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# taz.de -- Umstrittener Sponsor: Mit der Navy für die Wale
> AWI-Wissenschaftler nehmen Kurs auf Australien. Das dort geplante
> Wal-Ortungs-Projekt könnte ohne Hilfe vom US-Militär nicht stattfinden,
> sagen die Forscher.
Bild: Poetisch: Wale beim Auftauchen.
„Das ist eine Weddelrobbe“, sagt Daniel Zitterbart, Physiker am
Alfred-Wegener-Insitut (AWI) in Bremerhaven. Ihm genügt ein Blick auf das
Spektrogramm der Unterwasser-Geräusche, um die kaum erkennbare Spur auf dem
körnigen Computer-Bild zuordnen zu können. Dabei hat er sich das merkwürdig
pfeifende Geräusch der Robbe noch nicht einmal angehört: „Nach über acht
Jahren kann man irgendwann sogar Graphiken hören.“
Das akustische Observatorium „Palaoa“, das auf dem Ekström-Schelfeis in der
Antarktis seit 2005 Klänge unter dem Eis aufzeichnet, ist mit Hydrophonen
ausgestattet, „die übrigens vom AWI bezahlt wurden.“ Das zu erwähnen, ist
Zitterbart und seinem Kollegen Olaf Boebel wichtig, denn ihr aktuelles
Wal-Ortungs-Projekt steht in der Kritik, vom US-Verteidigungsministerium
finanziert zu werden. Zuletzt warf Matthias Monroy, Mitarbeiter der
Linksfraktion im Bundestag, dem AWI in einem taz-Interview vor, im Auftrag
des US-Militärs auch Unterwasser-Technik des Waffenherstellers Rheinmetall
Defence Electronics zu verwenden.
„Die einzige Technik“, widerspricht Boebel, „die wir unter Wasser
verwenden, sind die Hydrophone. Die Wal-Ortung hingegen findet hoch oben im
Krähennest auf dem Schiffsmast statt“ – allerdings tatsächlich durch ein
Gerät von Rheinmetall Defence Electronics, der 360-Grad-Infrarot-Kamera
„FIRST-Navy“: „Hier wird aber eine bereits vorhandene militärische
Technologie für rein zivile Zwecke genutzt – nicht umgekehrt“, sagt Boebel.
Die Kamera fotografiert fünfmal pro Sekunde den Horizont. Eine am AWI
entwickelte Software sucht auf den thermografischen Bildern nach hellen
Pixeln, die kurze Erwärmungen anzeigen: Wale, die ihren warmen „Blas“ ins
kalte Polarwasser leiten. Dieses automatisierte und auch bei Dunkelheit
funktionierende Ortungssystem hilft, auf Schiffen die extrem
lärmempfindlichen Wale zu erkennen. So können Motoren früh genug gedrosselt
oder störende Messgeräte ausgeschaltet werden.
Ob das System auch bei kleinerem Temperaturunterschied zwischen Wasser und
Blas funktioniert, ist noch fraglich. „Wir werden es im Sommer sechs Wochen
lang in Australien testen“, sagt Zitterbart – finanziert durch das „Marine
Mammal and Biology Program“, das dem US-Verteidigungsministerium
unterstellten „Office of Naval Research“ (ONR). „Das fördert seit einigen
Jahren internationale Walforschungsprojekte“, sagt Boebel.
Ihm ist bewusst, dass ONR an den Ergebnissen interessiert ist, weil auch
Militärboote bei Manöver-Einsätzen Umweltauflagen erfüllen müssen, „aber
wir erbringen keine Leistungen für spezielle militärische Zwecke“. Auch sei
ONR nicht ihr Auftraggeber: „Wir haben dort Geld für unser Projekt
beantragt – und das ist ergebnisoffen und realisiert keine Idee von ONR.“
Andere Geldgeber seien nicht in Sicht gewesen: „Das AWI selbst ist nicht
interessiert, weil es sich auf polare Meeresforschung spezialisiert hat“,
sagt Boebel. „Das Forschungsministerium hat bereits die ersten beiden
Kameras auf unserem Schiff ’Polarstern‘ finanziert – und weder Deutschland
noch die EU haben Interesse an Forschung in subtropischen Gebieten. Wir
hatten die Wahl zwischen dem ONR-Geld oder gar keinem Geld.“
Ein schlechtes Gewissen plagt die Wissenschaftler nicht: „ONR hat einen
großen Anteil in der Grundlagenforschung, zum Beispiel bei Malaria“, sagt
Boebel. Das habe natürlich damit zu tun, dass Soldaten an Malaria
erkrankten, „aber die Ergebnisse helfen allen“. Und so sei das auch mit dem
Wal-Projekt: „Es dient dem Umweltschutz.“
13 Mar 2014
## AUTOREN
Simone Schnase
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