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# taz.de -- Abschied mit Stil: Ein Mantel spricht über seine Ängste
> Mit „7 Ways to Overcome the Closet Circuit“ nimmt Kuratorin Stefanie
> Böttcher Abschied vom Künstlerhaus Bremen.
Bild: Spöttisch, minimal und direkt: Stempel mit Zweifel
BREMEN taz | Die Galerie des Künstlerhauses gehört zu den kleinsten
öffentlich geförderten Ausstellungsorten in Bremen. Das hat gleichermaßen
Vor- wie Nachteile. Wenige Mitarbeiter müssen mehr Arbeit bewältigen, die
Finanzmittel sind rar und die Aufmerksamkeit vergleichsweise gering.
Gleichzeitig bietet eine solche Situation der künstlerischen Leiterin
fantastische Möglichkeiten, einen eigenen Stil der Kunstvermittlung zu
kultivieren. Große Institutionen fressen ihre Mitarbeiter: Der Bassist der
Rolling Stones bleibt nun einmal immer nur der Bassist der Rolling Stones.
In den vergangenen sieben Jahren hat Stefanie Böttcher das Künstlerhaus
geleitet. Mit der internationalen Gruppenausstellung „7 Ways to Overcome
the Closet Circuit“ nimmt sie nun Abschied vom Künstlerhaus. Eine sehr
spöttische, minimale und direkte Ausstellung, die sehr exakt spiegelt, wie
Böttchers in Bremen entwickelte kuratorische Handschrift aussieht.
Gleich hinter der Eingangstür zum Ausstellungsraum des Künstlerhauses folgt
eine weitere Tür. Man kann sie weder schließen noch öffnen. Sie steht auf
einem schwarzen Sockel und murmelt hin und wieder ein paar Sätze. Dahinter
steht auf einem gebogenen, stählernen Gestell ein dunkelblauer Mantel. Das
Kleidungsstück berichtet von seinen Ängsten: „I am afraid of dark. I am
afraid of natural light. I am afraid of being in a closet space.“
Ein riesiger schwarz emaillierter Kochtopf mit Spinnenbeinen bettelt um
Aufmerksamkeit, und auch ein alter Kleiderschrank mit metallischen
Röhren-Armen und einem Gitterfenster hat einiges zu erzählen. Eine Mischung
aus gebrochenem Subjekt und Folterinstrument. Ihre Reden halten die
seltsamen Wesen in unterschiedlichen Sprachen. Sie nehmen dabei keinerlei
Bezug aufeinander. „Theater of Speaking Objects“ ist der Titel einer Arbeit
der tschechischen Künstlerin Eva Koátková, die im Zentrum der Ausstellung
„7 Ways to Overcome the Closed Circuit“ steht. Aus dem geschlossenen Kreis
ihres apathischen Gebrabbels kommen sie nicht heraus. Ein gescheiterter
Versuch? Vielleicht.
Sieben sehr unterschiedliche Künstler aus verschiedenen Ländern wie
Deutschland, Island und dem ehemaligen Jugoslawien proben den Ausbruch,
versuchen sich an der Überwindung von Grenzen. Dabei geht es um so
unterschiedliche Systeme wie Staaten, Bauten, Institutionen,
zwischenmenschliche Beziehungen und psychische Zustände. Auch das Scheitern
dieser Ausbruchsversuche wird dabei mitgedacht. „Schließlich sind manche
Grenzen überlebensnotwendig“, so Böttcher, „ohne unsere Haut etwa könnten
wir nicht existieren.“ Sie hat die Schau gemeinsam mit der serbischen
Kuratorin Una Popovi konzipiert.
Böttcher hat oft die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen gesucht. In
letzter Zeit auch vermehrt mit ausländischen Kunsteinrichtungen. „Auch eine
Form der Grenzüberwindung“, sagt Böttcher mit Blick auf die aktuelle
Ausstellung. Die Idee zu der aktuellen Ausstellung entstand während einiger
Reisen nach Belgrad, die Böttcher im letzten Jahr unternommen hatte.
„In Belgrad ist die Kunst-Szene sehr übersichtlich, obwohl es eine sehr
große Stadt ist, erzählt Böttcher. „Meine Co-Kuratorin Una Popovi habe ich
sehr schnell kennengelernt. Sie ist arbeitet im Belgrader Museum für
zeitgenössische Kunst. Wir haben uns gut verstanden und uns in Folge im
Auge behalten“, so Böttcher. Im Salon des Belgrader Museums wird im
nächsten Jahr der zweite Teil der Schau zu sehen sein. Mit ganz anderen
Künstlern als in Bremen.
Das besagte Belgrader Museum ist Thema einer in Bremen ausgestellten
Arbeit. Es ist eine Videoarbeit des serbischen Künstlers Saša Tkaenko mit
dem Titel“ perfect ride. Man sieht einen Skater auf seinem Weg durch das
vor sieben Jahren für die Renovierung geschlossene Hauptgebäude des
Museums. Das in den 50er-Jahren erbaute Ausstellungshaus war vor dem
Zerfall Jugoslawiens enorm wichtig. Seit der Schließung und dem Abbruch der
Sanierungsarbeiten steht es ungenutzt und verfällt.
Tkaenko hat diese Situation durchbrochen, indem er einen Skater, den er in
der Nähe des Gebäudes kennengelernt hat, dazu überredete, auf seinem Board
den Bau zu erkunden. Dort, wo früher Kunst zu sehen war, nutzt nun der
Skateboard-Fahrer die Museumsarchitektur. Er fährt über Museumsbänke und
Geländer, überwindet Treppenstufen und fährt gefährlich nahe an die
modernen Fensterfronten. Die Arbeit besticht durch ihre unspektakulär
mitreißende Art. Insgesamt ist „7 Ways“ eine schöne und stimmige
Ausstellung. Und ist dabei durchaus in einer Reihe mit Böttchers früheren
Ausstellungen zu sehen.
Dabei hatte sie es als Nachfolgerin der international renommierten
Kuratorin Susanne Pfeffer alles andere als leicht. Auch die taz zeigte sich
damals skeptisch. Pfeffer hatte 2001 mit Gregor Schneider auf der Biennale
in Venedig den Goldenen Löwen geholt und war nach Berlin abgewandert zu den
Kunst-Werken, einer ungleich größeren öffentlichen Galerie. Seit diesem
Jahr ist sie Leiterin des Fridericianums in Kassel. Die Messlatte schien
zum Scheitern hoch.
In ihrer Zeit am Künstlerhaus etablierte Böttcher schließlich einen Stil,
der von einem spielerischen, oft humorvollen künstlerischen Umgang mit der
Welt geprägt war. Dies trifft etwa auf die Einzelausstellung der Finnin
Pilvi Takala im vergangenen Jahr zu. Die in Istanbul lebende Künstlerin
dokumentiert ihre performativen Eingriffe in der Öffentlichkeit auf Video.
Dabei erzeugt sie unangenehme und komische Situationen. So provozierte sie
in einer Berliner Einkaufspassage, indem sie mehrere 1.000 Euro in einer
durchsichtigen Plastiktüte mit sich führte. Takala tat so im Grunde etwas
vollkommen Konformes auf eine Weise aber, die nonkonform wird. Eine alte
Dame belehrte sie darüber, dass es unanständig ist, und bot ihr eine
blickdichte Tüte an. Sicherheitskräfte erteilen ihr Hausverbot.
Oder Sofia Hultén. Für sie zog die Ausstellung im Künstlerhaus 2008 großen
Erfolg nach sich. Hultén zeigte damals ein Video, in dem sie eine schäbige,
grüne Holzkommode vom Sperrmüll Schritt für Schritt erst fachkundig
restaurierte – um anschließend wieder den Ausgangszustand herzustellen,
inklusive Lackschäden und Brandflecken: Die Restaurierung der Schäbigkeit,
die Rekonstruktion des Lebens dieses Möbelstücks also – das in seiner
künstlich produzierten Schäbigkeit wieder im Ausstellungsraum aufgebaut
war. Böttcher hatte den Frankfurter Galeristen Konrad Fischer in die
Ausstellung eingeladen, der Hultén kontaktierte: Seither gehört sie fest in
sein Programm.
7 Oct 2013
## AUTOREN
Radek Krolczyk
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