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# taz.de -- Robert Bücking hört auf: „Eine Art Hochstapler“
> Nach 20 Jahren als „Viertel-Bürgermeister“ will Robert Bücking zum
> Jahresende das Ortsamt Mitte verlassen – und 2015 für die Grünen in die
> Bürgerschaft ziehen.
Bild: Will jetzt Parlamentarier werden: Robert Bücking, scheidender Ortsamtsle…
taz: Herr Bücking, wie ruhig wird Ihr Ruhestand?
Robert Bücking: Es ist eine Zäsur, wenn 20 Jahre als Ortsamtsleiter rum
sind. Ich höre auch auf, damit es möglich ist noch etwas Neues anzufangen.
Man hört, es soll bald Wahlen geben.
Sie wollen für die Bürgerschaft kandidieren?
Ja, das kann ich mir vorstellen.
Was steht vorher noch an?
Beim neuen Hulsbergviertel kommt Ende des Jahres der Bebauungsplan, dann
geht es um die Umsetzung des Innenstadtkonzept, das übrigens ein
Fortschritt ist: Weil die Innenstadt endlich in einem größeren Zusammenhang
mit den umliegenden Stadtteilen gesehen wird, mit 50.000 Anwohnern und
70.000 Arbeitsplätzen. Als Raum, in dem auch neue Akteure wie die Leute vom
Güterbahnhof auf den Plan treten. Mittlerweile hat sich eine Kultur der
Einmischung entwickelt.
Was war vor 20 Jahren anders?
Als ich das Amt übernahm, war ich kreuz unerfahren. Mein Vorgänger, Hacki
Heck, hatte nach sechs Jahren hingeschmissen, weil er die Hoffnung
aufgegeben hatte, dass Beiräte Rechte und Ressourcen bekommen. Er wollte
den Ostertorsteinweg und die Straße Vor dem Steintor zu einer Fußgängerzone
machen. Das scheiterte grandios.
Das Viertel war in den 1990er-Jahren die grün-rote Opposition zum
schwarz-roten Senat.
Die Wahrheit ist, dass du nicht in der Lage bist, einen Stadtteil als
Opposition zu organisieren. Du musst Dich mit CDU-Senatoren konkret
einigen. Man ist zuständig für die Stadt, nicht für Lager.
Wie kamen Sie damit zurecht?
Am Anfang ist man eine Art Hochstapler. Vorher war ich Straßenpolitiker,
habe für den Frieden und gegen Atomkraft demonstriert. Auf einmal hatte
jede Gehwegplatte einen Stapel Paragrafen.
Hat das Amt Sie geschliffen?
Aber hallo! Das ist völlig klar: Es ist ein Rendezvous mit der
Wirklichkeit. Du merkst, wie sehr es einer Anstrengung bedarf, etwas am
Verkehr zu ändern oder Jugendarbeit anders zu organisieren als üblich – bis
sowas wie der Sportgarten entsteht.
Als 68er waren Sie auf der Straße – heute stehen Sie etwa für einen
Business-Improvement-District ein, sind der Gegner derer, die auf die
Straße gehen …
Das ist auch völlig angemessen. Die Straße braucht ein Gegenüber. Dass sich
die 300 Läden im Viertel organisieren, finde ich sinnvoll. Sonst gehen die
unter.
Sie wollen auch die Dealer aus dem Stadtteil vertreiben!
In der Drogenpolitik läuft etwas schief. Aber unser Einfluss reicht von der
Erdbeerbrücke bis zur Oldenburger Straße. So ein Stadtteil fliegt dir um
die Ohren, wenn man mit Drogenhandel fraternisiert.
Muss denn alles domestiziert werden?
Sie wollen von Gentrifizierung sprechen!
Kann ein Ortsamtsleiter dem nicht entgegenwirken?
In den späten 70ern wohnten hier viele Arbeiter aus der Türkei, Jugoslawien
und Portugal. Als wir gegen die Mozarttrasse Erfolg hatten, wurde diese
Häuser alle modernisiert und Stück für Stück an die Mieter verkauft. Die
Migranten konnten oder wollten nicht kaufen. Sie verschwanden nach Hastedt,
Hemelingen oder Gröpelingen. Die Alternativ-Szene machte sich breit,
teilweise mit professoralem Einkommen. Das war der erste große Schub. Wer
will das zurückdrehen? Diesen Stadtteil gäbe es nicht mehr, wenn es nicht
gelungen wäre, die Mozarttrasse zu verhindern.
Und heute?
Häuser und Mieten werden richtig teuer. Aber es schlägt nicht so durch, wie
in Berlin, Köln und Hamburg, weil die Häuser in Einzel-Eigentum sind und
kaum einer verkauft. Die Straßenbahn am Sielwall macht so viel Lärm, dass
wir hier auf Dauer gemischt bleiben.
Teil des Stadtteils ist die starke linke Szene. Was verändert das?
Manchmal legen Leute, mit denen ich mich politisch kaum einigen könnte, den
Finger in die richtige Wunde. Es gibt die Initiative zur Erinnerung an den
Tod von Laye Condé. Kluge Leute, sie wollen ein Denkmal. Ich habe ein
Gespräch mit dem Polizeipräsidenten eingefädelt, der auch sehr respektabel
ist. Dass diese beiden sich hier im Ortsamt gegenüber sitzen, gefällt mir.
11 Mar 2014
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
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