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# taz.de -- Chancen mit ausländischem Abschluss: Ein langer Weg zur Arbeit
> Hamburg war mit seinem Landesgesetz Vorreiter bei der Anerkennung
> ausländischer Abschlüsse. Doch Kritiker finden das Verfahren zu teuer und
> kompliziert.
Bild: Nach wie vor die sicherste Bank auf dem deutschen Arbeitsmarkt: Absolvent…
HAMBURG taz | Professoren, die Taxi fahren, Ingenieure, die im
Fast-Food-Imbiss bedienen: Weil ihre Abschlüsse in Deutschland nicht
anerkannt werden, sind viele gut ausgebildete Einwanderer fachfremd
beschäftigt und arbeiten in schlecht bezahlten Billigjobs.
Anerkennungsgesetze im Bund und auf Landesebene sollen ihnen nun die
Rückkehr in den erlernten Beruf ermöglichen: Sie garantieren Migranten
einen Rechtsanspruch auf die Prüfung der eigenen Abschlüsse auf
Gleichwertigkeit mit deutschen Berufen. In Norddeutschland haben bisher
Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern eigene Landesgesetze
erlassen, um die Anerkennung vieler Berufsgruppen zu regeln. Die
Landesregierung in Schleswig-Holstein bereitet derzeit einen
Gesetzesentwurf vor.
Hamburg war dabei Vorreiter und zieht nun Bilanz: 432 voll anerkannte
ausländische Abschlüsse, 400 weitere wurden teilweise anerkannt, etwa weil
Zusatzqualifikationen fehlten. 2.810 Personen haben sich laut Angaben des
Senats beraten lassen. Der zuständige Sozialsenator Detlef Scheele (SPD)
ist zufrieden: Ein „wichtiger Beitrag zur Linderung des Fachkräftemangels“
sei das Gesetz und „ein Zeichen der Willkommenskultur in Hamburg“. Für den
Rest Norddeutschlands liegen derzeit noch keine vergleichenden Zahlen zur
Anerkennung von Abschlüssen vor.
Die Umsetzung in Hamburg stößt auf Kritik. „Bis zu 600 Euro kostet die
Prüfung der Abschlüsse. Das ist eine finanzielle Hürde, die Menschen mit
niedrigem Einkommen abschreckt“, sagt Filiz Demirel, Sprecherin der
Hamburger Grünen für Integration und Arbeitsmarkt.
Wenn die Qualifikation nicht ausreicht, müssen sie für die dann notwendigen
Weiterbildungen selbst aufkommen – etwa für ein zusätzliches Studium. Der
für die Finanzierung von Anpassungslehrgängen eingerichtete städtische
Stipendienfonds sei als Ausgleich nicht genug, sagt Demirel. Ihre
Forderung: „Auch der Bund sollte sich an der Finanzierung beteiligen.“
Der hohe bürokratische Aufwand könnte besonders für Flüchtlinge ein
Hindernis darstellen, sagt Mehmet Yildiz von der Hamburger Linkspartei:
„Die zuständige Behörde akzeptiert nur beglaubigte Originalbelege – für
Menschen, die vor politischer Verfolgung fliehen mussten, ist es unmöglich,
diese Dokumente zu beschaffen.“ Eine Alternative sieht Yildiz in
individuellen Kompetenz-Feststellungen, wie sie in Skandinavien praktiziert
werden. Die Bilanz in Hamburg sei weniger positiv als vom Senat
dargestellt: „In Hamburg gibt es rund 6.000 qualifizierte Migranten, nur
400 voll anerkannte Abschlüsse sind zu wenig“, sagt Yildiz.
Einer, der von dem Gesetz profitiert, ist Hassan Burgucuoglu: Der
57-jährige Mathematiklehrer kommt aus der Türkei, in Hamburg durfte er sein
Fach lange nicht unterrichten. 21 Jahre als Honorarkraft in einer
Berufsschule, in der er deutlich weniger verdient als seine deutschen
Kollegen, könnten nun ein Ende haben: Im Januar wurde sein Studienabschluss
anerkannt.
Doch die Anerkennung der Berufsabschlüsse ist nur der erste Schritt zur
Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt. Was diese angeht, liegt
Deutschland nur im Mittelfeld aller Mitgliedsstaaten der Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Diese Platzierung erreichte
Deutschland im internationalen Migrationsausblick der Organisation, die im
Juni veröffentlicht wurde. Als Gründe werden Diskriminierung bei der
Arbeitssuche und Chancenungleichheit im Bildungssystem angeführt.
Probleme, die auch in Norddeutschland präsent sind, sagt Filiz Demirel:
„Migranten werden im Arbeitsleben immer noch diskriminiert und haben wenig
Aufstiegschancen“, sagt sie. Auch dort müsse die Politik aktiv werden, etwa
durch die Einführung anonymisierter Bewerbungsverfahren. Sie sagt: „Die
deutsche Willkommenskultur, von der Senator Scheele spricht, existiert
leider nur auf dem Papier.“
8 Aug 2013
## AUTOREN
Annika Lasarzik
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