# taz.de -- Stockende Schifffahrt: In zweiter Reihe festgemacht | |
> Der Streik der Schleuser trifft in Niedersachsen und Bremen vor allem | |
> kleine Familienunternehmen. Zu Besuch bei Binnenschiffern in Langwedel an | |
> der Weser. | |
Bild: Fünf Stunden zu früh geschlossen: Die Schleuse in Langwedel an der Wese… | |
LANGWEDEL taz | An der Langwedeler Schleuse ist um 17.20 Uhr Schluss. Knapp | |
fünf Stunden vor offiziellem Betriebsende zeigt die Schleusenampel nur noch | |
rot. Ankommende Schiffe machen am Ufer fest, legen ihre dicken Taue um die | |
Poller. „Na, auch Feierabend Herr Kollege?“ ruft einer der Schiffer übers | |
Wasser. „Jo, unfreiwilliger Feierabend“, antwortet ein anderer. | |
Auch Jan und Maria Boll sind nun zu einer Pause vor der Langwedeler | |
Schleuse gezwungen. Sie waren mit ihrer 67 Meter langen „MS Fighter“ auf | |
dem Weg von Bottrop nach Bremen, wollen dort 670 Tonnen Kohle abladen. Nun | |
mussten sie in zweiter Reihe festmachen. | |
Er ist 56, sie 51, die Bolls haben sich in den Achtzigern mit ihrem | |
Frachter selbstständig gemacht. Sie gehören zu den kleinen Binnenschiffern, | |
die den Schleusenstreik in Niedersachsen und Bremen zur Zeit besonders zu | |
spüren bekommen. Statt am selben Abend werden sie voraussichtlich erst am | |
folgenden Nachmittag ankommen. Überrascht wurden die beiden von dem Streik | |
nicht. | |
Anfang Juli hatte die Gewerkschaft Ver.di die Beschäftigten der Wasser- und | |
Schifffahrtsverwaltung zum Streik aufgerufen. Die Gewerkschaft fürchtet, | |
dass durch den geplanten Umbau der Behörde bis zu 3.000 der 12.000 | |
Arbeitsplätze in Gefahr sind. | |
Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) versicherte den Beschäftigten, dass | |
es keine betriebsbedingten Kündigungen und Versetzungen gegen den Willen | |
der Betroffenen geben soll. Doch Ver.di vertraut darauf nicht. Die | |
Gewerkschaft will einen verbindlichen Tarifvertrag erzwingen. | |
Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung regelt den Verkehr auf den deutschen | |
Kanälen und Flüssen. Außerdem betreibt sie bundesweit 450 Schleusen, 290 | |
Wehre, vier Schiffshebewerke, 15 Kanalbrücken und zwei Talsperren. Zudem | |
ist sie für tausende Wegweiser am und auf dem Wasser zuständig. | |
Am Dienstag ging der Streik in die nächste Runde. In Uelzen demonstrierten | |
rund 300 Menschen. Doch statt Ramsauers Behörde hat der Streik in | |
Niedersachsen und Bremen vor allem die Binnenschiffer getroffen, die oft | |
als kleine Familienunternehmen agieren. Sie müssen mit ihren Schiffen an | |
den Schleusen warten, und durch die Verzögerung haben sie Verluste. | |
„Wir wollen sie nicht treffen, aber das lässt sich leider nicht vermeiden“, | |
sagt Ver.di-Bezirksgeschäftsführer Matthias Hoffmann. Um den Schiffern | |
entgegenzukommen, habe man deshalb dieses Mal den Streik früh genug | |
angekündigt. | |
Auch Jan und Maria Boll haben Ver.dis Ankündigung früh genug erhalten – | |
aber sie hatten keine Alternative, die Schleuse zu umfahren. Sie geben sich | |
trotzdem gelassen. „Es ist nur eine Verzögerung, anderswo geht gar nichts | |
mehr“, sagt Jan Boll. Wie viel Geld die beiden durch den Streik verlieren, | |
wollen sie aber nicht beziffern. | |
Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) fordert indes ein | |
Machtwort von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Wir erleben hier eine völlig | |
groteske Situation: Ver.di kämpft für den Erhalt der Arbeitsplätze in der | |
Verwaltung – und vernichtet gleichzeitig Arbeitsplätze in der | |
Binnenschifffahrt“, sagt BDB-Präsident Georg Hötte. | |
Trotzdem will Ver.di noch bis Donnerstag weiter streiken und droht, den | |
Protest noch auf weitere Bundesländer auszuweiten. Jan Boll ärgert das. | |
„Wir wollen arbeiten, aber ein paar Angestellte lassen uns nicht“, sagt er. | |
Schiffer war immer sein Traumberuf. Seit über 30 Jahren fährt er mit | |
Binnenfrachtern über Deutschlands Kanäle. „Aber die Arbeitsbedingungen | |
werden immer schlimmer“, sagt er. | |
Die Zahl der Binnenschiffer in Deutschland sinkt stetig. Im Jahr 2011 waren | |
es noch rund 6.000. Es fehlt an Nachwuchs und an Aufträgen. Diese werden | |
mittlerweile oft auf die Straße verlagert und der Konkurrenzkampf unter den | |
Schiffern steige. „Der Beruf des Binnenschiffers wird mit Füßen getreten“, | |
schimpft Boll, und die Löhne würden sinken. | |
Am nächsten Morgen können die Bolls ausschlafen – statt wie sonst im | |
Morgengrauen wird erst um 9.20 Uhr geschleust. | |
21 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Miriam Kern | |
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