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# taz.de -- Boomender Tourismus: Ohne Sperrstunde und Spinat
> Am Ostkreuz soll bis 2016 eine neue Jugendherberge entstehen: jung,
> modern, zentral. Die Hostelbetreiber sehen die Konkurrenz indes gelassen.
Bild: So schick kann eine Jugendherberge sein.
Groß und erhaben ragt das rote Backsteinhaus in den Himmel. Vom S-Bahnhof
Ostkreuz sind es nur ein paar Schritte bis zum Haupteingang. Früher liefen
hinter den schweren Flügeltüren Gymnasiasten durch weitläufige Gänge.
Später zog die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft ein. Nun wird der
alte Bau eine Herberge für junge Menschen aus aller Welt.
Bis 2016 soll hier die Jugendherberge Berlin-Ostkreuz entstehen. Der
Spatenstich war bereits anfang des Monats, die Bauarbeiten beginnen direkt
nach den Osterfeiertagen. Jünger, moderner, zentraler – mit dem neuen Haus
will das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) endlich sein angestaubtes Image
loswerden und privaten Anbietern Konkurrenz machen. Doch der Schritt nach
vorn kommt reichlich spät.
## 1,2 Millionen Hostel-Gäste
Schon seit Jahren boomt der junge Tourismus in Berlin. 91 Jugendherbergen
und Hostels zählte das Amt für Statistik im Januar 2014. Von den 11,3
Millionen Gästen, die im letzten Jahr in der Stadt übernachteten, kamen
fast 1,2 Millionen in Hostels und Jugendherbergen unter, sieben Prozent
mehr als noch im Vorjahr. Seit 2009 ist die Zahl um 36 Prozent angestiegen.
Den Löwenanteil am Geschäft dürften indes die Hostelübernachtungen
ausmachen – das DJH hat nur drei Häuser mit insgesamt 740 Betten in der
Hauptstadt, alle in den westlichen Bezirken. Die letzte Neueröffnung am
Wannsee liegt über 30 Jahre zurück – zu lang, findet auch Jacob Geditz,
Geschäftsführer der Jugendherberge Berlin Ostkreuz gGmbH.
Bisher seien die Initiativen immer an der Finanzierung gescheitert. Deshalb
wurde für das neue Projekt eine gemeinnützigen Betreibergesellschaft
gegründet, an der insgesamt zehn DJH-Landesverbände beteiligt sind. Über 10
Millionen Euro müssen in das neue Haus investiert werden, bevor es
bezugsfertig ist. „Aus eigener Kraft wäre das nicht möglich gewesen“, sagt
Geditz.
Die neue Jugendherberge soll ein Vorzeigeprojekt für das DJH werden.
Geplant sind 445 Betten, 18 Veranstaltungsräume und eine Aula mit Platz für
180 Personen für Seminare und Weiterbildungsveranstaltungen. Auch ein
Jugendbildungszentrum soll im Haus untergebracht werden. Für Geditz zeigen
die Jugendherbergen damit, wie gut sie sich an neue Gegebenheiten anpassen
können.
Es wird auch Zeit: Gerade in ihrem Ursprungsland haftete dem Anfang des 20.
Jahrhundert entstandenen Konzept Jugendherberge in den letzten Jahren immer
etwas Altbackenes und Erzieherisches an. Jugendherbergen, das waren
Schullandheimaufenthalte, muffige Mehrbettzimmer, Spinat und Pfefferminztee
– Jugendherbergen waren einfach uncool.
Hostels, etwa die deutschlandweite Kette A&O Hostels, entstanden deshalb
ganz bewusst als Gegenentwurf zum Jugendherbergskonzept. „Als wir uns vor
14 Jahren gegründet haben, gab es nur die Jugendherbergen als Konkurrenz“,
sagt A&O-Mitbegründer Oliver Winter. Diese seien jedoch „vom
Service-Gedanken sehr weit weg“ gewesen, „furchtbar verkrustet und
versteinert“.
Statt mit Sperrstunde und Mindestaufenthalten zu gängeln, wollten die A&O
Hostels ihre jungen Besucher als Kunden behandeln und ihnen mehr Freiheiten
geben, sagt Winter. „Was Innovationen angeht, haben wir die Jugendherbergen
lange vor uns hergetrieben.“
Trotzdem ist das DJH bis heute der direkte Konkurrent für die Kette. Beide
Anbieter bedienen dieselbe Klientel: jugendliche Großgruppen. Das neue
Projekt am Ostkreuz entsteht nun in direkter Nachbarschaft zu einem der
A&O-Häuser. „Deshalb schauen wir dort natürlich ganz genau hin“, sagt
Winter.
Neben den Großanbietern gibt es in Berlin auch eine ganze Reihe an kleinen
Hostels. Jörg Schöpfel vom EastSeven Berlin in Prenzlauer Berg empfindet
das neue Haus am Ostkreuz nicht als große Konkurrenz. „Wir verkaufen ein
ganz anderes Produkt als die Jugendherbergen und die großen Ketten“, sagt
Schöpfel. Mit 60 Betten und rund 50.000 Besuchern im Jahr zielt das
EastSeven nicht auf große Gruppen, sondern auf junge Erwachsene, Pärchen
und Backpacker, die individuell reisen wollen. „Wir haben gute Chancen
gegen die großen Anbieter, weil unser Haus eine sehr persönliche Atmosphäre
hat“, sagt Schöpfel. „Das kriegt man mit 1.000 Betten einfach nicht mehr
hin.“
Sorgen macht den kleinen Hostels ein ganz anderer Konkurrent: die vielen
privaten und halblegalen Ferienwohnungen, die es in der Stadt gibt. Allein
im direkten Umfeld des EastSeven kenne er ein gutes Dutzend Wohnhäuser, die
vollständig zu Ferienwohnungen umgewandelt wurden. „Das gräbt natürlich gut
am Markt“, sagt Schöpfel.
Die großen Anbieter können dagegen nicht klagen. „Bisher haben wir in
unseren Häusern eine Auslastung von 80 Prozent“, sagt Geditz. Auch in
Zukunft rechnet er nicht mit einem Einbruch: „Berlin ist nach wie vor ein
wachsender Markt, das zeigen ja die Besucherzahlen.“ In der neuen
Jugendherberge hofft das DJH auf bis zu 100.000 Besucher im Jahr.
Auch Winter glaubt nicht, dass die Stimmung am Markt in nächster Zeit
kippt. In den letzten Jahren seien die Besucherzahlen in Berlin genauso
stark gestiegen wie die zusätzlichen Betten. „Das letzte Jahr war sogar das
beste, das wir in Berlin je hatten“, sagt Winter. 3.500 Betten bietet A&O
schon jetzt in der Stadt an. Die Bezirke Mitte, Prenzlauerberg und
Friedrichshain seien mit Hostels derzeit eher überversorgt.
Mit der neuen Jugendherberge am Ostkreuz zuvor könnte der Wettbewerb um
junge Berlin-Besucher noch härter werden: Erste Entwürfe zeigen ein
elegantes Bistro mit Barbereich, helle, modern eingerichtete Räume und ein
lichtdurchflutetes Foyer. Auch von der Sperrstunde hat sich das DJH
verabschiedet, sagt Geditz. „Bei uns kann jeder kommen und gehen, wann er
will.“
22 Apr 2014
## AUTOREN
Hannah König
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