| # taz.de -- Asyl: Berlin beendet das Wegducken | |
| > Niedersachsen und Hamburg verweisen bei Bleiberechtsfragen gern auf | |
| > Berlin. Aber das stellt nun klar, dass die letzte Entscheidung bei den | |
| > Ländern liegt. | |
| Bild: Die Länder sehen gern Berlin für Fragen des Aufenthaltsrechts verantwor… | |
| HANNOVER taz | Es ist einer der großen Streitpunkte im deutschen Asylrecht: | |
| Wer entscheidet über die Zukunft von Flüchtlingen und kann ihnen ein | |
| Bleiberecht gewähren? Hamburg und Niedersachsen verweisen darauf, dass | |
| Ausländerrecht letztlich Bundesrecht sei – Hamburg derzeit im Fall der | |
| afrikanischen Flüchtlinge und Niedersachsen zuletzt im Fall des schwer | |
| herzkranken Rom-Mädchens Anita Memisevic. Nun schafft die Antwort auf eine | |
| Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken Klarheit. „Die letzte | |
| Entscheidung über den Umgang mit den Flüchtlingen lag und liegt bei den | |
| betroffenen Ländern“, heißt es dort. | |
| Der Hamburger Senat hat demnach im Fall der rund 300 afrikanischen | |
| Flüchtlinge, die im Frühjahr in die Stadt kamen, einen größeren | |
| Handlungsspielraum. Bisher verweist Hamburg auf geltendes EU-Recht, nach | |
| dem Flüchtlinge dort Asyl beantragen müssen, wo sie zum ersten Mal | |
| EU-Territorium betreten haben. In diesem Fall ist das Italien. Eine andere | |
| rechtliche Perspektive sieht Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nicht. Und | |
| darum scheiterten die Flüchtlinge bisher mit ihrer Forderung nach einer | |
| Aufenthaltsberechtigung aus humanitären Gründen in Hamburg. Sie verweisen | |
| auf Menschenrechtsverletzungen in italienischen Asyllagern, aber der | |
| Hamburger SPD-Senat beruft sich auf asylrechtliche Verpflichtungen | |
| gegenüber dem EU-Mitglied Italien und sieht die letzte Entscheidung bei der | |
| Bundesregierung. | |
| In der Antwort der Bundesregierung heißt es jedoch weiter, dass die Länder | |
| im Rahmen einer Einzelfallprüfung untersuchen müssten, ob humanitäre Gründe | |
| einer Rückkehr nach Italien entgegenstehen. Diese Klarstellung könnte nun | |
| neuen Schwung in die stockenden Verhandlungen in Hamburg bringen. Denn die | |
| flüchtlingspolitische Linientreue mit der Bundesregierung ist nicht | |
| notwendig. Der Bund sieht zwar einen „angemessenen Umgang mit Flüchtlingen | |
| in Italien gewährleistet“, wie der Antwort auf die Anfrage der Linken zu | |
| entnehmen ist. Aber Italien steht auch immer wieder in der Kritik wegen der | |
| Bedingungen in den Flüchtlingslagern. | |
| Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, sieht nun | |
| den Hamburger Senat in der Pflicht. „Die Zivilgesellschaft hat gezeigt, wie | |
| man humanitäre Hilfe leistet – jetzt muss Bürgermeister Olaf Scholz ein | |
| humanitäres Bleiberecht gewähren“, sagt er. | |
| Der Fingerzeig nach Berlin in Sachen Flüchtlingspolitik ist auch in | |
| Niedersachsen beliebt. Niedersachsens Ex-Innenminister Uwe Schünemann (CDU) | |
| etwa betonte stets, er und seine Ausländerbehörden setzten nur um, was der | |
| Gesetzgeber im Bund vorschreibe. Den Beweis, dass es auch anders geht, | |
| erbrachte er allerdings selbst, als er 2011 die Familie Nguyen nach Vietnam | |
| abschieben ließ. Nach bundesweiter Empörung auch aus der eigenen Partei | |
| schwenkte er nur Wochen später um und setzte sich aus humanitären Gründen | |
| für die Rückkehr der Familie ein. | |
| Schünemanns Amtsnachfolger Boris Pistorius (SPD) dagegen ist explizit für | |
| einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik angetreten. Schon im | |
| Koalitionsvertrag kündigte die rot-grüne Regierung an, man wolle das | |
| humanitäre Aufenthaltsrecht „großzügig im Sinne der Betroffenen“ anwende… | |
| In der Praxis klingt das Innenministerium allerdings zögerlicher. | |
| „Spielräume“ gebe es aus Landessicht zwar, heißt es auf Nachfrage, „das | |
| ganze Paket des Ausländerrechts ist aber Bundesrecht“. | |
| Auch im aktuellen Fall des Rom-Mädchens Anita Memisevic will man keine | |
| humanitären Aufenthaltsgründe geltend machen. Nur nach Protest von | |
| Flüchtlingsinitiativen hatten der Landkreis Goslar und das Innenministerium | |
| eine Ausreisefrist für Anita und ihre Familie nach Serbien ausgesetzt – | |
| vorerst. | |
| 18 Jul 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Annika Lasarzik | |
| Teresa Havlicek | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |