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# taz.de -- Ramadan: Maisbrei mit Zucker und Gebet
> Das gemeinsame Fastenbrechen ist für viele Muslime ein Fest während des
> Fastenmonats. Wie feiern es gläubige Muslime aus dem subsaharischen
> Afrika?
Bild: Fastenbrechen in Berlin
Die nackten Füße machen Schmatzgeräusche auf den Plastikmatten. Überall
stehen Sandalen. Etwa 25 Männer stellen sich auf die Matten im überfüllten
Gebetsraum und im vorderen Teil des angrenzenden Gemeinschaftszimmers.
Viele sind in sportlichen T-Shirts gekommen, nur einige tragen Boubous,
knielange glänzende Anzüge. Zehn Frauen stellen sich in die hintere Reihe.
Sie sind mit bodenlangen Röcken bekleidet, haben sich bunte Pagne-Tücher um
die Hüfte gewickelt oder lange Kleider über die Jeans gezogen. Es ist nach
22.30 Uhr, als die Stimme von Imam Thierno Abdoulaye Bah ertönt: Männer und
Frauen beugen synchron ihre Oberkörper, legen Stirn und Nase auf den
Fußboden, richten sich auf, nicken kniend nach rechts und links, murmeln
die arabischen Sätze des Tarawih-Gebets.
Abendliches Fastenbrechen im Weddinger Verein Association des Jeunes
Africains et Sympathisants en Allemagne (Ajasa e. V.): Die meisten Muslime,
die während des Ramadan jeden Abend hierherkommen, stammen aus Guinea. „In
den nächsten Tagen werden wir noch viel mehr“, sagt Mitglied Abraham
Sheriff Barrie. „Es läuft immer langsam an.“ Insgesamt zählt der Verein
etwa 100 Mitglieder.
Wie viele Muslime aus dem subsaharischen Afrika in Berlin leben, ist nicht
bekannt. Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg zählte Ende vorigen
Jahres 12.327 Bürger in Berlin, die die Staatsangehörigkeit eines
afrikanischen Landes südlich der Sahara besaßen. Dazu kommen die
Eingebürgerten. Aber nur eine Minderheit dieser Menschen sind Muslime. Wie
feiern und fasten die Afrikaner unter ihnen, wie und wo praktizieren sie
ihren Glauben?
## Ein Biss in die Dattel
Bei Ajasa beginnt der Abend im Ramadan für jeden mit dem Biss in eine
Dattel – so wird das Fasten gebrochen. Dann beten die Vereinsmitglieder
gemeinsam das Maghrib-Gebet, das Abendgebet. Das Essen wird danach schon
mal gekostet. Bis der Imam kommt, schnappen einige frische Luft vor der Tür
und unterhalten sich. Andere sitzen auf Drehstühlen an einer Tischtafel mit
hellroter Plastikdecke und schauen Fernsehen. Wenn der Imam endlich da ist,
beginnt das Tarawih-Gebet – erst danach wird richtig gegessen.
Die Männer gruppieren ihre Stühle in der Mitte des Gemeinschaftsraums um
einen großen Topf. Heute gibt es Bouille: Maisbrei mit Zucker und Zitrone,
danach Reis mit einer Spinatsauce und Fisch. Dazu Kaffee, Tee und
Kaltgetränke, Fladenbrot natürlich und Kuchen. Auf einem Tisch neben dem
Stuhlkreis stehen Maggi und Zitronensaft. Die Männer essen gebeugt, die
Plastikteller auf die Knie gestützt. Diejenigen, die nicht zum Essen
bleiben können, packen ihre Portionen ein. Die meisten Frauen nehmen im
hinteren Teil des Raums Platz, während einige schon mit dem Abwasch
beginnen.
Eine junge Frau mit pink besticktem Kopftuch und einem Baby auf dem Rücken
spült Teller und berichtet: „Warum wir lieber hierherkommen als in eine
Moschee? Na, weil wir hier unsere Gemeinschaft haben. Und unser Essen!“ Die
Frauen treffen sich täglich ab 16 Uhr, um gemeinsam einzukaufen und zu
kochen. Für die Finanzierung des gemeinsamen Essens sammeln sie jeden Abend
untereinander Spenden. Aber es gehe nicht nur ums Essen, erklärt der Imam.
„Wir kommen auch, weil wir hier unsere Sprache sprechen können. In den
großen Moscheen wird ja vor allem Arabisch oder Türkisch gesprochen.“ Bei
Ajasa sprechen fast alle Fula, nur gebetet wird auf Arabisch. „Es kommen
nicht nur Menschen aus Guinea. Wir haben Besucher aus ganz Westafrika“,
betont der Geistliche.
Nicht alle afrikanischen Muslime in Berlin besuchen kleine Vereine wie
Ajasa. Viele gehen in große Moscheen, wo neben Türkisch oder Arabisch meist
auch Deutsch gesprochen oder übersetzt wird. In der Bilal-Moschee im
Wedding etwa kommen vor allem deutsche Muslime, Pakistaner und Afrikaner
zusammen. Die Hinterhausmoschee versteckt sich hinter einer unscheinbaren
Fassade in der Drontheimer Straße. Auch hier wird das Fasten mit der Dattel
gebrochen. Die wenigen Frauen speisen in einem separaten Raum, für die etwa
70 Männer wurde eine Bierbanktafel im Innenhof errichtet. Es werden
Plastikteller herumgereicht: In einer klaren, scharfen Tomatensauce
schwimmen Kichererbsen und ein Hühnerschenkel.
Der 38-jährige Togoer Abdel Amine ist während des Ramadan jeden Abend hier.
Ihm gefällt gerade die Vielfalt der Menschen, die er in der Moschee trifft:
„Es kommen Leute aus allen Ländern, wirklich aus allen!“ Amine glaubt nicht
an eine Gemeinschaft von afrikanischen Muslimen in Berlin. Zwar gebe es
eine Verbindung unter Afrikanern: „Wenn ein Afrikaner hier einen anderen
Afrikaner sieht, fühlt er sich wohl. Selbst wenn zwei Schwarze sich nicht
kennen, grüßen sie sich auf der Straße.“ Trotzdem wiege die religiöse
Solidarität schwerer: „Es zählt keine Hautfarbe, keine Klasse, allein der
Glaube ist hoch gestellt.“
Auch Musah Gorogorowei Imam-Halid besucht zum Fastenbrechen die
Bilal-Moschee, sooft seine Arbeitszeiten es zulassen. Der 28-jährige
Ghanaer arbeitet als Koch in einem Restaurant in Mitte. „Das ist im Ramadan
schwierig, weil ich mein Essen ja kosten muss. Aber wenn ich es nicht
schlucke, ist das in Ordnung.“ Er geht gern in die Bilal-Moschee, weil dort
Deutsch gesprochen wird, sodass er alles versteht. Außerdem kann er über
das Zusammenkommen in der Moschee die ihm fehlende Gemeinschaft aus Ghana
kompensieren: „Wenn ich hier mit Leuten aus Westafrika zusammen bin, können
wir unsere Sprache sprechen, unsere Gerichte essen.“ Allerdings bemerkt er
schon, dass die muslimische Gemeinschaft nach dem Fastenbrechen meist
zerfällt. Danach setzten sich die Männer meist in nationalen Grüppchen
zusammen, erzählt er: „Man sieht hier die Menschen aus Benin sitzen, dort
die Leute aus Togo oder Sierra Leone, Ghana, daneben die Leute aus
Pakistan.“
Auch Andreas Wetter hat beobachtet, dass in der Bilal-Moschee „die
gemeinsame Herkunft aus einer Region und damit verbunden eine gemeinsame
Sprache der wichtigste ’Community‘-bildende Faktor ist“. Wetter ist
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Afrikawissenschaften an der
Humboldt-Universität, Fachbereich Linguistik und Sprachen. „Die Äthiopier,
die ich aus der Bilal-Moschee kenne, bilden auch eine Art Community. Die
haben aber nichts mit Menschen aus Westafrika zu tun.“
Trotzdem hat Hassan Masoud mit zwei Freunden ein Kellergeschoss in der
Neuköllner Leykestraße angemietet und dort 2006 den Verein African Muslim
Brotherhood e. V. eingerichtet. Er glaubt an die Gemeinschaft der
afrikanischen Muslime. „Das ist unsere afrikanische Moschee“, präsentiert
der 65-jährige Ghanaer stolz. Er sei kein Imam, aber „Vereinsführer“. Für
die Gebete rotierten Imame aus Liberia, Togo, Gambia, Sierra Leone, Ghana,
auch Marokko und Libyen. Gebetet werde auf Arabisch, übersetzt auf Deutsch.
Es kämen vor allem Menschen aus Westafrika, zum Freitagsgebet etwa 120
Personen, immer neue Gesichter, erklärt Hassan Masoud. „Im Islam sind alle
gleich. Trotzdem kann man Kultur niemals von Religion trennen. Hier
sprechen wir Hausa, bieten verschiedene westafrikanische Gerichte zum
Fastenbrechen, können uns an zu Hause erinnern, manchmal auch islamische
Musik aus afrikanischen Ländern hören.“
Masoud träumt von einer großen „afrikanischen Moschee“, in der alle
zusammenkommen. Dafür fehlt allerdings das Geld. „Der Staat gibt uns
nichts“, klagt er. Auch Abdel Amine aus der Bilal-Moschee könnte der Idee
einer afrikanischen Moschee etwas abgewinnen. „Aber es scheitert bis jetzt
an der Selbstorganisation.“ Das müsse sich ändern, sagt der Ajasa-Imam
Thierno Abdoulaye Bah. „Wir versuchen uns zu vernetzen. Wir hätten gern
größere Räumlichkeiten, wo wir uns mit anderen Muslimen aus Afrika
versammeln können, gemeinsam beten, trauern, Hochzeiten und Geburten
feiern.“ Auch Gorogorowei Imam-Halid gefällt der Gedanke. „Dann würde ich
dorthin gehen“, sagt der Koch. Und sicher nicht nur zum Essen.
30 Jul 2013
## AUTOREN
Milena Menzemer
## TAGS
Wedding
Ramadan
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