# taz.de -- Volksentscheid: Schönheitsfehler bei Prognose: Fehlerhafte Umfrage | |
> Die jüngste Erhebung prognostiziert der Initiative für den Rückkauf der | |
> Netze erstmals eine knappe Niederlage – aber die Gruppe der jüngsten | |
> Abstimmungsberechtigten wurde dabei schlicht übersehen. | |
Bild: Jungwählerinnen an der Urne: Dürfen abstimmen, wurden in letzter Umfrag… | |
HAMBURG taz | In Hamburgs Senatskanzlei, dort wo Bürgermeister Olaf Scholz | |
residiert, wurde Anfang der Woche aufgeatmet. Zum ersten Mal hat eine | |
Umfrage – und eine repräsentative noch dazu – den Landeschef als Sieger des | |
Volksentscheids über den Rückkauf der Netze gesehen, der am kommenden | |
Sonntag parallel zur Bundestagswahl stattfindet. | |
46 Prozent der wahlberechtigten HamburgerInnen sind gegen, 42 Prozent für | |
den Rückkauf der Netze lautete das Ergebnis einer von Radio Hamburg in | |
Auftrag gegebenen Erhebung. Zwölf Prozent gaben an, noch unentschieden zu | |
sein oder die Wahl schwänzen zu wollen. 557 wahlberechtigte HamburgerInnen | |
hatten vom 10. bis zum 13. September an der Umfrage des | |
Meinungsforschungsinstitut Trend Research teilgenommen. | |
Bei diesem Ergebnis wäre der Volksentscheid gescheitert und der | |
vollständige Rückkauf der Fernwärme-, Gas- und Stromnetze vom Tisch. | |
gewonnen hätte die von Scholz maßgeblich initiierte und ausverhandelte | |
Variante, nach der sich Hamburg zu 25,1 Prozent an einer gemeinsamen | |
Betreibergesellschaft für die Netze beteiligt. | |
Die Umfrage ist nicht nur eine Momentaufnahme rund anderthalb Wochen vor | |
der Wahl. Sie könnte Scholz helfen, besser abzuschneiden. Ihm würde dabei | |
ein Phänomen zugute kommen, das Sozialwissenschaftler Bandwagoneffekt | |
nennen. Danach neigen unentschlossene WählerInnen dazu, sich auf den | |
letzten Metern jenen Parteien und Positionen anschließen, die sich | |
vermutlich durchsetzen. Es macht mehr Spaß, sich als Sieger zu fühlen, als | |
mit den Verlierern zu trauern. | |
Doch die Online-Umfrage steht auf tönernen Füßen. „Erhebliche Zweifel an | |
der Repräsentativität und der Aussagekraft“ hat der Hamburger | |
Politikprofessor Kai-Uwe Schnapp. Repräsentativität setze voraus, dass | |
jeder wahlberechtigte Hamburger die gleiche Chance habe, befragt zu werden | |
– ganz unabhängig etwa von seinen technischen Fertigkeiten. | |
Beim Meinungsforscher Trend Research kommen jedoch nur die HamburgerInnen | |
zum Zuge, die sich vorher mit ihren Daten beim Institut registriert und | |
bereit erklärt haben, wiederholt an dessen Online-Studien teilzunehmen. Die | |
Gruppe der Nicht-Onliner fällt damit ebenso aus dem Raster, wie die | |
Bevölkerungsgruppen, die sich nicht bei solchen Online-Panels registrieren. | |
Auch „Alte, Frauen und Gering-Gebildete“ seien laut Schnapp „eher | |
unterrepräsentiert“. | |
Um diese Fehler auszugleichen habe man die Umfrage-Teilnehmer nicht einfach | |
übernommen, sondern „gewichtet“, erklärt Frank Jordan, Wahlforscher von | |
Trend Resaerch. Beispielsweise hätten sich zu wenig CDU-Wähler an der | |
Erhebung beteiligt. „Die haben wir dann etwas höher gewichtet und die | |
SPD-Wähler etwas niedriger“, sagt Jordan. Eine Korrektur, die es für | |
Schnapp nicht besser macht. „Mit solchen Gewichtungen, wird Umfragen mehr | |
Schaden als Gutes zugefügt“, sagt er. „Sie sind ein vor allem ein gutes | |
Instrument an einem Erhebung so lange rumzuwerkeln, bis das Ergebnis | |
passt.“ | |
Doch selbst wenn die Erhebung wissenschaftlich einwandfrei wäre, hätte das | |
Ergebnis für Schnapp „keine Aussagekraft darüber, wer vorne liegt“. Bei g… | |
500 Befragten, für eine lokale Umfrage laut Schnapp eine „durchaus | |
respektable Zahl“, liege der Fehlerquotient immer oberhalb von drei | |
Prozent. Der knappe Vorsprung der Gegner der Volksinitiative werde „von der | |
ganz normalen statistischen Unsicherheit verschluckt“, sagt Schnapp. Eine | |
Aussage, wer am Ende gewinnt, sei aufgrund der Erhebung „überhaupt nicht | |
möglich.“ | |
Auch für Manfred Braasch, Sprecher der Volksinitiative für den Netzrückkauf | |
und Landesvorsitzender des BUND, steht die Befragung „methodisch auf sehr | |
dünnen Beinen“. Frank Jorden hingegen betont: "Die Umfrage ist definitiv | |
repräsentativ." | |
Das darf bezweifelt werden. Laut Radio Hamburg befragte Trend Research "557 | |
Hamburger ab 18 Jahren“. Was die Wahlforscher offenbar übersahen und | |
deshalb ausblendeten: Abstimmungsberechtigt sind beim Volksentscheid – | |
anders als bei der Bundestagswahl – alle HamburgerInnen ab 16. | |
18 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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