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# taz.de -- Torontos Bürgermeister im Wahlkampf: Allein gegen Nelson Mandela
> Rob Ford drückt den falschen Abstimmungsknopf, seine Gegner sagen: Jeder
> ist besser als er. Doch der Skandal-Politiker strebt die Wiederwahl an.
Bild: Hat angeblich auf den falschen Knopf gedrückt: Rob Ford.
BERLIN taz | Rob Ford mal wieder. Torontos Stadtoberhaupt hat, wie schon so
oft, heftig daneben gegriffen. Am Mittwoch wurde über die Umbenennung einer
Straße in Nelson Mandela Way abgestimmt. Außerdem sollte der Stadtrat für
eine Gratulation an alle kanadischen TeilnehmerInnen der Olympischen und
Paralympischen Winterspiele von Sotschi votieren. Beide Anträge wurden mit
je 40 zu 1 Stimmen angenommen. Das einzige Nein kam beide Male von – Rob
Ford.
Seine Ablehnung begründete er zunächst nicht. Später behauptete er
allerdings, er habe „falsch gewählt“ und [1][beantragte eine Wiederholung
der beiden Abstimmungsvorgänge]. Der Stadtrat verweigerte dies, da zu
diesem Zeitpunkt einige der Ratsmitglieder den Saal bereits wieder
verlassen hatten. Und ein paar seiner KollegInnen bezweifelten sogar offen,
dass Fords Geständnis ehrlich gemeint war.
Stadtrat Josh Matlow sagte gegenüber Journalisten, er nehme es Ford keine
Sekunde ab, dass dieser einen Fehler begangen habe. Fords Votum speise sich
„aus Verachtung, Abscheu und aus Trotz“. Manchmal sei der einzige Grund für
ein Nein von Ford gegen einen Antrag die persönliche Antipathie gegen das
Ratsmitglied, das ihn eingebracht habe. Die beiden besagten Anträge wurden
zusammen mit weiteren Vorlagen zur Abstimmung gestellt, die allesamt gegen
den Willen des Bürgermeisters durchgebracht wurden.
Stadtrat Gord Perks twitterte: „Ein paar von uns sind besorgt, dass sein
Knopf klemmte und er zu schüchtern war, eine Reparatur zu verlangen.“
## „Er raucht nur Hasch – kein Crack“
Humor aus Verzweiflung, könnte man das nennen – über ein Stadtoberhaupt,
das längst zu einer Hauptwitzfigur der Late-Night-Comedyshows im
US-Fernsehen geworden ist und das die Mehrheit der politischen Klasse
Toronto als rufschädigend für ihre Stadt erachtet. Bürgermeisterwahlen sind
erst im Oktober, doch der Wahlkampf läuft schon jetzt. Ford tritt unbeirrt
zur Wiederwahl an. Seine Gegenkandidaten sind aufgestellt und kritisierten
ihn vergangene Woche das erste Mal im Fernsehen scharf. Und am Montag
dekorierte eine Bürgerinitiative die Metropole am Ontario-See mit Plakaten,
die an die WahlbürgerInnen appellierten, um alles in der Welt die
Wiederwahl von Ford zu verhindern.
Dass die Welt weiß, wer auf dem Bürgermeistersessel in Toronto sitzt, dafür
hat die männliche, stiernackige Version der ehemaligen US-Tea-Party-Ikone
Sarah Palin einiges getan: Ford rauchte Crack im besoffenen Zustand und
leugnete dies so lange, bis die Polizei verkündete, im Besitz des Videos zu
sein, das Ford bei dieser Aktivität zeigt. Die Polizei ermittelt gegen
seinen Chauffeur wegen Drogenhandels. Polizisten hatten Ford dabei
fotografiert, wie er seiner Blase hinter einem Schulgelände Erleichterung
verschafft. Angetrunken tauchte er auf Veranstaltungen auf. Im Fernsehen
verbreitet er Banalitäten, in einem weiteren Clip stößt er Morddrohungen
aus, und im Parlament warf er im Eifer des politischen Gefechts eine
Stadträtin zu Boden. Eine Mitarbeiterin des Rathauses soll er sexuell
belästigt haben.
Auf den Plakaten der No-Ford-Nation-Kampagne behauptete deshalb ein
Kandidat namens Jim Tomkins: „Wenn ich in der Öffentlichkeit pisse, werde
ich dabei niemals von Kameras erwischt.“ Unter dem Konterfei von McElroy,
einem weiteren Kandidaten, steht: „Er verspricht, als Bürgermeister nur
Hasch zu rauchen – kein Crack“. Ein Dritter, Ray Faranzi, sagt: „Der
derzeitige Bürgermeister droht damit, Menschen umzubringen, und er betrinkt
sich öffentlich. Werde ich gewählt, werde ich mich nur öffentlich
betrinken“.
Tomkins und McElroy sind nicht die tatsächlichen Widersacher Fords, sondern
nur Fake-Kandidaten. Der übergreifende Slogan der Kampagne lautet: „Alle
sind besser als Rob Ford“. „Wir wollen herausheben, wie lächerlich es ist,
dass Rob Ford mit einem Verhalten davonkommt, dass die meisten Menschen
missbilligen, und er dabei immer noch denkt, er sei die beste Person um
unsere Stadt zu repräsentieren“, meint die No-Ford-Nation-Initatorin
Christina Robbins gegenüber [2][buzzfeed.com].
Die No-Ford-Nation-Kampagne existiert seit 2011. Gab es zunächst nur eine
Facebook-Seite, hat sie nun eine [3][Webseite] geschaltet, auf der die
diversen Behauptungen Fords über seine politischen Leistungen als
Unwahrheiten entlarvt werden. Zudem gibt es Animationsfilme, die mit
Originaltönen aus Fords Pressekonferenzen unterlegt sind. Sie sollen die
Absurdität und Lächerlichkeit seiner Äußerungen deutlich machen – nach dem
Motto: „Wir brauchen einen richtigen Bürgermeister – keine Cartoon-Figur“
Die Plakate und Videoclips wurden im übrigen unentgeltlich von der
kanadischen Werbeagentur [4][Rethink] erstellt. „Die Wahlslogans haben sich
praktisch wie von selbst geschrieben“, sagte Caleb Goodman von Rethink dem
[5][Toronto Star].
## „Die Eine-Milliarde-Dollar-Lüge“
Die No-Ford-Nation-Kampagne spricht sich für keinen bestimmten der echten
Gegenkandidaten Fords aus. Auf ihrer Website werden sie alle
[6][vorgestellt]. Dass einer von ihnen den Bürgermeister im Oktober aus dem
Amt jagen kann, ist aber keine ausgemachte Sache. In der TV-Debatte wischte
Ford Fragen über sein privates Verhalten barsch als Schnee von gestern
beiseite.
Er behauptete, der einzige Garant dafür zu sein, dass das Geld der
Steuerzahler nicht verschwendet werde. Insgesamt habe er eine Milliarde
Dollar retten können. In der konservativen Tageszeitung [7][The Globe and
Mail], die sich in den vergangenen Monaten stark von Ford distanziert
hatte, gab es schon wieder leichte Annäherungsversuche. Ford habe die
selbstgewählte Rolle des Sparkommissars mit Falkenaugen geschickt
ausgefüllt.
Einzig Olivia Chow wurde bescheinigt, eine halbwegs gute Figur gegen Ford
gemacht zu haben. Sie bezichtigte ihn der „Milliarden-Dollar-Lüge“, nachdem
in [8][diversen Medien] vorgerechnet worden war, welch kreativen Umgang
Ford mit Zahlen pflege, um auf seine Positivbilanz zu kommen – inklusive
dem Rausrechnen gestiegener Ausgaben, dem Outsourcing von
Müllabfuhrdiensten, der Erhebung neuer Nutzungsgebühren und Einschnitten in
den Sozialhaushalt. Als einstmals arme Immigrantin aus Hongkong wüsste sie
aber um den Wert des Dollars.
Auch [9][Historiker Paul Cohen] setzt seine Hoffnung auf Chow, die schon
für die sozialdemokratische NDP im Bundesparlament saß und auf eine
Vergangenheit als Graswurzelaktivistin blicken kann. Zudem kenne sie sich
mit öffentlichem Nahverkehr aus – dem entscheidenden Politikfeld im
Großraum Toronto, glaubt Cohen.
## Herzland der Ford Nation
Erst 1998 wurde der Verwaltungseinheit Toronto ein drei Millionen Einwohner
umfassender Gürtel aus Wohnsiedlungen zugeschlagen. Die Pendler aus dieser
suburbanen Weite stehen regelmäßig in den längsten Staus Nordamerikas, um
ihre Arbeitsplätze im Zentrum zu erreichen, weil die boomende Stadt über
ein nur mangelhaft ausgebautes S-Bahn-System verfügt.
Die Vorstadt ist das Herzland jener Ford Nation, zu der Christina Robbins'
Kampagne Nein sagt. Bei seiner Wahl zum Bürgermeister 2010 konnte Rob Ford
die dortigen Auto- und Eigenheimbesitzer mit seiner regierungs- und
gewerkschaftsfeindlichen Rhetorik und der Ankündigung massiver
Steuerkürzungen für sich mobilisieren. Die Liberalen mit ihrer
verschwenderischen Ausgabenpolitik, die angeblich nur innerstädtische
Belange befriedige, wurden zum griffigen Feindbild. Ford versprach,
Fahrradwege abzuschaffen und punktete mit der Parole „Kein Krieg gegen
Autos“.
Man mache es sich in Toronto zu einfach, so Paul Cohen, Rob Ford als
peinliche Abnormalität abzutun. Die Ford Nation würde auch ohne ihren
Namensgeber weiterbestehen, wenn sich nicht ernsthaft damit
auseinandergesetzt werde, was die jahrelang auf nationaler Ebene
propagierte Politik der Steuersenkung und Ausgabenkürzung, eines Rückzugs
des Staates aus seiner Verantwortung für die Infrastruktur im
Ballungsgebiet Torontos angerichtet habe.
Ende März wollten immer noch 33 Prozent der WählerInnen Torontos für Ford
stimmen. Damit konnte er seinen Fünf-Prozent-Rückstand des Vormonats in
einen Ein-Prozent-Vorsprung gegenüber Chow verwandeln. Die Ford-Nation
scheint nach wie vor zu ihrem Frontmann zu halten, mag er auch in jeden
noch so großen Fettnapf treten. Die No-Ford-Nation Kampagne wird womöglich
nicht verhindern können, dass der größte Neinsager von allen weiter am
Drücker bleibt.
4 Apr 2014
## LINKS
[1] http://www.thestar.com/news/city_hall/2014/04/02/rob_ford_casts_lone_vote_a…
[2] http://www.buzzfeed.com/alisonvingiano/a-toronto-non-profit-has-launched-a-…
[3] http://www.nofordnation.com/
[4] http://www.rethinkcanada.com/us/
[5] http://www.thestar.com/news/gta/2014/03/31/eyecatching_election_signs_for_f…
[6] http://www.nofordnation.com/other-candidates/
[7] http://www.theglobeandmail.com/news/toronto/dont-count-out-rob-ford-from-to…
[8] http://www.wondercafe.ca/discussion/politics/rob-ford-did-not-save-toronto-…
[9] http://www.dissentmagazine.org/online_articles/the-passion-of-rob-ford-or-t…
## AUTOREN
Oliver Pohlisch
## TAGS
Toronto
Rob Ford
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Kanada
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