys rum, ich bin
Handwerker, oft auch ziemlich holterdiepolter.“ Mit seiner Art könne nicht
jeder umgehen, am allerwenigsten seine Schulleiterin Nicole Wind: „Als der
alte Schulleiter und jetzige Schuldezernent Michael Frost gegangen ist,
hab’ ich gesagt: Wenn Du gehst, dann geh ich auch, weil ich mit der Wind
nicht auskomme – und dann hab’ ich mich doch überreden lassen, zu bleiben.…
Das war vor einem knappen Jahr, und seitdem herrscht Kleinkrieg zwischen
ihm und Nicole Wind: „Ich soll Zeugnisse fehlerhaft ausgestellt haben oder
irgendwie falsch unterrichten – dabei hat sie von Naturwissenschaften
überhaupt keine Ahnung.“ Er mache nicht mehr und nicht weniger Fehler als
seine KollegInnen, „aber einen Kieker hatte sie immer nur auf mich.“ Und
dann die Grillerei: „Ich habe Freitagsnachmittags immer mit meiner Klasse
gegrillt, und irgendwann wollte die Schulleitung dann, dass ich das jedes
Mal fünf Tage im Voraus schriftlich anmelde – den Schrieb hab ich in den
Müll geschmissen.“
Und am Vorabend des Sommerfestes kam der Eilbrief: Kastner möge sich am
nächsten Morgen um halb neun bei der Schulleitung einfinden: „Da stand
nichts von Versetzung, sondern von angeblichen Unregelmäßigkeiten in der
Notengebung – ich dachte, jetzt krieg ich wieder mal einen Arschtritt.“
Stattdessen erwartete ihn Schulrat Jörg Tönißen: „Und der sagte: Wir wollen
gar nicht lange über Ihre Vergehen reden; Sie werden versetzt – und damit
war das Thema durch. Ich war total überfahren.“
Gegenüber der taz wollte Tönißen sich nicht äußern, er verwies an den
Schuldezernenten Michael Frost – und der fasst sich kurz: „Es gibt nur eine
einzige Begründung für die Versetzung: Die eine Schule hat Lehrerüberhang,
die andere -mangel.“ Eine Formalität also, die normalerweise die
Schulleitung ausspricht – nicht der Schulrat höchstpersönlich.
„Das Bildungsministerium fordert von uns“, sagt Saban Buric, „dass wir uns
in den Schulalltag unserer Kinder einbringen sollen – aber wenn wir das
tun, hört niemand auf uns. Stattdessen trägt man den Streit von zwei
Lehrern auf dem Rücken von 40 Kindern aus.“
4 Jul 2013
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Schule
Konflikt
Mobbing
Bremerhaven
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