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# taz.de -- Ortstermin: Kleiner Gysi, große Aula
> Gregor Gysi spricht an der Freien Universität – obwohl die ihn dort nicht
> wollte.
Bild: Fünf Punkte will Gysi im Bundestag mit SPD und Grünen beschließen, dre…
Im Foyer der FU-Mensa in Dahlem ist es voll, mehr als 300 Studenten sitzen
auf dem Boden, die Luft ist stickig. Viele, die auf dem Weg in die Mensa
oder das nächste Seminar sind, bleiben stehen. Sie wollen einen Blick
erhaschen auf den kleinen, berühmten Mann, der gleich an einem Tisch Platz
nehmen und seine Rede beginnen wird, Gregor Gysi.
Den ungewöhnlichen Ort der Veranstaltung verdanken die Studenten ihrer
Universitätsleitung. Der Sozialistisch-Demokratische Studierendenbund (SDS)
hatte einen Raum für die Veranstaltung mit Gysi (Die Linke) angefragt. Doch
die Unileitung lehnte ab: „Einzelnen Parteien oder ihren Vertretern bietet
die Universität keine Plattform“, sagte Präsidiumssprecher Goran Krstin.
Ole Guinand vom SDS findet die Entscheidung willkürlich:
„SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück und Bundesfinanzminister Schäuble durften
im großen Hörsaal sprechen – Gysi nicht.“ Der SDS entschied sich, trotz
Verbot ein Teach-in zu organisieren. Mit Erfolg: In einen normalen Hörsaal
wären wohl kaum so viele Interessierte gekommen.
Gysi selbst scheint als neuer Oppositionsführer nicht unglücklich zu sein
über seinen ungewöhnlichen Auftritt: „Wenn ich Herrn Schäuble im Bundestag
sage, dass die ihn an der Universität für neutral halten, ist er bestimmt
nicht glücklich.“ Lacher im Publikum.
Gysi ist gewohnt unterhaltsam. Er wettert gegen die Macht der Banken und
erzählt, die einzige Aktie, die er in seinem Leben gekauft habe, sei eine
Stadionaktie vom Fußballklub Union Berlin: „Und da wusste ich, dass ich
mein Geld nicht wiedersehe!“
Teach-in, eine unangemeldete Veranstaltung: das klingt nach 1968 und
zivilem Ungehorsam. Gysis Auftritt an der FU ist aber vor allem ein Event.
„Deutschland und Europa in der Krise“ sollte das Thema der Veranstaltung
sein, aber die zweite Rednerin, Catarina Príncipe aus Portugal, geht neben
Gysi unter.
Der kommt stattdessen vom Mindestlohn auf Rot-Rot-Grün, das Betreuungsgeld
und den Welthunger. Er spult mechanisch seine Rede ab, sie ist ein buntes
Gemisch aus Zitaten eines langen Wahlkampfs. Mehrmals unterbricht er sich
selbst, weil er den Faden verloren hat: „Fünf Punkte können SPD und Grüne
zusammen mit uns sofort im Bundestag beschließen“, aber die letzten zwei
fallen ihm nicht ein. Beifall bekommt er trotzdem.
Als Gysi am Ende der Veranstaltung an die Studenten appelliert, sie sollten
endlich rebellischer werden, nicken diese brav. Altväterlich wünscht er
sich von der Jugend, dass sie Fremdsprachen lernt und zu einer europäischen
Generation zusammenwächst. Dann springt er auf, wartet das Ende des langen
Applauses nicht ab, stürmt aus dem Gebäude und braust mit einer Limousine
davon.
23 Oct 2013
## AUTOREN
Kersten Augustin
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