# taz.de -- Düfte des Oman: „Zu viel Geschrei“ | |
> Weihrauch ist das Geschenk der Könige. Das Luxusparfum Amouage schenkt | |
> heute Sultan Qabus seinen Gästen. Im Oman unter Händlern. | |
Bild: Ein altes Segelschiff, eine Dau, im Hafen von Muscat. | |
Samir al-Barone kramt eine riesige chinesische Vase aus seinem | |
Wohnzimmerschrank. „Ming-Zeit“, bestätigt Professor Johannes Kalter. Der | |
Kunsthistoriker und Orientalist hat seit dreißig Jahren für das Stuttgarter | |
Linden-Museum zahlreiche Kunstgegenstände aus der islamischen Welt | |
erworben. | |
Samir, der schmale ältere Herr mit den unruhigen Augen und dem weißen Bart, | |
hat ihn und seine Ehefrau, Raphaela Veit, die Islamwissenschaftlerin, | |
eingeladen. Das kompetente Ehepaar soll seine Schätze begutachten, | |
bewerten. | |
Nun sitzen sie etwas unbequem auf dem Sofa bei Samir zu Hause. Der | |
Professor diktiert Aussehen und Wert der kostbaren Antiquitäten in ein | |
nicht weniger antiquitiertes Diktafon, während Samir immer neue | |
Überraschungen unter dem Sofa, hinterm Schrank, aus dem Büfett | |
hervorzaubert: Samurai-Schwerter, versilberte Krummsäbel, riesige römische | |
Mosaiken, chinesisches Porzellan, alte Statuen. „Er hat noch Kisten davon | |
in der Garage gelagert“, stöhnt Professor Kalter, der schon seit Tagen hier | |
gutachtet. Weltkulturerbe auf dem Wohnzimmertisch. | |
Der Kunstsammler mit dem wertvollen Porzellan im Wohnzimmerschrank plant | |
ein Museum der Seidenstraße, wo die Träume von der multikulturellen, | |
offenen, weltgewandten Handelsnation Oman aufleben: von Sindbad, dem | |
Seefahrer, von Schiffsladungen mit feinstem Porzellan aus China, die schon | |
im 8. Jahrhundert auf den traditionellen Daus der Omaner über 5.000 | |
Kilometer hierher verschifft wurde, von Karawanen, die durch die Wüste Rub | |
al-Chali, das leere Viertel, zogen und Weihrauch und Myhrre nach Nordafrika | |
und ins christliche Europa brachten. | |
## Pioniere der Handelsrouten | |
Er sammle seit Jahrzehnten, sagt Samir. Neunmal sei er um die Welt gereist, | |
habe Gegenstände gekauft und verkauft. Sammeln sei neben der Musik, der | |
Literatur und dem Schreiben seine Leidenschaft. Ein omanisches Händlergen? | |
„Die Omaner waren die Pioniere der alten Handelsrouten“, sagt Samir. „Wir | |
waren schon zu Zeiten Alexander des Großen für unsere Reitkamele berühmt. | |
Aber vor allem führten wir die Europäer nach China, mit dem wir lange vor | |
ihnen Handel trieben.“ Es gebe zwei Routen der Seidenstraßen: über Land und | |
über See. „Wir waren vor allem die Meister des Seewegs“, betont Samir. „… | |
wir hatten noch eine ältere Handelsstraße als die Seidenstraße: die | |
Weihrauchstraße. Weihrauch war das Geschenk für die Könige. Wir tauschten | |
es schon mit den Byzantinern, den Römern und den Griechen.“ | |
1998 wurde das Wrack einer alten Dau im Indonesischen Meer geborgen, voll | |
geladen mit edlen Gebrauchsgegenständen aus der chinesischen Tang-Dynastie | |
(608 bis 907): Schüsseln, Vasen, Kannen, Tintenfässern und Gewürztöpfen aus | |
Porzellan, Keramik, Silber und Bronze. Die 18 Meter lange „Jewel of Muscat“ | |
ist der originalgetreue Nachbau dieses omanischen Handelsschiffs aus dem 9. | |
Jahrhundert. | |
In zwölf Monaten wurde das Schiff im Oman von Hand ohne Nägel und Schrauben | |
nachgebaut: Die Planken wurden nach 1.200 Jahre alter Methode mit | |
Kokosfasertauen zusammengenäht, die Segel bestehen aus gewobenen | |
Palmblättern, der Rumpf wurde mit einem Überzug aus Schafsfett und Kalk | |
wasserdicht gemacht. Die „Jewel of Muscat“ steht heute im Museum in | |
Singapur. | |
Vom historischen Muscat, der sagenhaften Handelsstadt und Hauptstadt des | |
Omans, ist wenig übrig geblieben, nur eine Handvoll Häuser. Der Sultan hat | |
Ernst gemacht mit der Modernisierung: Eine gesichtslose, moderne | |
Verwaltungsstadt mit breiten Straßen für den rastlosen Autoverkehr und | |
hochschießenden Imponiergebäuden hat sich in die Landschaft gefressen und | |
die lebendige Hafenstadt am Indischen Ozean verschluckt. | |
## Der Oamn rieicht gut | |
Der Souk von Muscat, das alte Geschäftsviertel direkt am Hafen, wo die zwei | |
riesigen Luxusjachten des Sultans Qabus ibn Said al-Said liegen, ist | |
lebendiges Reservat des traditionellen Muscat. Vor den kleinen Geschäften | |
der verwinkelten alten Stadt riecht es nach Weihrauch und Bukhur, einer | |
Duftmischung, die auf ein glühendes Kohlestück und in Parfumöl getränkte | |
Holzspäne gelegt wird. Oriental Flower, Amor, Fara-Night, Weihrauch – | |
Düfte, die das alte Einkaufszentrum, eigentlich das ganze Land durchziehen. | |
Eine Gruppe deutscher Touristen steht vor einem Geschäft, in dem Berge der | |
goldgelben Harztropfen liegen, die aus der Rinde des Weihrauchbaums | |
gewonnen werden. Das luftgetrocknete Gummiharz kommt aus den Bergen des | |
Südens, der Region um die Küstenstadt Salalah. Dem Weihrauch – einem der | |
Geschenke der Heiligen Drei Könige – wird eine betörende Wirkung | |
zugesprochen. | |
Betörend wie Amouage, das Geschenk des Königs, eine Luxusparfum-Edition, | |
die der Sultan für sich kreieren ließ. Der Oman riecht gut. Auch Hilal | |
Gadhani, der Reiseführer, der vor allem deutsche Touristen begleitet, | |
duftet abwechselnd nach Amber, Moschus oder Jasmin. | |
Sultan Qabus ibn Said al-Said habe das Land innerhalb von vierzig Jahren | |
modernisiert, wird Qabus allerorts gelobt. Auch die Frauen habe er | |
gefördert. „Im Oman darf die Frau Auto fahren, regieren, einen Betrieb | |
leiten“, sagt Hilal. Der Sultan regiert seit 41 Jahren. Er gibt den guten | |
Patriarchen. Politisch hat er die alleinige Autorität, die Gesetze des | |
Landes durch königliche Erlasse zu ändern. Parteien sind verboten. Jegliche | |
Kritik am Sultan ist verboten. Als es zu Demonstrationen während des | |
Arabischen Frühlings kam, wurden Studenten verhaftet. Erst jetzt kamen sie | |
nach einem Gnadenakt des Sultans wieder frei. | |
## Ein sicheres Reiseland | |
Der Tourismus soll eine wirtschaftliche Perspektive für die Zukunft, die | |
Zeit nach dem Öl, sein. Verglichen mit den anderen arabischen Golfstaaten | |
sind die Ölreserven im Oman gering. Der Oman wirbt damit, ein weltoffenes, | |
ein sicheres Reiseland zu sein. Das stimmt: Im Oman können Touristen das | |
Land erkunden, ohne von korrupten Polizisten oder bewaffneten | |
Straßenräubern behelligt zu werden. | |
„Im Nachbarland Jemen werden regelmäßig Ausländer von fundamentalistischen | |
Splittergruppen entführt. Bei uns ist es ruhig, und wir haben viel mehr zu | |
bieten als steinige Wüste, wie man sich Golfstaaten vorstellt. Wir haben | |
Dünen, grüne Bergoasen, schroffe Gebirge, schöne Strände“, lobt Sanjam | |
Bhattacharya, Manager der Reiseagentur Arabica und Chef von Hilal. Beim | |
Abendessen im Gartenlokal Kargeen Caffee schwärmt er vom boomenden | |
Tourismus und der wachsenden Zahl deutscher Touristen. Der Oman mit | |
Wüstenromantik, Kamelen, Oasen und einer alten Tradition profitiert auch | |
von den Unsicherheiten des politischen Umbruchs in Ägypten und Tunesien. | |
Das Land ist rau, exotisch, behäbig, vielfältig, modern. Es ist eine | |
Zeitreise zwischen der Tradition auf dem Land und der Moderne in den | |
Städten. Einkaufen geht heute, wer es sich leisten kann, nicht im Souk, | |
sondern in den vollklimatisierten Malls beispielsweise im Stadtviertel | |
Ruwi. Philippinische Kosmetikerinnen und indische Verkäufer führen hier | |
ihre Geschäfte. „Ich habe seit vier Jahren meine Familie nicht gesehen“, | |
erzählt die Kosmetikerin Maria. | |
Gemeinsam mit zwei philippinischen Kolleginnen wohnt sie in Ruwi, ihre drei | |
Kinder sind auf den Philippinen bei ihrem arbeitslosen Mann. „Ich habe | |
Sehnsucht nach meiner Mutter“, gesteht sie. Marias Geschichte ist eine von | |
vielen. Die Migrationspolitik des Landes ist – wie in den anderen | |
Golfstaaten – eine Geschichte der Armut und Ausbeutung. | |
Dafür blüht die importierte Kultur. Hilal schwärmt vom Royal Opera House in | |
Muscat, dem einzigen Opernhaus in den Golfstaaten. Der Bau wurde 2001 von | |
Sultan Qabus durch ein königliches Dekret beschlossen. Er ist Opernfan. Am | |
14. Oktober 2011 begann mit der Oper „Turandot“ von Puccini die erste | |
Theatersaison. Dirigent: kein Geringerer als Plácido Domingo. Der weithin | |
sichtbare Gebäudekomplex macht der ebenfalls vom Sultan erbauten | |
Quabus-Moschee Konkurrenz. Die Oper steht auf einem 80 Hektar großen | |
Gelände, eingerahmt von einem Landschaftsgarten. Ein Prachtbau: kostbare | |
Marmorböden und wertvolle Täfelung schmücken das Innere. Der Theaterraum | |
mit 1.100 Sitzplätzen ist in königlichem Rot und Gold gehalten. Viele | |
dieser Sitze haben auf der Rückseite eingebaute Monitore, auf denen | |
Untertitel in Arabisch und Englisch eingespielt werden. | |
Obwohl Hilal von der Oper sehr beeindruckt scheint, geht er nie dorthin. | |
„Too much shouting. Zu viel Geschrei.“ | |
14 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
## TAGS | |
Oman | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |