# taz.de -- Die Wahrheit: Der Braune Hai | |
> Weltweit spielt das deutsche Kino keine Hauptrolle mehr. Doch Til | |
> Schweiger sorgt für einen Neuanfang. Er erfindet nazi-nautisches | |
> Filmgenre. | |
Bild: Mensch und Hai verschmelzen zu einem Monster-Mischwesen. | |
Im weltweiten Vergleich spielt das deutsche Kino längst keine Hauptrolle | |
mehr. Doch dies soll sich nun ändern, Til Schweiger will für einen | |
Neuanfang sorgen. Das zuletzt arg umstrittene deutsche Multitalent | |
präsentierte gestern in Berlin seinen neuesten Filmcoup: „Hai-Hitler“. | |
Es handelt sich um einen millionenschweren Trashfilm nach Machart aktueller | |
Haifilm-Welterfolge wie „Sharknado“, in dem ein Tornado blutdurstige Haie | |
über dem teilüberschwemmten Los Angeles abwirft, oder „Sharktopus“, in dem | |
ein von der US-Armee erzeugtes Mischwesen, halb Riesenoktupus, halb Hai, | |
außer Kontrolle gerät und für ein Blutbad sorgt. Schweiger allerdings | |
begnügt sich nicht damit, nur ein zurzeit erfolgreiches Genre zu bedienen. | |
Nein, der Action-Mime will mehr. In Kombination mit den momentan ebenfalls | |
beliebten Nazi-Trashfilmen schafft er mit „Hai-Hitler“ ein vollkommen neues | |
Subgenre – den Nazi-Hai-Film. | |
Darin entdeckt der junge Berliner Mutationsforscher Will Fährig (Daniel | |
Brühl) auf dem Dachboden seiner Großmutter ein verstaubtes Einmachglas, in | |
dem ein Hoden konserviert wurde. Von seiner kurz darauf sterbenden | |
Großmutter erfährt er, dass es der lange verschollen geglaubte linke | |
Testikel von Adolf Hitler ist. Dieser hatte gegen Kriegsende eine | |
Liebesaffäre mit der Oma und schenkte ihr, kurz vor seinem Ableben, den | |
Hoden. | |
Aus eben diesem extrahiert der talentierte Wissenschaftler Hitlers Samen | |
und injiziert ihn in die Eizelle eines weißen Hais. Das Ergebnis ist ein | |
bluthungriges Monster-Mischwesen in Menschengestalt, ausgestattet mit einem | |
Haikopf, Kiemen und schmalem Oberlippenbart: der Hitler-Hai (konsequent | |
gespielt von Bruno Ganz). | |
Schon bald muss der naive Fährig feststellen, dass er einen großen Fehler | |
begangen hat. Der nach wenigen Monaten ausgewachsene und künstlerisch | |
unbegabte Hitler-Hai begehrt gegen ihn auf. Sich mit seinem Mentor Fährig | |
überwerfend, bricht der schuppige Mutant schließlich aus dem in den alten | |
unterirdischen Bunkeranlagen versteckten Labor aus und versetzt das | |
herbstliche Berlin in Angst und Schrecken. | |
Dies scheint die Sternstunde des eilig alarmierten und lange Zeit | |
geschassten Verteidigungsministers Thomas de Maizière (leicht weltfremd | |
gespielt von Thomas de Maizière) zu sein. Endlich kann er seine neueste, | |
von den amerikanischen Freunden erworbene Waffe zum Einsatz bringen: den | |
(oben bereits erwähnten) Sharktopus. | |
Wider Erwarten gerät dieser alsbald außer Kontrolle und verbündet sich mit | |
dem charismatischen Hitler-Hai. Gemeinsam schwimmen die beiden Nazimonster | |
durch die Spree zum Reichstag und bringen diesen zusammen mit einigen in | |
der Zwischenzeit aus dem Untergrund aufgetauchten SA-Zombieratten (gespielt | |
vom „GZSZ“-Ensemble) unter ihre Kontrolle. | |
Nachdem der machthungrige Hitler-Hai die Kanzlerin im Parlamentssaal vor | |
laufenden Kameras verschlungen hat, baut er sich lächelnd am Rednerpult auf | |
und ergreift das Wort. In einer furchteinflößenden Fernsehansprache, die | |
nicht einmal Norbert Lammert (Heiner Lauterbach) verhindern kann, stellt er | |
sich dem deutschen Volk als Erlöser und neuer Führer vor. | |
Die komplette Fraktion der Linken verlässt daraufhin empört den Saal und | |
wird von den SA-Ratten zu Tode gebissen. Der Rest der Abgeordneten | |
arrangiert sich mit dem neuen Führer. So sagt ein CSU-Abgeordneter namens | |
Holger Seehafer (Helge Schneider) erfreut: „Dieser Hai ist alter Wein in | |
neuen Schläuchen und damit genau das, was unser Volk jetzt braucht. Schupp, | |
schupp, schubbediwupp.“ | |
An dieser Stelle kommt Til Schweiger selbst ins trashige Spiel. Als Max | |
Fischer, Afghanistanveteran, Halbjude und Szenecafé-Inhaber in Neukölln, | |
sieht er in seinem Café die Ansprache des Hitler-Hais im Fernsehen. | |
Ausgerechnet an diesem Tag ist seine Tochter (gespielt von Luna Schweiger) | |
mit ihrer Klasse zu Besuch im Reichstag. Um sie aus den Fängen der | |
glitschigen Nazis zu befreien, macht er sich, nur mit einer Motorsäge | |
bewaffnet, auf den Weg ins Regierungsviertel. | |
In einem furiosen Splatterfinale dringt er in den Reichstag ein, prügelt | |
und sägt sich den Weg durch die SA-Ratten zum Parlamentssaal frei und | |
erwürgt dort den Sharktopus mit bloßen, vom vielen Café-Latte-Servieren | |
gestärkten Händen. Gerade noch rechtzeitig kann er den geifernden | |
Hitler-Hai von seiner bereits entkleideten Tochter reißen. Was folgt, ist | |
ein epischer Kampf, der erst endet, als Fischer im Keller des Reichstags | |
eine alte Fliegerbombe entdeckt und diese mit den genuschelten Worten „Und | |
jetzt gibt’s Sushi, Schweinebacke!“ zündet. | |
Zurück bleibt ein riesiger Haufen Schutt. Während die Sonne am Horizont | |
versinkt, steigt Fischer – blutüberströmt und ohne eine Miene zu verziehen | |
– mit seiner Tochter im Arm aus den Trümmern empor und trägt sie nach | |
Hause, vorbei an den flink herbeigeeilten Trümmerfrauen. Fürs Erste hat Til | |
Schweiger wieder einmal die Welt gerettet. Genauso wie den deutschen Film. | |
26 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Sven Stickling | |
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