# taz.de -- Der Lohn des Patriotismus: Wie Deutschland seine Fans behandelt | |
> Da reist man extra an, um der Nationalmannschaft zuzujubeln. Und der | |
> Dank? Stundenlang miese Unterhaltung und Langeweile. | |
Bild: Es gibt keine Trenngitter, alles ist so eng. | |
Ein Leserbrief von Joachim Lamm, der mit seiner Tochter auszog, um den | |
Weltmeister zu empfangen. | |
02:00 Uhr Nacht – aufstehen. Zweifel, wozu ist das eigentlich gut. 586 km, | |
einfache Strecke, Weltmeisterempfang, eine Übernachtung und ab zurück. | |
QUATSCH – sagt die Vernunft; LOS JETZT – schreit das Gefühl. Scheiß auf | |
Fernsehen – live dabei. | |
03:00 Uhr – Abfahrt. | |
04:00 Uhr – Stöpsel im Ohr, es läuft gut. Hauptsache wir kommen gut durch. | |
Das Töchterchen schläft, alles im Lack – bloß kein Stau. | |
05:00 Uhr – Tanken. Der Öko in mir meldet sich, kriegt Magenschmerzen, der | |
Fußball-Fan schreit „Ole, Ole ...“ und sowas wie „Carpe Diem“. Recht h… | |
er. Darauf weiß der Vegetarier nichts zu erwidern. | |
06:00 Uhr – Höhe Magedburg, Verkehrsfunk. Keine Meldungen, kein Verkehr auf | |
der Bahn, geil. | |
## Wahnsinn, Vorfreude | |
06:30 Uhr – Radio an; Tochter ist wach. Hiobsbotschaft – die Mannschaft ist | |
mit mindestens zweistündiger Verspätung gestartet. Irgendein Vollpfosten | |
hat den Siegerflieger mit dem Gepäckwagen gerammt. Holy shit. Der Vater in | |
mir kriegt Magenschmerzen. 11 Uhr sollte das ursprünglich starten, es wird | |
warm, voll und laut werden. Hält meine 15-Jährige das durch? Ökö und | |
Fußballfan schweigen. Der Vater entscheidet: Scheiß drauf, gehen kann man | |
immer noch. | |
07:15 Uhr – Kuhdamm. Das lief ja wie geschmiert. 500.000 Menschen und kein | |
Stau. Wahnsinn, Vorfreude. | |
07:30 Uhr – Parkplatz. Ohne Parkschein geht gar nichts. Alles Kleingeld in | |
die Uhr, 15 Euro, Scheiß drauf. Trikots an, Schminke ins Gesicht, Kamera | |
und Wasser eingepackt. Jetzt gilt es einen guten Platz zu kriegen. | |
Menschenmassen auf den Straßen, wir reihen uns ein. | |
## Wasser verboten | |
Einlasskontrollen – Wasser darf nicht mit rein. Auch gut, austrinken, | |
wegschmeißen, weiter. | |
08:06 – Standplatz gefunden. Hier geht jedenfalls nichts mehr weiter nach | |
vorn. 80 Meter vor der Bühne – cool. Aber jetzt schon so voll und warm - | |
meldet sich der Vater in mir. Halts Maul ruft der Fußballfan, guck dich um, | |
Hammer. | |
09:00 Uhr – Bühnenprogramm. Sollte doch um 08:00 Uhr starten. Außer einem | |
offensichtlich nicht oder höchstens schlecht vorbereiteten | |
Freizeitmoderator vom „Hitradio Berlin“ ist nichts zu sehen. Musik läuft, | |
Werbung auf den Videoleinwänden. Die Stimmung ist gut, es wird enger. | |
Der Moderator probt mit uns – häh ?? Wir sollen jubeln und schreien, wenn | |
Trainer, Mannschaft und Stab erscheinen. Danke für die Info. Der blutleere | |
Moderator selbst stellt uns den Jogi dar, Kevin Burani ist ein | |
Tontechniker, Mukke läuft parallel vom Band – ok, aber schon irgendwie | |
komisch. Wo zur Hölle ist das Programm?! | |
## Endlich ein bisschen Unterhaltung | |
Immerhin ist Helene live für uns da, wenn auch tonschwach trällert sie | |
„Atemlos“ von der Bühne. Die Menge freut sich. Wenigstens ein bisschen | |
Unterhaltung, [1][zwischen Cola- und Adidas-Werbespots] und der | |
multimedialen Selbstbeweihräucherung der Stadt Berlin, deren Clip dauernd | |
zeigt, was die beim Sport alles auf die Beine stellen. Gähn. Nur nicht hier | |
und heute oder was? | |
09:30 Uhr – Langeweile. Mr. Hitradio weiß wieder zu berichten, dass der | |
Flieger noch in der Luft ist. Zwischen Berlin und Brasilien liegen ja nicht | |
so viele Flugstunden. Da weiß man, wo man dran ist. Weniger Information als | |
man sich gewünscht hätte. | |
09:45 Uhr – Höhner. Langsam wird es echt übel warm hier. Ein bisschen Musik | |
mit Partycharakter, endlich mal live von der Bühne, lenkt echt ab – danke!! | |
Der Moment verweilt nur kurz. Nach einem Song gehen auch die „Höhner“ | |
lieber wieder in den Schatten. Die Fans bleiben ratlos zurück. Wir stehen | |
jetzt Schulter an Schulter, die Sonne scheint ungefiltert, zum Glück noch | |
nicht mit voller Kraft. | |
## Ich will ein Kind von Dir! | |
10:00 Uhr – Highlight. Herr 106.4 Shitradio meldet sich mit guten | |
Neuigkeiten. Der Siegerflieger im Landeanflug!! Geil. Mindestens einen | |
absoluten Weltmeister haben wir. Den Piloten. Ich liebe ihn – ich will ein | |
Kind von ihm. Nach meiner Schätzung hat er locker die Hälfte der Verspätung | |
wieder rausgefolgen. Mit Abstand die beste Leistung am heutigen Tage!! | |
10:07 Uhr – Gänsehaut. Das sind die Momente, für die wir gekommen sind. Der | |
Flieger nicht nur auf der Leinwand. Alle Köpfe drehen und das dicke dicke | |
Ding erscheint live über den Bäumen des Tierparks, direkt über uns!! Ich | |
fass´ es nicht – Landeanflug über der Fanmeile und wir sind live dabei. | |
Hammer. Die Fans jubelnd, am Anschlag. Was das Programm nicht hergibt, das | |
machen wir uns selbst. So sehen Sieger aus, schalalalala. Hitze, | |
schmerzende Füße und Durst sind für den Moment vergessen. | |
## Warum zeigt niemand die geilsten WM-Tore auf der Leinwand? | |
10:30 Uhr – Langeweile hoch 2. Die Zeit vergeht schleppend. Die Mannschaft | |
können wir immerhin auf der Leinwand verfolgen. Ablenkung wird sonst nicht | |
geboten. Keine Wasser-Bälle im Publikum, die man hochwerfen könnte, keine | |
Kleinkünstler auf der Bühne, keine Jongleure, keine Bands ... nichts. | |
Hatten wir nicht WM? Stehen hier nicht Großbildleinwände, auf denen man die | |
geilsten Szenen, Tore und Momente noch mal zeigen und feiern könnte? | |
Ratlosigkeit. | |
10:38 Uhr – Nicht der schon wieder. Der selbsternannte Moderator müht sich | |
gelegentlich, nervt aber nur. Haben wir ein Tor gegen Brasilien geschossen | |
– "Nein", antwortet der Mob. Haben wir zwei Tore gegen Brasilien geschossen | |
... . Hält der uns für blöde? Zum Glück lässt er ein paar Tore aus. Haben | |
wir einen Stern, haben wir zwei Sterne ...?? Meine 15-jährige Tochter | |
schaut mich ratlos an, zuckt mit den Schultern, sagt irgendwas von | |
Kindergeburtstagsniveau. Stimmt. Aber der Vater in mir weiß – auf jedem | |
Geburtstag hätten wir für die Art Vorbereitung von den Kids Kloppe | |
gekriegt. Und womit? Mit Recht! | |
## Niemand sagt uns, wie lange es noch dauert | |
Ich glaub es nicht – er lässt nicht locker. Ist Italien Weltmeister ... ist | |
Frankreich Weltmeister ... uns ist die Beantwortung dieser Fragen keine | |
Energie mehr wert – aber er zieht es durch. Armselig. | |
10:45 Uhr – Durst. Aus den schrecklichen Love-Parade-Erinnerungen heraus | |
haben wir uns einen Platz nahe einem Ausgang ausgesucht. 10 Meter – das | |
geht und beruhigt den Vater. Der Ökö ist schon lange beleidigt und | |
schweigt. Der Fußballfan hat noch Restemotionen. Bier oder Wasser wäre eher | |
die Frage, die der Fan in mir stellt. Es siegt die Vorbildfunktion – kein | |
Bier vor vier. Der Durst bleibt. | |
Der Moderator dagegen bleibt Geheimnisträger. Er allein weiß, wo das | |
Programm ist, wo der Mannschafts-Bus steht, wieviele Kilometer der noch zu | |
fahren hat bis er bei uns ist. Infos – bitte, bitte. | |
## Wir Fans wären für ein wenig Freude sooo dankbar | |
Keiner weiß, warum es in der Hauptstadt der Kultur und der Kleinkunst, der | |
Undercover- und Independen-Rockszene keine einzige Band oder Künstler auf | |
die Bühne schafft. Die Technik ist doch da. Hunderte hätten sich die Finger | |
danach geleckt, hier einen Spontangig oder Auftritt abzuliefern. Wir Fans | |
wären für ein wenig Freude so soooo dankbar. | |
10:52 Uhr – Wolke. Wolke = Schatten = Super. Die Fans raffen sich wieder | |
auf und singen. „Eh super Wolke, wir singen eh super Wolke, eh ....“ Regen | |
wäre schön, oder die Feuerwehr, die mal mit dem Sprühschlauch in die Menge | |
hält und die Gemüter kühlt. | |
## Pöbeleien auf dem Weg zum Getränkestand | |
In greifbarer Nähe lockt der Getränkestand. Ich schicke meine Kurze. Hatte | |
mir fest vorgenommen auf jeden Fall immer bei ihr zu bleiben. Aber einer | |
muss den hart erkämpften Platz verteidigen. 10 Meter – das schafft sie. Ins | |
Hotel zum Fernseher kommt für sie nicht in Frage. Mein Angebot steht – ich | |
bin nicht mehr sicher, ob das gut ist, was wir hier machen. Sie soll | |
Wasserflaschen holen und sich dann im Schatten ausruhen. Die pralle Sonne | |
und der permanente Körperkontakt, fühlt sich an wie 35 Grad plus. | |
Sonnenbrille und Sonnencreme natürlich im Auto vergessen - shit, ich bin | |
ein mieser Vater. Schuldgefühle. Ahoi - Sonnenbrand in Sicht. | |
11:00 Uhr – Langeweile und Hitze, heiße Phase. Der Bus irgendwo im Umkreis | |
um das Brandenburger Tor. 3,5 Stunden und es wird immer noch enger. Ich | |
hätte nicht gedacht, dass das noch möglich ist. Wer zum Getränkestand durch | |
will, muss jetzt mit Pöbeleien rechnen. Die Stimmung kippt, die ersten | |
können nicht mehr stehen. Sitzen geht nicht bei dem Gedränge. Meine Kurze | |
ist wieder da. Wasser, ahhh ... | |
## Es gibt keine Trenngitter, alles ist so eng | |
Ich höre es krachen, mehrfach. Irgendein Idiot hat scheinbar doch sein Hirn | |
daheim gelassen und dafür Böller mitgebracht. Echte Sorgen. Ein paar Böller | |
in die Menge und wir haben hier eine Panik. Keine Trenngitter, alles ist so | |
eng, ich bin nicht sicher, ob wir selbst die 10 Meter zum Ausgang schnell | |
genug schaffen. Steckt die Scheiß-Böller wieder weg, bitte bitte bitte ... | |
Was soll das. Es passiert nichts mehr, um die Menge abzulenken. Man sieht | |
den Party-Bus stehen, inmitten feiernder Massen. Man kriegt keine Info wo | |
oder wie lange es noch dauert. Es ist so heiß, der Hitradio-Mann ist so | |
schlecht. Ein weiterer selbstloser und ungeeigneter Versuch uns | |
aufzumuntern (ich will eure Hände sehen, erst die linke ...). Ist aber kaum | |
möglich die Hand zu heben, ohne Zoff mit dem Nebenmann zu kriegen. Caro | |
lehnt sich an, sitzen geht nicht, kein Schatten, wer durch will muss bitten | |
und betteln. Erste Rufer skandieren, dass der Radiomann die Schnauze halten | |
soll. Das wäre auf jeden Fall immer noch besser als diese unterirdisch | |
miese Moderation. | |
## Wasser ist alle: Es gibt nur noch Bier zu kaufen | |
11:11 Uhr – Karnevalszeit (geraten). Noch ´ne Probe. Ich fasse es nicht. | |
„So gehen die Deutschen“ sollen wir machen - machen nach Auffassung von Mr. | |
Plaudertasche aber wohl nicht richtig mit. Er entblödet sich und fordert | |
uns auf, uns kollektiv nach vorn zu beugen. Kühle Getränke und Schatten | |
schaden ihm scheinbar ... der Kerl ist von der Wirklichkeit entfremdet. Ein | |
Blick hätte locker gereicht, außer Stehen geht hier nichts – aber auch gar | |
nichts, nicht übertrieben. | |
Es gibt seit mindestens 20 Minuten nur noch Bier. Ich kann es nicht | |
glauben, das kann doch nur ein Scherz sein. Weltmetropole Berlin – ich bin | |
erschüttert. Das kann nur ein Engpass sein, der Zugang zum einzigen | |
erreichbaren Getränkestand ist ja frei. Nachschub ist bestimmt auf dem Weg | |
– denkste. Bis zum Schluss gibt es nur noch Bier. Coole Nummer, Bier in | |
ausgelaugte Menschen zu zwingen. Für mich ginge das vielleicht noch – aber | |
was soll ich meiner Kurzen geben. Wasser sparen ist angesagt. Scheiße. Ich | |
trete Caro den Rest von meinem Wasser ab. Durchhalten. | |
## Feiern wollten wir, aber keiner hilft uns | |
Der Bus steht – schon wieder. In Reichweite der Fanmeile zwar, aber er | |
steht. Caro guckt mutlos. Ich weiß nicht was ich ihr sagen soll. So kurz | |
vor dem Ziel aufgeben – geht nicht. Wir lächeln uns an – alles wird gut. | |
Der kleine Junge mit dem Down-Syndrom vor uns fängt an zu weinen. Das hier | |
war sicher sein großer Traum, jetzt wohl nicht mehr. Ich hoffe das er | |
durchhält. Kopf hoch Kleiner. | |
DJ Bobo bringt seinen Oldie „Einen Stern“ und schafft danach sogar noch das | |
Intro von "Hey Baby" – auch das wird dankbar angenommen. Feiern wollten wir | |
– aber keiner hilft uns. Schade. | |
## Niemand schafft es, mehr als ein Lied zu singen | |
Wir haben hier seit Wochen die geilste Technik stehen, Weltstars auf der | |
Bühne die bei Konzerten zigtausende begeistern und niemand schafft es, mehr | |
als ein Lied für diese großartigen Fans zu singen. Enttäuschung. | |
11:30 Uhr – Auftritt eines hirnlosen Kameramanns. Drängelt sich durch und | |
bleibt mit seiner riesigen Schulterkamera 3 m vor uns stehen. Der Blick auf | |
die Leinwand ist damit fast unmöglich, selbst für mich. Von Caro mal ganz | |
abgesehen. Es kommt zu Brüllereien. Der Mann mit dem Technikklumpen wird | |
höchst unfreundlich aufgefordert sich zu schleichen. Zwei Typen sind so | |
aufgebracht, dass ich jeden Moment mit einer Pöhlerei rechne. Der Hansel | |
hat zum Glück rechtzeitig das Weite gesucht. Das wäre nicht gut gegangen. | |
## Der Moderator behandelt uns wie grenzdebile Kleinkinder | |
11:40 Uhr – der Bus ist da. Endlich. Die Mannschaft hinter dem Tor, Kevin | |
auf der Bühne – jetzt muss doch was gehen. Die Menge skandiert ARD, ARD, | |
ARD – Hauptsache der Kerl aus dem Radio hört auf uns wie grenzdebile | |
Kleinkinder zu behandeln. | |
12:15 Uhr – Wo? Wo sind sie? Die Leinwand offenbar den Schnittchenempfang, | |
den Eintrag ins goldene Buch. Man erahnt, dass Poldi auf dem Balkon | |
Schnittchen nimmt, freundlich winkt, ein Plausch mit Wowi. Alles streng | |
nach Ablaufplan. Scheinbar hat niemand dem Jogi und seinen Jungs gesteckt, | |
dass hinter dem Brandenburger Tor ca. 400.009 Menschen seit Stunden wartend | |
in Mittagshitze stehen, ohne Wasser und Schnittchen. Ich kann es nicht | |
glauben. Unterschriften wären doch auch später gegangen. Idioten. | |
## Wir woll'n die Mannschaft sehen! | |
12:30 Uhr – Pinkelpause. Der Mann von dem Radiosender den ich in meinem | |
ganzen Leben niemals mehr freiwillig anhören werde, verkündet, dass die | |
Mannschaft noch pinkeln muss. Mutloses Gelächter um mich rum – aber es | |
kommt noch schlimmer. Mr. Radiogelaber erklärt, dass es den Weltmeistern | |
egal ist, wenn von den Fans jetzt noch einer pinkeln gehen muss ... Nicht | |
zu unterbieten, unbeschreiblich. | |
12:45 Uhr geschätzt. Kevin singt – die Masse zückt die Handys – die | |
Mannschaft ist nicht zu sehen, jedenfalls nicht auf der Bühne. Die ARD hat | |
übernommen – glaube ich, sicher bin ich mir nicht. Ist mir auch scheißegal, | |
Weltmeister auf die Bühne – aber schnell jetzt. Die Belastungsgrenze ist | |
erreicht. Im Kernreaktor heißt „kritische Masse“. Von den gefühlten | |
Temperaturen her passt der Vergleich. Noch ein blutleeres Interview mit | |
Kevin, ob er sein Lied toll findet oder so. Man kann es nicht hören. Die | |
Menge buht, skandiert „Wir woll'n die Mannschaft sehen, wir woll'n die | |
Mannschaft sehen ...“ Ernüchterung: ARD ist genauso schlecht wie Radio. | |
Holt diese Gestalten von der Bühne und lasst uns endlich mit der Mannschaft | |
feiern. | |
## Die Kamera verstellt den Blick | |
Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels, letzte Kraftreserven werden | |
mobilisiert. Gleich kommt die Mannschaft ... Deutschland, Deutschland, | |
Deutschland ... auch die Masse um mich 'rum beruhigt sich wieder, | |
fokussiert. | |
Unfassbar: Der Auslegearm von der Teleskomkamera wird voll ausgefahren, | |
quer über die wartende Masse hinweg. Das kann doch nicht deren Ernst sein. | |
Der Arm versperrt den Blick auf die Leinwand immer wieder. Gott ist das | |
schlecht. Wir schreien „Kamera weg, Kamera weg“ und werden nicht erhört. | |
Peinlich, unnötig. | |
12:50 ENDLICH – es fehlt die Kraft richtig zu jubeln, aber wir geben | |
nochmal alles. Wir begrüßen mit maximalem Gejohle den Trainer und seinen | |
Stab, das Interview von Jogi ist kaum zu verstehen. „Wir sind alle | |
Weltmeister“ – unser Stichwort. JAAAAAA. Dann kommt sie; die Mannschaft ist | |
endlich da, wird uns häppchenweise, geordnet nach Wohngemeinschaften in der | |
WM-Unterkunft präsentiert. | |
## Warum hat niemand etwas vorbereitet? | |
Es gibt Grund zu jubeln – aber nur über die Spieler. Hätten wir Tomaten und | |
Eier, dann wäre die ARD jetzt nicht mehr auf der Bühne. Was für schwache | |
Interviews. Sechs Wochen WM, Highlights, unvergessliche Momente und Bilder, | |
nach denen man fragen könnte, die man auf der Leinwand hätte zeigen und | |
feiern können ... nichts. Die Spieler machen auf der Bühne mehr her als die | |
Moderatoren. Spätestens seit dem Brasilien-Spiel war doch klar, dass eine | |
gute Chance auf den Titel besteht ... warum hat sich niemand auf diesen | |
geilen Moment vorbereitet? Unverständnis. | |
13:20 HUMBA, DÖNER RAUS, SO GEHEN DIE GAUCHOS. Egal, auch wenn das Niveau | |
flach ist – ihr seid so geil Jungs. Wir machen alles mit, jubeln, singen, | |
begleiten die Spieler bei ihren Faxen. Caro, der Vater, der Fußballfan – | |
und auch der Öko - haben Spaß. So soll das sein, gebt uns Brot und Spiele. | |
Mehr braucht es gar nicht. Lasst und feiern – endlich. Oooooooooooh – hey, | |
hey, hey ... und wir haben den Pokal halleluja ... | |
## Keine Kraft mehr | |
13:30 Helen trällert nochmal, ist inzwischen auch egal. Zu jedem anderen | |
Zeitpunkt hätte die Menge bei dem Song getobt und mitgegrölt. Jetzt sind | |
wir nur noch „Atem- und Eniergielos“, alle die dort stehen – da bin ich | |
sicher. | |
Eine Sammlung geiler Momente ... und dann ist es auch schon vorbei. 13:42 | |
Uhr sagt mein Handydisplay, die Mannschaft ist kaum noch vorhanden, letzte | |
Fotos von Basti und Helene auf der Bühne. Der Eispeer hält uns noch ein | |
paar Mal die Copa vor die Nase, dann ist Schluss. Eine knappe Stunde – | |
immerhin. | |
Normalerweise wäre jetzt sicher Mucke, Party, Tanzen und Feiern auf der | |
Meile angesagt – aber das Volk zerstreut sich schnell. Keine Kraft mehr. | |
Sitzen, Schatten und Wasser ist es, was wir jetzt brauchen. | |
## Die Organisatoren spielen in der Kreisliga | |
Auf jeden Fall hat Deutschland die großartigsten Fans, die diese | |
erstaunlich schlecht organisierte Party bis zum Ende so friedlich und mit | |
extremster Geduld begleitet und unseren Jungs den Empfang bereitet haben, | |
den sie verdienen. Unvergessliche Erinnerungen, Gänsehaut. | |
Wir Fans sind Weltmeister und die Spieler und Jogi und sein Stab, die | |
Techniker und ihre Technik, die Menschen, die die Fanmeile überhaupt erst | |
ermöglicht haben – Wahnsinn, was hier aufgebaut ist und war und auf die | |
Beine gestellt wurde. Aber die Organisatoren und Moderatoren dieses | |
Empfangs spielen Kreisliga, um den Abstieg – höchstens. | |
Warum zum Henker ist nicht einmal unsere Nationalhymne gespielt worden. Ein | |
Chor aus einer halben Million Menschen. Das wär's gewesen. Magic Moment pur | |
– leider ausgefallen, wie so vieles. | |
Aber selbst die schlechteste Vorbereitung kann diese Momente nicht mehr | |
löschen. Live dabei, Caro& ich – Hammer!! In zwei Jahren kommen wir wieder | |
und hoffen, dass die Veranstalter was gelernt haben. | |
Wenn ihr Hilfe und Ideen brauchen solltet – ruft mich an! | |
22 Jul 2014 | |
## LINKS | |
[1] /Weltmeister-Party-in-Berlin/!142470 | |
## AUTOREN | |
Joachim Lamm | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |