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# taz.de -- Demonstrationsrecht: Bannmeile für Schlachthofkritiker
> Angebliches Störerpotenzial: Die Gemeinde Wietze verhängt
> Aufenthaltsverbote gegen fünf Aktivisten. Die wollen nun gegen den
> Grundrechts-Eingriff klagen.
Bild: Umzingeln verboten: Fünf Kritiker dürfen sich dem Schlachthof im nieder…
HANNOVER taz | Bis zu 7.000 Menschen kamen am vergangenen Samstag zum
Mega-Schlachthof im niedersächsischen Wietze und protestierten gegen
Massentierhaltung und industrielle Landwirtschaft. Mindestens fünf
Schlachthofgegner waren aber ausgeschlossen: Die Gemeinde Wietze hatte
ihnen ein Aufenthaltsverbot erteilt. Jetzt wollen die Betroffenen beim
Verwaltungsgericht Lüneburg Klage gegen das Verbot einreichen.
400 Euro Zwangsgeld oder Ersatzzwangshaft droht die Gemeinde ihnen an,
sollten sie die Bannmeile betreten. Es sei damit zu rechnen, dass die Fünf
„in nächster Zeit versuchen werden, als massive Störer in unmittelbarer
Nähe des Geflügelschlachthofs aufzutreten“, heißt es in der Begründung, d…
der taz vorliegt. Und Störungen hat es in Wietze durch „militante
Tierschützer“ in den vergangenen Jahren zahlreiche gegeben, wie Nicole
Jürgensen, Vertreterin von Bürgermeister Wolfgang Klußmann (CDU), es
formuliert.
2009 gründete sich vor Ort eine Bürgerinitiative gegen die Pläne der Celler
Land Frischgeflügel GmbH, in Wietze Europas größten Geflügelschlachthof mit
einer Kapazität von 2,6 Millionen getöteten Hähnchen pro Woche zu bauen. 60
Millionen Euro steckte Investor Franz-Josef Rothkötter in das Projekt, 6,5
Millionen Niedersachsens einstige schwarz-gelbe Landesregierung. Die BI
Wietze zählte zeitweise rund 1.500 Mitglieder, bundesweit machte der
Schlachthof Schlagzeilen. Demos, Mahnwachen oder Besetzungen des
Baugeländes gehören seitdem zum Dorfalltag.
„Immenser Schaden“ sei durch die Proteste entstanden, sagt Jürgensen von
der Gemeinde – wegen der Polizeieinsätze auch „für die Gesamtgesellschaft
und die Steuerzahler“. Um am Wochenende eine friedliche Versammlung zu
gewährleisten, habe man vorab das Aufenthaltsverbot gegen fünf Personen
verhängt. Und das gleich für so lange wie möglich: Sechs Monate bis Ende
Februar 2014, so wie es maximal zulässig ist. Die Verbannten seien als
Protestler „besonders aufgefallen“, gar „bundesweit polizei- wie
gerichtsbekannt“, sagt sie und beruft sich auf Gefahrenprognosen der
Polizei Celle. Darin werden ihnen Bagatelldelikte wie Hausfriedensbruch,
Widerstand gegen Polizeibeamte oder Blockadeaktionen wie Anketten
angelastet.
Verurteilt worden sei keiner, hält Jörn M., einer der Betroffenen, dem
entgegen. „Alle Verfahren sind eingestellt worden“, sagt er. Den Eingriff
in seine Versammlungsfreiheit werde er nicht hinnehmen, kündigt M. an. „Wir
lassen uns nicht kriminalisieren, denn unser Protest gegen Rothkötters
Schlachtfabrik ist angesichts der dortigen alltäglichen, systematischen
Gewalt an Hühnern unabdingbar.“
Die Hamburger Rechtsanwältin Ingrid Witte-Rohde spricht von einer
„dürftigen Prognose“, auf der die Gefährdungseinstufung der Betroffenen
fuße. Ein Aufenthaltsverbot sei nicht gerechtfertigt, so Witte-Rohde, die
mit ihrer Kollegin Britta Eder für Jörn M. und die anderen Vier die Klage
gegen das Verbot vorbereitet. Einem ihrer Mandanten werde gar ein
rechtskräftiger Freispruch vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs als
vermeintliche Straftat angelastet.
„Das Vorgehen der Gemeinde Wietze ist offensichtlich rechtswidrig“, sagt
sie. Das Verbot sei allein schon „terminlich so abgepasst“, dass die
Betroffenen beispielsweise an der Großdemo nicht teilnehmen konnten.
„Aufenthaltsverbote sollen den Behörden ermöglichen, Straftaten zu
verhindern“, erklärt sie. Es sei aber nach gängiger Rechtsprechung nicht
zulässig, damit die Teilnahme an einer Versammlung zu unterbinden.
„Wir warten die Klage ab“, heißt es unterdessen aus der Gemeinde Wietze.
Bei den Eingriffen in das Versammlungsrecht und in das Grundrecht auf
Freizügigkeit sei der „Abwägungsprozess wichtig“, erklärt dort
Bürgermeistervertreterin Jürgensen zwar. Und gibt sich unbeirrt: Im Fall
der fünf Verbannten aber sei die „Gefahrenprognose entsprechend“.
4 Sep 2013
## AUTOREN
Teresa Havlicek
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