Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gewalt von Staats wegen: Lieber erst mal einsperren
> Ein Mann wird rechtswidrig inhaftiert – und soll mit 30 Euro
> Schmerzensgeld abgespeist werden. Und die Ermittlungen gegen die Polizei
> ziehen sich lange hin.
Bild: 4.000 Menschen demonstrierten in Bremen am 30. April 2011 gegen die NPD. …
BREMEN taz | Stellen Sie sich vor, Sie werden ohne Grund und Recht
stundenlang von der Polizei eingesperrt. Und die gibt sogar zu, dass Sie
dafür nun entschädigt werden müssten. Wie viel Schmerzensgeld könnte in
diesem Fall angemessen sein? 30 Euro – sagt die Polizei.
Im konkreten Fall geht es um Herrn D., der wie Bürgermeister Jens Böhrnsen
(SPD) und 4.000 andere Menschen auch, am 30. April 2011 gegen die NPD
demonstrierte. Die Bürgerschaftswahl stand an, und in der Bremer Neustadt
hatten sich 180 Rechtsextreme zusammengefunden. Kurz nach der Demo soll es
zu einem Gerangel zwischen D. und einem Polizisten gekommen sein. Der
Student soll den Beamten „gegen den Oberkörper geschubst“ haben – was der
ihm als strafbaren Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte auslegte.
Schließlich sei die Polizei dabei gewesen, eine Blockade von
GegendemonstrantInnen aufzulösen. Ein Verfahren gegen D. wird 2012
eingestellt. Den Vorwurf selbst hatte er stets bestritten, dafür
seinerseits die Polizei beschuldigt, ihn geschubst zu haben.
Die Geschichte könnte hier zu Ende sein, wäre der Demonstrant nicht
vorläufig festgenommen und auf dem Polizeipräsidium in der Vahr über vier
Stunden lang in eine Zelle gesperrt worden. Dabei hat selbst die Polizei in
ihrem Protokoll vermerkt, dass die Voraussetzungen für die Festnahme von D.
gar nicht gegeben waren. Sie war, und das hat auch das Landgericht Bremen
später offiziell festgestellt: unverhältnismäßig und rechtswidrig.
„Von Beginn an bestand kein Grund für ’das Festhalten‘ von D.“, sagt s…
Anwalt Sven Sommerfeldt. Offenbar habe keiner der beteiligten Beamten sich
Gedanken über die Rechtmäßigkeit seines Tuns gemacht. Die vom
Verfassungsgericht aufgestellten Grundsätze für eine Freiheitsentziehung
ohne richterliche Anordnung seien „eklatant missachtet“ worden, so
Sommerfeldt. Der Anwalt spricht von einem „schweren Verstoß gegen
rechtsstaatliche Grundsätze“.
D. wurde auf der Polizeiwache zunächst verhört und, nachdem er keine
Angaben zur Sache machte, wieder in die Zelle gesperrt. Selbst als er
hernach erkennungsdienstlich behandelt und fotografiert war, ließ man ihn
nicht gleich frei: Weil die Polizei befürchtete, D. – den sie dem „linken
Milieu“ zurechnet – könnte zur Demonstration zurück kehren, sperrte sie i…
einfach wieder ein. Dabei ist das nur zulässig, wenn ein Richter das
ausdrücklich anordnet – oder Gefahr im Verzug besteht. Beides war nicht der
Fall. In einem Polizeivermerk heißt es dazu: „Es kam zu keiner förmlichen
Gewahrsamnahme“.
D. hatte schon 2011 Strafanzeige gegen die Polizei erstattet, wegen
Freiheitsberaubung und Nötigung. Das Ermittlungsverfahren dazu läuft immer
noch. Außerdem klagt er nun auf 2.500 Euro Schmerzensgeld. Ein Anspruch auf
Entschädigung werde „dem Grunde nach anerkannt“, ließ ihn die Polizei
wissen. 30 Euro seien aber angemessen.
Zur Begründung verwies die Behörde übrigens auf den Fall eines zunächst
rechtmäßig verhafteten Mannes, der illegal in Deutschland lebte und die
Nacht, bevor er in Abschiebhaft kam, im Polizeigewahrsam verbringen musste
– rechtswidrig, wie das Landgericht Bremen seinerzeit feststellte.
26 Jul 2013
## AUTOREN
Jan Zier
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.