# taz.de -- Ausstellung: „Meine liebsten Schmutzstraßen“ | |
> Nach langer Zwangspause arbeitet Robert Kinmont wieder als Künstler. Nun | |
> zeigt das Künstlerhaus Bremen Arbeiten, die so schlicht wie einnehmend | |
> sind. | |
Bild: "Weed": Robert Kinmont arrangiert Fundstücke aller Art aus seiner Umgebu… | |
BREMEN taz | 30 Jahre lang hat Robert Kinmont nicht als Künstler | |
gearbeitet. Aus dem pragmatischsten und durchschlagendsten aller Gründe: | |
Geldknappheit. „Ich hatte schließlich kein Geld mehr, keinen Job, kein | |
Atelier, keine Aussicht in der Kunstwelt und eine Reihe erbarmungsloser | |
finanzieller Nöte“, sagte er im Gespräch mit der Journalistin Aoife | |
Rosenmeyer. Er wird Schreiner, um finanziell über die Runden zu kommen. | |
Doch seit 2005 ist er wieder künstlerisch tätig, Galerien in New York und | |
Zürich vertreten den heute 76-Jährigen. Eine Ausstellung im Bremer | |
Künstlerhaus gibt nun einen Überblick über das Werk von Robert Kinmont, das | |
gerade in der Zurückhaltung, in der er Naturfunde arrangiert, großen Zauber | |
entwickelt. | |
Die früheste Arbeit stammt von 1964. „Weed Container“ ist der Titel einer | |
weißlackierten Holzbox. Durch ein Sichtfenster sieht man im Inneren eine | |
Ansammlung unterschiedlicher Gräser und Samen. Sie stammen aus der Gegend | |
um Bishop, einer Kleinstadt im kalifornischen Inyo County, wo der Künstler | |
Robert Kinmont die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. | |
Kinmonts Arbeiten sind formal absolut reduziert. Eine Sammlung leiser, | |
nachdrücklicher Gesten, winziger Momentaufnahmen, in denen die ganze Welt | |
aufgehoben zu sein scheint. Gerade in seinen Fotografien sieht man den | |
Geist der frühen amerikanischen Konzept-Kunst, die Dokumentation einer | |
schnell und präzise ausgeführten Idee. | |
## Kunst im Handstand | |
Fotoserien wie „Natural Hand Stands“ von 69 vermitteln davon einen | |
Eindruck: Im Handstand wird hier die Landschaft, in der er sich | |
niedergelassen hat, durchdekliniert. Man sieht ihn im niedrigen Wasser | |
eines Bergbachs, auf einem hohen Felsblock, im Laub- und Nadelwald seine | |
Handstände machen – eine wackelige Verbindung zur Natur. | |
Kinmont wurde 1937 in Los Angeles, Kalifornien, geboren. Mit zehn Jahren | |
zog er mit seiner Familie in die nahe gelegene Kleinstadt Bishop. Die | |
Gegend ist sehr vielfältig, es treffen hier die Sierra Nevada, der Yosemite | |
Nationalpark, die kahle Wüste und ein stark bewaldetes Hochgebirge | |
aufeinander. Diese Umgebung hat Kinmont und sein künstlerisches Werk tief | |
geprägt. Seine Arbeiten stammen stets aus dieser Landschaft – von der Idee | |
her wie vom Material. | |
Dabei steht Natur stets für sich; es gibt keine metaphysische Überhöhung | |
wie bei den deutschen Romantikern, etwa bei Joseph Beuys oder Anselm | |
Kiefer. Natur erhält bei Robert Kinmont ihre Bedeutung, indem sie für ihn | |
Bedeutung entfaltet. „Als ich zum ersten Mal nach Bishop kam, blickte ich | |
im Osten auf 12.000 Fuß und im Westen auf 14.000 Fuß hohe Berge. Anfangs | |
waren sie mir fremd, doch sie wurden mir sehr schnell vertraut“, erzählt er | |
im Interview mit Aoife Rosenmeyer, das sich im Katalog zur Ausstellung | |
findet. | |
## Flamenco in Europa | |
Dabei hat Kinmont als 20-jähriger Mann zunächst großformatige Bilder | |
gemalt, sowohl abstrakt als auch figürlich. Er lernte Flamenco-Gitarre auf | |
Ibiza spielen und trieb sich eine Weile in Europa herum. Nach seiner | |
Rückkehr nach Amerika 1966 zog er in die Bay Area nach San Francisco und | |
begann ein Studium an der Kunstakademie, wo er Bruce Naumann und John | |
Chandler kennenlernte. „Ich traf dort Künstler, die Karriere als Lehrer | |
oder mit Kunstausstellungen in Galerien machten“, erzählt er im Interview. | |
1975 wandte er sich dem Zen-Buddhismus zu und zog zurück in die Wüste. Noch | |
im selben Jahr gründete er dort seine eigene Kunstschule, die „Coyote Fine | |
Arts“. Dann folgte die künstlerische Zwangspause. | |
Zuvor entstand in den Jahren 1967 bis 1970 Kimmonts früheste Fotoarbeit, | |
„26 Dead Animals“. Im quadratischen Format begegnet uns der serielle | |
Tiertod auf der Fahrbahn rund um Bishop. Heute ist das ein beliebter Sport | |
für die Handykamera. Der Gedanke an Kriegsfotografie ist nicht weit. Man | |
sieht allerlei plattgefahrenen Tiere. Darunter sind Stachelschweine, | |
Füchse, Dachse, Schlangen, Kojoten, Streifenhörnchen, Kaninchen und | |
verschiedene Vogelarten. So wird auf diesen Bildern auch der große | |
Artenreichtum der Region sichtbar, von dem sich Kinmont inspirieren lässt. | |
## Todes-Straßen | |
In einer anderen Fotoserie von 1969 thematisiert er die menschlichen | |
Eingriffe in dieser Landschaft, die Straßen, auf denen all die Tiere | |
umgekommen sind. Ganz ohne sie zu verurteilen, nennt er sie liebevoll „My | |
Favorite Dirt Roads“. Man bekommt hier wunderschöne Aufnahmen bewaldeter | |
und kahler Berghänge zu sehen, zwischen denen Straßen herlaufen. „Jede | |
dieser Straßen führt an einen Ort, an dem ich als junger Mann meine Zeit | |
verbrachte: in die Berge, an einem Bach entlang, durch die Ebene oder zu | |
einer Wiese“, sagt Kinmont dazu. | |
Auch in seinen neuen Arbeiten sind Naturmaterialien zentral, zum Beispiel | |
bei „Log hollowed out and filled with the Memory of the Artist“ von 2009. | |
Es handelt sich um eine ausgehöhlte und geschälte Schwarzpappel. Unter der | |
Rinde erinnert die Oberfläche an Malerei, an die abstrakten Hintergründe | |
bei Norbert Schwontkowski oder Zeichnungen von Wols. | |
Gewandelt hat sich der Umgang mit Ideen. „We have thousands of Ideas and | |
only 1 Chair“, ist der Titel einer Arbeit von 2010. Vor eine | |
Landschaftsaufnahme hat Kinmot Fäden gespannt und wie Wäsche kleine Skizzen | |
und Notizen daran aufgehangen. In seinen neueren Arbeiten setzt Kinmot | |
seine Ideen nur noch selten direkt in Objekten, Installationen oder | |
Performances um. Er akzeptiert sie als reine Ideen, vage gedankliche | |
Gebilde, unkonkret und unerfüllt. Seit etwa zehn Jahren ist diese Praxis in | |
den Vordergrund gerückt. | |
„Mit seinen 76 Jahren ist ihm heute viel klarer, was er im Grunde immer | |
schon wusste: dass manche Ideen eben bloße Ideen bleiben müssen“, sagt | |
Stefanie Böttcher, Kuratorin der Ausstellung und Direktorin des | |
Künstlerhauses Bremen. „Der Mensch hat abertausende von Ideen, und niemals | |
können wir alle realisieren. Aber diejenigen Ideen, die wir aussuchen und | |
realisieren, sagen etwas über uns aus, sind aber niemals aufschlussreich“, | |
hat Kinmont einmal gesagt. | |
## Naumanns Nummer | |
Die jüngste Arbeit der Ausstellung heißt „Listen“, eine Art Schrein mit | |
einer Reihe von Holzschachteln, in denen er private Notizen gesammelt hat, | |
die er hier einem Ausstellungspublikum aussetzt. Es sind Notizzettel mit | |
Nachrichten, Ideen und Daten, die man der Öffentlichkeit vielleicht besser | |
vorenthalten hätte – etwa die Telefonnummer von Bruce Naumann. „Es könnte | |
natürlich jemand etwas da herausklauen“, hat Kinmont bei der Eröffnung der | |
Ausstellung geäußert. „Aber das Risiko muss ich eingehen. Ich bin ja | |
Künstler, nicht um der Sicherheit willen, sondern weil ich etwas erleben | |
will.“ | |
## Die Ausstellung „Robert Kinmont“ ist bis zum 1. September 2013 im | |
Künstlerhaus Bremen zu sehen | |
## Am 22. 8. um 19 Uhr Führung und Hausbesuch # 13 | |
25 Jul 2013 | |
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