# taz.de -- Wenn das Schule macht ...: Mit der Schul-E-Mail aufs Pornoportal | |
> Hamburger Gymnasium stattet Fünftklässler mit E-Mail-Adressen aus. Die | |
> Eltern werden nicht gefragt und haben dank Passwortschutz keine Kontrolle | |
> über Netzaktivitäten ihrer Kinder. | |
Bild: SchülerInnen brauchen Medienkompetenz, Schulen auch. | |
HAMBURG taz | Verena Dulk* traute ihren Augen nicht. Durch Zufall entdeckte | |
die 43-jährige Mutter, dass sich ihr zwölfjähriger Sohn Florian* bei einem | |
Porno-Portal angemeldet hatte. Dabei hatte sie Florian untersagt, einen | |
eigenen E-Mail-Account einzurichten, da dieser ihm den Weg auf alle | |
möglichen Internet-Seiten ebnen könnte. Doch das Verbot lief ins Leere. Die | |
E-Mail-Adresse, mit der sich der Junge einloggte, hatte er von seiner | |
Schule erhalten. | |
Am Gymnasium Allee in Hamburg-Altona erhalten SchülerInnen schon seit | |
Jahren gleich mit Eintritt in die Schule eine E-Mail-Adresse, die aus dem | |
Vor-, dem Nachnahmen und seit diesem Jahr dem Zusatz „gym-allee.de“ | |
besteht. Mit ihr sollen die SchülerInnen lernen, im schuleigenen Intranet | |
miteinander zu kommunizieren und Lehrinhalte abzurufen. Filter verhindern, | |
dass die Kinder von den Schulrechnern aus Internet-Seiten besuchen, auf | |
denen sie nichts zu suchen haben. | |
Doch dass die SchülerInnen mit einer eigenen E-Mail-Adresse – die gespickt | |
ist mit personenbezogenen Daten – ausgestattet werden, mit der sie sich von | |
anderen Geräten aus in sozialen Netzwerken und unterschiedlichsten Portalen | |
anmelden können – und dies zum Teil auch nachweisbar tun – stößt einigen | |
Eltern sauer auf. „Mir wird hier von der Schule eine zusätzliche | |
Kontrollpflicht aufgebürdet und gleichzeitig die Kontrolle vollständig aus | |
der Hand genommen“, klagt Dulk. Denn selbst wenn die Eltern wollten, sie | |
könnten ihre Kinder nur kontrollieren, wenn diese ihnen das Passwort | |
preisgeben, das ihren Account vor unbefugtem Zugriff schützen soll. | |
Die Mutter ärgert zudem, dass sie zwar per Elternbrief über die | |
E-Mail-Adressen informiert wurde, mitreden aber durfte sie nicht. Es könne | |
„nicht sein, dass uns bei diesem sensiblen Thema nur der Weg bleibt, per | |
Beschwerde zu intervenieren“. Die Mutter einer Elfjährigen ergänzt: „Wir | |
wissen, dass sich in sozialen Netzwerken auch viele Männer mit pädophilen | |
Neigungen tummeln – denen wird über die E-Mail-Adresse der komplette Name | |
und der Schulstandort gleich frei Haus geliefert.“ | |
Schulleiter Ulf Nehe hingegen betont, „dass allen Schülerinnen und Schülern | |
gesagt wurde, dass sie ihre E-Mail-Adresse nur für die schulinterne | |
Kommunikation nutzen sollen“. Eine Botschaft, die offenbar nicht bei jedem | |
Pennäler angekommen ist. Zwar stellt das Thema Medienkompetenz einen | |
Schwerpunkt im Unterrichtsstoff des Gymnasiums dar, nur bekommen die | |
Fünftklässler zuerst eine eigene E-Mail-Adresse und dann erst die Kompetenz | |
vermittelt, sich sicher und möglichst gefahrenlos im World Wide Web zu | |
bewegen. | |
Ulf Nehe sind solche Klagen „neu“. Über den Elternrat seien „solche | |
Bedenken bislang nicht an die Schule herangetragen“ worden. Im Gegenteil: | |
„Viele Eltern haben uns gebeten, mit medienpädagogischem Unterricht bereits | |
in der fünften Klasse zu beginnen, weil sich dann schon viele Kinder im | |
Netz tummeln.“ | |
Die Schulleitung will aber nun zeitnah das Thema in den Elternrat bringen. | |
Der Elternratsvorsitzende Sven Sternsdorff sagt, „dass uns bislang keine | |
Klagen über die E-Mail-Adressen zu Ohren gekommen sind“. | |
Die sind an den Schulen inzwischen ohnehin weit verbreitet. So bestätigt | |
Susanne Schrammar, Sprecherin des Niedersächsischen Kultusministeriums, | |
dass rund 800 der 3.200 Schulen des Landes den Schulserver IServ, an den | |
auch das Hamburger Gymnasium angeschlossen ist, nutzen und die Kinder | |
E-Mail-Adressen erhalten. Allerdings: „Die Eltern müssen ihr ausdrückliches | |
Einverständnis erklären.“ | |
Das bestätigt auch Peter Albrecht, Sprecher der Hamburger Schulbehörde: | |
„Eine Verpflichtung zur Einrichtung von E-Mail-Accounts für Schüler ist | |
datenschutzrechtlich nicht zulässig. E-Mail-Accounts können nur mit | |
Einwilligung der Sorgeberechtigten auf freiwilliger Basis genutzt werden. | |
*Name geändert. | |
5 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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