| # taz.de -- Der Sound der Diktatur: „Es wird viel gesungen“ | |
| > In Nordkorea sind Filme ein Mittel der staatlichen Propaganda. Wie die | |
| > aussieht, lässt sich bei der Nordkorea-Filmwoche im Kieler Kommunalkino | |
| > erleben. | |
| Bild: Ein Land im Krieg: "Daisy Girl" schildert den Wettkampf zweier pflichtbew… | |
| taz: Herr Pabst, Filme aus Nordkorea, zu sehen im Kieler Kommunalkino – wie | |
| kam’s? | |
| Eckhard Pabst: Wir haben vor drei Jahren erfahren, dass mithilfe des | |
| Goethe-Instituts eine Tournee mit Filmen aus Nordkorea nach Deutschland | |
| kommen sollte – anlässlich des zehnjährigen Bestehens kultureller | |
| Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Nordkorea. Wir haben uns darum | |
| beworben, diese Filme zu zeigen und waren dann dabei. Als Kommunales Kino | |
| der Landeshauptstadt ist es eine unserer Hauptaufgaben, Länderschwerpunkte | |
| durchzuführen. Da ist Nordkorea natürlich ein tolles Fundstück gewesen. | |
| Was sind das für Filme? | |
| Die politischen Verhältnisse in Nordkorea lassen ja nun nicht jede freie | |
| Gedankenäußerung zu. Im Gegenteil: Sehr viel von dem, was dort in | |
| sämtlichen Kunstsparten hervorgebracht wird, ist staatlich gelenkt. Der | |
| Filmkunst kommt noch mal eine besondere Bedeutung zu, insofern Kim Jong Il | |
| ein großer Filmfreund war. So hat er auch ein Lehrbuch über die Filmkunst | |
| verfasst. Nordkoreanische Spielfilme zeigen zum Beispiel vorbildliche | |
| Lebensläufe ihrer Protagonisten, sie zeigen, wie ein Volksgenosse sich im | |
| positivsten Sinne entwickeln sollte. Mit anderen Worten: Es geht um | |
| Propagandafilme. | |
| Gibt es in Nordkorea auch eine irgendwie geartete freie Filmproduktion? | |
| Es gab lange allein die staatliche Filmagentur Korfilm: ein zentral | |
| gelenkter Konzern, dessen Arbeitsgruppen die Filme produzieren. Inzwischen | |
| gibt es aber auch in bestimmtem Rahmen freie Produktionsfirmen. Und es gibt | |
| vorsichtige Bemühungen, auch mit Nichtbruderstaaten – Bruderstaaten gibt es | |
| ja nicht mehr viele – zu kooperieren. Die erste dieser Kooperationen ist | |
| der Eröffnungsfilm „Comrade Kim Goes Flying“, der mit belgischem und | |
| britischem Geld finanziert wurde. | |
| Was ist an dem Film anders? | |
| Er erzählt eine Geschichte von einer Volksgenossin, die im Bergbau | |
| arbeitet, die aber für ihr persönliches Leben ein anderes Ziel hat: Sie | |
| möchte Trapezkünstlerin werden. Der Film zeigt, dass ihr das gelingt – | |
| gegen viele Widerstände. Was aus unserer Sicht eine Art Soap-Opera-Handlung | |
| ist, ist für andere Menschen die Geschichte eines Aufbegehrens und einer | |
| Autonomiewerdung. | |
| Nordkorea löst immer wieder gerade unter Intellektuellen ein gewisses | |
| Interesse aus: Christian Kracht hat über Pjöngjang geschrieben, es gibt | |
| üppige Fotobände, die eine faszinierend seltsame Welt zeigen. Findet sich | |
| davon etwas in den Filmen wieder? | |
| Filme spielen ja grundsätzlich in Kulissen. In gewisser Hinsicht ist | |
| sozialistischer Städtebau auch eine Kulisse. Zwar eine, die man bewohnen | |
| kann, aber letztlich dient sie der Repräsentation von gesellschaftlichen | |
| Zuständen. Das macht Nordkorea besonders interessant für Leute, die sich | |
| für so etwas interessieren. Und natürlich findet man die großen Plätze, | |
| diese kilometerlangen Straßen und Blickachsen, die sich durch die | |
| Plattenbauten ziehen, auch in den Filmen. In den Filmen ist auch zu sehen, | |
| wie sich das Leben dort vollzieht: die beglückten Volksgenossen, die alle | |
| ähnlich gekleidet sind und fröhlich mit der Straßenbahn fahren. Es wird | |
| viel gesungen in diesen Filmen, es wird viel gegessen, es gibt üppig | |
| gedeckte Tische. Das sind alles Merkmale einer Welt, wie sie eigentlich | |
| sein sollte. Da führt das Regime sich die gewünschten Zustände vor. | |
| Zugleich gibt es Berichte über Hungersnöte, über Gefangenenlager, | |
| Hinrichtungen. Kann man da einfach ins nordkoreanische Kino gehen? | |
| Das ist schwierig. Wir zeigen diese Filme, weil wir das können. In unserer | |
| freiheitlichen Ordnung ist das eines unserer Privilegien. Wir als | |
| Kommunales Kino haben die Aufgabe, dieses Angebot zu machen, und unser | |
| Publikum kann immer noch entscheiden, ob es diese Filme sehen will oder | |
| nicht. Folgender Gedanke ist vielleicht ein bisschen naiv, das gebe ich zu, | |
| aber je mehr sich Nordkorea um kulturellen Austausch bemüht und je mehr | |
| dieses Land zulässt, dass wir hineinkommen oder zumindest hineinschauen, | |
| desto mehr muss es sich mit seinen eigenen Problemen auseinandersetzen und | |
| wird diese Kulissenhaftigkeit immer mühsamer aufrecht erhalten können. | |
| Viele nordkoreanische Filme sind Militärfilme ... | |
| Und es ist keine Freude, diese Filme anzuschauen. Deswegen habe ich aus dem | |
| reichhaltigen Angebot nur eine Art Ausbildungsfilm und einen recht | |
| skurrilen Taekwondo-Film genommen. Nordkorea hat ja eine andere | |
| Selbstwahrnehmung: Das Land sieht sich im Krieg, und das ist | |
| völkerrechtlich gesehen nicht unbegründet. Es gibt keinen Friedensvertrag, | |
| es gibt nur eine Atempause in einer immer noch andauernden, militärischen | |
| Auseinandersetzung. Noch dazu ist der Krieg ein ganz wichtiges Moment | |
| insofern, als das Land aus diesem Krieg hervorgegangen ist. Es sind daher | |
| durchweg Filme der Aufopferung, der Bewährung, der Glorifizierung. Der | |
| Krieg bedeutet die Geburt der eigenen Nation. | |
| Es gibt am Eröffnungsabend ein Get-together mit der nordkoreanischen | |
| Delegation. Wie muss man sich das vorstellen? | |
| Wir hatten ein solches Treffen schon vor zwei Jahren. Man trinkt hinterher | |
| noch einen Sekt und redet – die Nordkoreaner der Delegation können alle | |
| Englisch. Beim letzten Mal hatte ich eine Pinwand vorbereitet mit einer Art | |
| Pressespiegel, denn es gab sehr positive Artikel über unser Festival und | |
| auch sehr ablehnende. Unter anderem war da eine Karikatur zu sehen. Das hat | |
| unseren Gästen weniger gefallen. | |
| Was war da zu sehen? | |
| Eine Kim-Jong-Il-Figur zum Selberbasteln. Ich wollte damit deutlich machen, | |
| dass wir keine Jubelveranstaltung machen und dass unsere Wahrnehmung der | |
| nordkoreanischen Filmkunst in einem kontrastreichen Kontext stattfindet. | |
| Damit habe ich unsere Gäste vor den Kopf gestoßen. Das werde ich diesmal | |
| nicht wiederholen, denn das hat keinen fruchtbaren Effekt. | |
| ## Nordkorea-Filmwoche II: 20. bis 25. Februar, Kommunales Kino in der | |
| Pumpe, Kiel | |
| 19 Feb 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Frank Keil | |
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