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# taz.de -- Reklameverbot: Das Geld fließt in den Brunnen
> Werbegegner wollen Friedrichshain-Kreuzberg von Außenwerbung befreien.
> Die Umsetzung wird schwierig.
Bild: Werbeplakate bestimmen vielerorts den öffentlichen Raum - nicht immer mi…
Die Berliner Initiative „Amt für Werbefreiheit und gutes Leben“ kämpft f�…
die Utopie einer werbefreien Welt. Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg fängt
sie ganz realpolitisch an: Mit 1.007 gültigen Unterschriften hatten die
Aktivisten genug, um einen EinwohnerInnenantrag in die
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einzubringen. Nun beraten die
zuständigen Ausschüsse, Mitte Dezember wird es voraussichtlich eine
Entscheidung geben.
Die rund 40 Aktivisten fordern: keine Werbung mehr auf Plakaten, an Säulen,
Haltestellen, Masten, Uhren, die zum Konsum von materiellen Gütern anregen
soll. Ausgenommen ist dabei Werbung direkt an der Stätte des Geschehens.
„Wir wollen auf keinen Fall dem Bäcker verbieten, vor der Tür ein Schild
aufzustellen“, sagt Sandra Franz vom „Amt für Werbefreiheit und gutes
Leben“. Die großflächigen und teils beleuchteten Werbeplakate aber seien
nicht nur nervig, sie förderten auch die Ressourcenverschwendung, indem sie
Bedürfnisse erst schafften, so Franz. Zudem arbeiteten viele Motive mit
rassistischen und sexistischen Stereotypen, so ihre Kritik.
Hinzu kommt, dass sich die Außenwerbung entwickelt. Als Werbeflächen der
Zukunft gelten LED-Plakate, leuchtend, teils mit Bewegtbildern. In Zukunft
könnten sie sich gar mit dem Smartphone verbinden und auf Grundlage der
Daten darin personalisierte Werbung schalten.
„Friedrichshain-Kreuzberg ist der ideale Bezirk für unsere Initiative“,
sagt Sandra Franz. Die Grünen sind hier stärkste Fraktion – und es gibt
keine FDP. „Als wir uns die Zusammensetzung des Bezirksparlamentes
angesehen haben, dachten wir: Das muss doch zu schaffen sein“, sagt sie.
Der Bezirk hat in der Vergangenheit bereits eine Einschränkung für die von
ihm verwalteten Werbeflächen beschlossen: Tabak- und Alkoholwerbung ist
seit 2008 verboten.
Tatsächlich haben die Werbegegner die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg
sowie die Piraten und die Linkspartei rein inhaltlich auf ihrer Seite. „Die
Linke unterstützt das Anliegen“, sagt ihr Fraktionsvorsitzender Lothar
Jösting-Schüßler. „Wir finden den Antrag sehr sympathisch“, sagt auch
Julian Schwarze (Grüne), der dem nun darüber beratenden Ausschuss für
Wirtschaft und Ordnungsamt vorsitzt.
Allzu groß wären die Auswirkungen eines solchen Werbeverbots allerdings
nicht: Friedrichshain-Kreuzberg kann ein Verbot nur für die vom Bezirk
verwalteten Werbeflächen beschließen. Und das sind ziemlich wenige: vier
Billboards, also Leucht-Tafeln mit nach wenigen Sekunden wechselnden
Plakaten. „Das meiste, was man sieht, steht entweder auf privaten
Grundstücken oder wird durch das Land Berlin vergeben“, erklärt Schwarze.
Selbst ein Werbeverbot für die vier Billboards gilt als unwahrscheinlich.
Die Firma Ströer durfte sie aufstellen, weil sie die Instandhaltung einiger
Brunnen und öffentlicher Toiletten im Bezirk finanziert. Das ist Sponsoring
im Wert von insgesamt 240.000 Euro im Jahr. Ein Betrag, der dem Bezirk
fehlen würde – angesichts des erwarteten Haushaltsdefizits von 4,9
Millionen Euro für 2013.
Deshalb dürfte die Chance, dass dem EinwohnerInnenantrag in dieser Form
zugestimmt wird, gering sein, prophezeit Schwarze. Trotzdem ist er der
Meinung, dass die Debatte über ein Werbeverbot geführt werden sollte. Denn
sie offenbare ein grundlegendes Problem: wie viele öffentliche Aufgaben
mittlerweile von der Privatwirtschaft finanziert werden. „Man sollte sich
grundsätzlich fragen, ob man diese Abhängigkeit will“, sagt der Grüne.
„Hätten wir im Bezirk unseren eigenen Haushalt, würden wir uns dagegen
entscheiden. Aber zurzeit stehen wir unter Privatisierungsdruck, weil wir
das Geld zum Beispiel für die Brunnen vom Land nicht bekommen, wenn es auch
durch Sponsoring geht.“
Um also jenseits der vier Billboards und der eingeschränkten
Handlungsfähigkeit des Bezirks etwas zu erreichen, muss die Debatte
mindestens auf Landesebene ausgeweitet werden. Und so fordert das „Amt für
Werbefreiheit und gutes Leben“ mittelfristig auch ein Werbeverbot auf
Landesebene. „Für ein solches Verbot wäre jetzt ein guter Zeitpunkt“, sagt
Franz. Denn die Langzeitverträge, mit denen das Land Berlin einen Großteil
der Werbeflächen fest an die Firma Wall AG vergibt, sind zum Teil zum Ende
des Jahres kündbar. „Der Bezirk sollte darauf hinwirken, dass der Senat die
Verträge auflöst“, fordert Franz.
Die Landesregierung will sich zum Stand der Verträge mit der Wall AG nicht
äußern – und auch nicht zur Frage, wie hoch die Einnahmen durch Werbung
derzeit insgesamt sind. Die Sprecherin der zuständigen Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung sagt lediglich: „Wir sind dabei, die Zuschnitte der
Werberechte in Berlin neu zu konzipieren.“
Das klingt nach Veränderung – allerdings bleibt unklar, in welche Richtung.
Es zeigt aber immerhin, dass sich ein Zeitfenster geöffnet hat, in dem eine
Debatte vielleicht etwas auslösen kann. „Und wenn sie nur bewirken würde,
dass es nicht noch schlimmer wird“, sagt Aktivistin Franz, „das wäre auch
schon was.“
18 Nov 2013
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