# taz.de -- Wenn ein Präsident gehen muss: Auf der Suche nach dem Besseren | |
> Der Aufsichtsrat des FC St. Pauli wechselt den erfolgreichen | |
> Vereinspräsidenten Stefan Orth aus. Das macht Sinn und ist riskant. | |
Bild: Hat gut lachen: Präsidentschaftskandidat Oke Göttlich | |
HAMBURG taz | Warum nur? Warum wechselt der Aufsichtsrat des FC St. Pauli | |
einen Präsidenten aus, dem er selbst eine erfolgreiche Amtszeit | |
bescheinigt? Die Nachricht, dass Stefan Orth seinen Sessel für den | |
Hamburger Medienunternehmer Oke Göttlich räumen soll, löste in den Medien | |
vergangene Woche Irritationen aus – reflexhaft war von Krise und Machtkampf | |
die Rede. Doch darum geht es nicht. | |
Der Aufsichtsrat hat die Aufgabe, den Vereinsmitgliedern den aus seiner | |
Sicht besten Kandidaten für das Präsidentenamt vorzuschlagen, das im | |
November turnusmässig zur Wahl steht. Seit Februar haben sich die Räte mit | |
dieser Personalie intensiv beschäftigt, auch Orth war stets informiert und | |
einer von drei Kandidaten. | |
Am Ende entschied das Gremium einstimmig einen guten durch einen aus seiner | |
Sicht noch besseren Präsidenten ersetzen. „Jedes Präsidium hat seine Zeit�… | |
sagt Aufsichtsrat Marcus Schulz, der Orth als „Sechser“, der im Spiel für | |
solide Aufbauarbeit steht, charakterisiert. Nun aber werde ein „Zehner“, | |
ein kreativer Spielgestalter gesucht, der auch mal "einen rein macht". | |
Als zentrale Herausforderung der kommenden Jahre hat der Aufsichtsrat | |
ausgemacht, dem FC St. Pauli ein „einmaliges Profil zwischen Vermarktung | |
und Identität“ zu verleihen. In einem Umfeld, in dem Profiabteilungen aus | |
Vereinen ausgegliedert und Clubs als Marketingabteilungen großer Konzerne | |
gehalten werden, bedürfe es einer klaren Strategie, den „etwas anderen | |
Verein“ neu zu positionieren und trotz aller Professionalität die Ideale, | |
die die aktive Fanszene auf St. Pauli etabliert hat, zu beleben. Diese | |
strategische Kompetenz sieht der Rat bei Göttlich, bei Orth sieht er sie so | |
nicht. | |
Für Orth ist seine Demission „nicht nachvollziehbar“ und genau damit | |
offenbart er einen Grund, warum der Rat sich gegen ihn entschied. Orth | |
versteht nicht, warum seine Erfolge der Vergangenheit – die Sanierung des | |
Clubs, Stadionneubau und Modernisierung des Jugendleistungszentrums – dem | |
Rat als Empfehlungsschreiben für die Zukunft nicht ausreichen. Er begreift | |
nicht den Unterschied zwischen erfolgreichem Tagesgeschäft und dem nun | |
geforderten zukunftsweisenden Denken. | |
Stefan Orth, das ist vor allem der nette Herr Orth. Nach der divenhaften | |
Rampensau Corny Littmann, der den Club vor dem Untergang bewahrte, tat | |
diesem ein schwächerer Präsident gut. Denn die wichtigen Fäden zogen Orths | |
Vizes Bernd-Georg Spies, Gernot Stenger und Tjark Woydt. Doch Spies und | |
Woydt standen aus unterschiedlichen Gründen ohnehin nicht für eine weitere | |
Amtszeit zur Verfügung. | |
Nun wird ein Leader gesucht, der zugleich Teamplayer ist. Göttlich trauen | |
die Räte das zu: Er gilt als gut vernetzt, führungsstark, innovativ und | |
kommunikativ. Der 38-jährige Ex-taz-Redakteur ist seit Jahren im Club | |
verankert, ackerte ehrenamtlich, ohne je ins Rampenlicht zu drängen. Als | |
Gründer einer Firma, die erfolgreich kleinen Plattenlabels den Weg zum | |
digitalen Markt öffnet, kennt er sich mit Nischen in einem von großen | |
Playern beherrschten Markt aus. All das macht ihn für den Aufsichtsrat zum | |
idealen Kandidaten. | |
Doch Göttlich wird es schwer haben, der Druck ist immens, gerade weil er | |
einen Präsidenten beerbt, der als erfolgreich gilt. Nun muss er es noch | |
besser machen und kann sich Fehler kaum erlauben. MARCO CARINI | |
6 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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