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# taz.de -- Schauspielerin über Film „Violette“: „Immense Wutausbrüche�…
> In „Violette“ spielt Emmanuelle Devos eine Schriftstellerin, deren Ruhm
> verblasst ist. Ein Gespräch über den Schaffensprozess, Schubladen und
> Simone de Beauvoir.
Bild: Emmanuelle Devos als Violette Leduc (l.) und Sandrine Kiberlain als Simon…
taz: Frau Devos, welchen Stellenwert hat Violette Leduc in Frankreich? Ich
muss zugeben, ich kannte sie vor dem Film nicht.
Emmanuelle Devos: Ich kannte sie auch nicht! Man hat sie als lesbische
Autorin in eine Schublade gesteckt, und das hat dazu geführt, dass sie wohl
vor allem von dieser Seite interessierte Leserinnen bekam. Das ist schade,
da es sie einschränkt: Es gibt etwas sehr Universelles in ihren Texten, und
das hat man mit der Zeit komplett vergessen.
Kann man Leducs Leben von ihrem Werk trennen?
Sie hat sich sehr oft selbst zum Gegenstand genommen – vielleicht auch
durch den Einfluss Simone de Beauvoirs, die ihr geraten hat, auf soziale
Themen einzugehen: auf Themen wie Abtreibung, die Situation der Frau etc.
Ich wollte bei der Vorbereitung des Drehs immer mehr über jene Bücher von
ihr reden, die nicht so berühmt waren wie „Thérèse et Isabelle“ und „D…
Bastardin“, ihre Autobiografien. Die zeigen vor allem die skandalisierte,
homosexuelle Seite ihres Schreibens. Ich halte etwa „Trésors à prendre“ f…
stilistisch ganz außerordentlich, sie schreibt über ihre Liebe zur Natur,
es gibt Referenzen auf die Kunst und französische Literatur.
Auch im Film gewinnt man den Eindruck, dass sie nicht so feministisch war
wie de Beauvoir. Sie denkt nicht wie sie an die Wirkung des Buches in der
Öffentlichkeit. Hat sie sich intuitiver entschieden?
Die Ironie der Geschichte ist tatsächlich, dass Violette die Lage der Frau
oder die Frage der Emanzipation nicht gleichgültiger hätte sein können. Sie
hat kein Ziel verfolgt. Das Einzige, was sie gekümmert hat, war sie selbst,
ihr Leben, ihre Identität, ihre Liebesbeziehungen – darauf eine soziale
Perspektive zu werfen, kam ihr nicht in den Sinn.
Wie haben Sie denn zu ihrer Figur gefunden – mehr durch Leducs Bücher oder
auch durch das Milieu und die Öffentlichkeit der 1960er Jahre?
Ich hatte sehr viel Zeit, und vieles habe ich gemeinsam mit dem Regisseur
Martin Provost entwickelt. Zuerst habe ich Leduc mit seinen Augen gesehen,
er verstand sie als eine Art Vorwort, durch das man auf den eigentlichen
Prozess des Schreibens blicken konnte. Das Schreiben selbst war der
wichtigste Aspekt des Films. Ich habe ihre Bücher und Briefe gelesen, am
Ende ihres Lebens gab sie auch eine ganze Reihe von Interviews. Das machte
es möglich, eine klare Vorstellung von dem zu gewinnen, was sie als Frau
definierte. Doch ich hatte auch Zeit, das alles zu verdauen und eine eigene
Figur zu schaffen: Ich nannte sie mit Martin „unsere eigene Violette“. Wir
haben sie wohl weniger exzentrisch gemacht, weniger hysterisch, als sie im
wirklichen Leben war. Sie hatte diese immensen Wutausbrüche, die im Film
nur eingeschränkt vorkommen.
Aus welchem Grund kamen Sie denn zu dieser Konzentration aufs Schreiben?
Wir wollten keinen Kostümfilm machen, die ganze Frage der Ausstattung war
nicht so wichtig. Für Martin Provost ging es vor allem um das
Schöpferische, den literarischen Schaffensprozesses. Warum hat jemand
überhaupt den Drang zu schreiben? Natürlich gibt es den historischen
Hintergrund, die 1940er und 50er Jahre. Doch das war mehr Hintergrund und
Kontext.
Aber versteht man die kämpferische Position von Leduc, wenn man sie aus
ihrer Zeit herauslöst? Es ist schwer vorstellbar, dass es heute noch
jemanden wie sie gibt, der so authentisch über Begehren, Wut und Einsamkeit
schreibt.
Ja und nein. Ich bin mir nicht so sicher. Sie hat sich ja nicht darüber
beschwert, eine Frau in den 1940er oder 50er Jahren zu sein, sondern über
ihre Hässlichkeit. Das ließ sie leiden. Wenn sie heute schreiben würde,
fände sie vielleicht eine genuin zeitgenössische Form, dies auszudrücken.
Damals war es das Schreiben, vielleicht würde es heute in einem anderen
Medium passieren. Sie hat sich sehr für andere Ausdrucksformen, etwa für
Jazz, interessiert. Vielleicht irre ich mich, aber ich habe das Gefühl,
dass ihr Kampf ungemein modern war. Sie hat es tatsächlich geschafft, sich
selbst Geltung zu verschaffen, Eindruck zu machen. Natürlich haben ihr auch
Leute geholfen, aber sie hat diese ja schon zuvor beeindruckt. Diese
Modernität hätte sich auch heutzutage auf die eine oder andere Weise
durchgesetzt.
Simone de Beauvoir hat ihr erst ermöglicht, frei zu arbeiten. Leduc wollte
allerdings mehr als eine Arbeitsbeziehung – diese Ambivalenz zeigt der Film
besonders gut.
Der Film erzählt von den beiden Lieben ihres Lebens. Mit ihrer Mutter
verband sie eine verzehrende, äußerst destruktive Beziehung. Erst die
Bekanntschaft mit de Beauvoir hat ihr geholfen, ins Leben zurückzufinden.
Durch diese hat sie sich neu erfinden können, sich schätzen gelernt. De
Beauvoir war clever genug, sie nicht zurück zu lieben. Das wäre eine
Katastrophe gewesen. So konnte sie sich selbst wiederherstellen. Es war
eine Liebe, die sich auf das Idol ausrichtete, und so musste sie auch
bleiben: ein Ideal, unwirklich. Aber auch de Beauvoir war, wie mir
versichert wurde, diese Begegnung mit Leduc ungemein wichtig.
Was Ihre Karriere anbelangt, ist vor allem die Begegnung mit Regisseur
Arnaud Desplechin entscheidend. Können Sie ein wenig über die Besonderheit
dieser langen Zusammenarbeit erzählen?
Es hat gar nicht so viel mit der Person zu tun. Ich traue mich eigentlich
gar nicht darüber zu reden. Wir haben gemeinsam angefangen, es gab dieses
geteilte, stille Verständnis füreinander. Es funktioniert einfach sehr gut.
Es ist eine dieser Liebesgeschichten rund um Film. Ich kann nur sagen, dass
ich auf diese Arbeiten besonders stolz bin.
26 Jun 2014
## AUTOREN
Dominik Kamalzadeh
## TAGS
Simone de Beauvoir
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