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# taz.de -- Erster hauptamtlicher Vikar für Altkatholiken: Geistlicher und Ehe…
> Walter Jungbauers neue Gemeinde zählt nur rund 260 Mitglieder. Zwar sind
> die Altkatholiken sehr fortschrittlich, aber kaum jemand kennt sie.
Bild: Gottesdienst der Altkatholiken: Walter Jungbauer (2. von links) hofft, da…
HAMBURG taz | Sie weihen Frauen zu Priesterinnen, haben den verpflichtenden
Zölibat abgeschafft, lassen ihre Gemeindemitglieder die Pfarrer und
Bischöfe wählen und stellen sich gegen das Dogma der Unfehlbarkeit des
Papstes. Die Altkatholiken leben also genau das, was kritische Katholiken
von Initiativen wie „Wir sind Kirche“ oder „Kirche von unten“ immer wie…
fordern – und doch kennt sie kaum jemand.
In Hamburg gibt es gerade mal 83 bekennende Altkatholiken. Einer von ihnen
ist Walter Jungbauer. Bis zum 1. Januar hat er ehrenamtlich als Priester
für die Gemeinde gearbeitet. Jetzt ist er Hamburgs erster hauptamtlicher
Vikar mit einer vollen bezahlten Stelle.
Auch die Gemeinde hat sich mit dem neuen Jahr erweitert. Jungbauer hat
einen Teil Schleswig-Holsteins und einen Teil Niedersachsens dazu bekommen.
Seine Gemeinde besteht nun aus 20 Schleswig-Holsteinern, 155 Niedersachsen
und den Hamburger Mitgliedern. Für eine feste Pfarrgemeinde mit eigener
Stelle braucht es nach den Regeln der Altkatholiken eigentlich mindestens
300 Mitglieder.
Jungbauer wird also noch ein bisschen Werbung für sich und seine Kirche
machen müssen. „Wir müssen bekannter werden“, sagt Jungbauer. Denn genug
potenzielle Mitglieder gebe es schon, glaubt er. Im vergangenen Jahr sind
allein in Hamburg Monat für Monat rund 800 Menschen aus der evangelischen
und der katholischen Kirche ausgetreten. „Ich gehe davon aus, dass der ein
oder die andere sich für uns interessieren könnte, wenn er oder sie uns
denn kennen würde“, sagt Jungbauer.
Er kann sich einfach nicht vorstellen, dass sie alle freiwillig in die
Konfessionslosigkeit gehen. „Wer einen Bedarf nach hochkirchlicher Liturgie
hat, nach Farbe im Gottesdienst, nach Mystik und einem Gleichgewicht
zwischen Rationalität und Emotion könnte sich möglicherweise bei den
Altkatholiken ganz wohl fühlen“, sagt er. Der 48-Jährige lacht gern laut
und hell auf, hat freundliche blaue Augen und weiß, wovon er spricht.
## Kein Zölibat, bitte
Denn Jungbauer ist in Bayreuth in einer katholischen Familie aufgewachsen.
Nur das tief rollende oberfränkische R, wenn er zum Beispiel „Pfarrstelle“,
„Bedarf“ oder „Farbe“ sagt, verrät diese Herkunft. Er war Ministrant,
Oberministrant, leitete Jugendgruppen und Zeltlager und entschied sich
dafür, dass Religion und Kirche auch nach dem Ende seiner Schulzeit eine
entscheidende Rolle in seinem Leben spielen sollen.
„Aber ich wusste, ich kann und will kein zölibatär lebender Mensch werden
und darum war Priester ausgeschlossen“, sagt er. „Meine Kirche ist meine
Leidenschaft, aber meine Frau auch.“ Also wollte er Pastoral-Referent
werden, begann in Bamberg mit dem Theologiestudium und engagierte sich in
verschiedenen katholischen Reformgruppen, die etwa die Aufhebung des
verpflichtenden Zölibats wollten.
Im Studium stieß er auf die Altkatholiken. „Ich wusste bis dahin nicht mal,
dass es irgendwelche anderen katholischen Kirchen neben der
römisch-katholischen Kirche gibt“, sagt Jungbauer. „Und schon gar nicht,
dass es eine katholische Kirche gibt, die all das, was wir in den
Reformgruppen forderten, bereits umgesetzt haben.“
Der Sonderweg der Altkatholiken begann Ende des 19. Jahrhunderts nach dem
1. Vatikanischen Konzil. Damals hatte der Papst Einfluss und Ländereien an
den italienischen Staat verloren, er wollte seine Stellung innerhalb der
Kirche ausbauen und ließ sich auf dem Konzil Unfehlbarkeit in
Glaubensfragen und alleinige Rechtsgewalt in der Kirche bescheinigen.
Kritische katholische Gelehrte organisierten aus Protest dagegen unter der
Führung des Münchner Theologieprofessors Ignaz von Döllinger mehrere
Gegenkongresse.
1873 wurde der erste altkatholische Bischof von einer Wahlversammlung
gewählt und von einem niederländischen Bischof geweiht. Rom musste diese
Weihe aus formalen Gründen akzeptieren und das hat dazu geführt, dass es in
Deutschland verheiratete Priester und Priesterinnen gibt, die vom
apostolischen Stuhl anerkannt werden müssen.
Heute hat das „Katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland“ mit
Sitz in Bonn 54 Pfarreien mit rund 16.000 Mitgliedern. Unter den
Mitgliedern sind viele ehemalige „Römer“, wie sie von den Altkatholiken
genannt werden. Oft sind es gerade die engagierten Gemeindemitglieder, die
sich an den starren Vorschriften der Amtskirche stoßen. Oder wie Christine
Guse, die Ehefrau von Jungbauer, es formuliert: „Bei euch sind viele
aufgeschlossene, engagierte und fragende Leute. Viele, die intellektuell
ganz gut dabei sind.“
Nach altkatholischem Verständnis gehören die Mitglieder ihrer Gemeinden zur
katholischen Amtskirche. Und das sieht auch der Staat so. Beim Finanzamt
reicht eine formlose Erklärung, aus „rk“ für römisch-katholisch wird ein
„ak“ für altkatholisch und die Kirchensteuer wird an die altkatholische
Kirche weitergeleitet. Viel kommt da bei der Mitgliederzahl nicht herum und
ohne Spenden und ehrenamtliche Arbeit wären die Gemeinden nicht
lebensfähig.
Jungbauer wurde irgendwann klar, dass sich die römisch-katholische Kirche
qua ihrer Dogmen nie werde reformieren lassen und 1990 wandte er sich
seiner eigentlichen Heimat zu, wie er es nennt. Seine Eltern taten sich mit
dieser Entscheidung anfangs schwer, akzeptierten es aber irgendwann. „Ich
konnte aber niemanden aus meinem Umfeld überzeugen, ebenfalls zu den
Altkatholiken zu konvertieren“, sagt Jungbauer. „Es ist ja auch ein
gewisses Risiko, aus einer großen Kirche in eine minikleine Reformkirche
einzutreten.“
Ein Risiko, weil viele mit einem Wechsel von einer großen Volkskirche in
eine kleine Reformkirche auch ihr soziales Umfeld verlieren. „Ich habe in
meiner ehemaligen römisch-katholischen Heimatgemeinde auch keinen Kontakt
mehr“, sagt Jungbauer. Außerdem entscheide man sich mit dem Altkatholiken
in vielen Fällen für eine Extrem-Diaspora mit sehr weiten Wegen zu nächsten
Gemeinde. In Hamburg etwa habe man nicht mal ein eigenes Gotteshaus, sie
dürfen aber eine Kirche in Hamburg-Altona mitnutzen.
## Zwei Namen, zwei Kirchen
Walter Jungbauer wohnt da, wo Hamburg aufhört und Schleswig-Holstein
anfängt. In einer etwas verschlafenen Einfamilienhaussiedlung im Kreis
Pinneberg. Wenn er am großen Esstisch sitzt, seine drei Söhne Bananen auf
kleinen Tellern an ihm vorbeitragen und er aus den bodentiefen Fenstern
schaut, fällt sein Blick unweigerlich auf die benachbarte
evangelisch-methodistische Kirche. Kaum drei Meter ist die weg.
Seine Frau Christine Guse ist dort Pastorin. Sie kommt aus Detmold, ist von
Hause aus Methodistin und kennengelernt haben die beiden sich in einem
Seminar der Altkatholiken zum Thema Ökologische Theologie an der Uni in
Bonn. Drei Jahre hat es gedauert, bis sie ein Paar wurden. Bis hierher nach
Hamburg lagen einige Jahre Fernbeziehung und viele Umzüge.
„Wir haben bei unserer Hochzeit noch eine Fernbeziehung geführt und ich
konnte mir einfach nicht vorstellen, in Neubrandenburg zu sitzen und meinen
Mann 700 Kilometer weit weg in Bonn zu wissen und mich am Telefon mit
Jungbauer zu melden“, sagt Christine Guse. „Und wenn ich den Namen ’Guse�…
angenommen hätte, hätte ich auf einmal wie Christines Vater geheißen, der
auch ’Walter‘ heißt“, sagt Jungbauer. Unvorstellbar für die beiden. So
haben sie also zwei Nachnamen und zwei Kirchen.
Will Jungbauer in seine Kirche fahren, hat er es deutlich weiter als seine
Frau. Rund 13 Kilometer liegen zwischen seinem Haus und der St. Trinitatis
Kirche in Hamburg-Altona, wo die Altkatholiken gewissermaßen Asyl bekommen
haben. Die grüne Eingangstür mit den flügelförmigen vergoldeten Türgriffen
ist massiv, öffnet sich nur widerwillig. Im April 2006 feierten sie hier
ihren ersten Gottesdienst und seit 2007 gibt es zweimal im Monat die
Lichtvesper und regelmäßige Gottesdienste.
Ein Schaukasten vor der Kirche kündigt die altkatholischen Gottesdienste
selbstverständlich mit an und neben dem Eingang stecken auch Broschüren der
alt-katholischen Gemeinde in einem Ständer. Sonntags kommen 20 bis 30 Leute
in den Gottesdienst. „Damit bin ich ganz zufrieden“, sagt Jungbauer. „Aber
es dürfen auch gern mehr werden, wir haben noch Platz“. Viel Platz, in die
St. Trinitatis Kirche passen bestimmt 300 Menschen.
Die Kirchen von Jungbauer und Guse haben kein Problem mit dem Glauben des
jeweiligen Ehepartners. Schwieriger werde es erst dann, wenn man sich
außerhalb des Christentums bewege. „Es gebe schon größere Nachfragen, wenn
ein Pastor mit einer Muslimin oder einer Buddhistin verheiratet wäre“, sagt
Jungbauer. Aber beide sagen, es sei gerade wegen der Kleinheit ihrer
Kirchen möglich, im Einzelfall zu entscheiden. Das sei mal ein Vorteil des
Kleinseins.
Jungbauer will sich nun ganz der Gemeindearbeit widmen. Bisher pendelte er
nach Hannover, zwei Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln hin, eine
Nacht im kleinen Gästezimmer der Altkatholiken in Hannover, zwei Stunden
mit Bus und Bahn wieder zurück. Jetzt wird er mehr Zeit haben – für die
Familie und für seine Gemeinde.
5 Jan 2014
## AUTOREN
Ilka Kreutzträger
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