# taz.de -- Intelligente Schadenswarnung: Kluge Brücken sind teuer | |
> Schleswig-Holstein testet an Brücken Sensoren, die Schäden erkennen und | |
> Reparaturen erleichtern sollen. | |
Bild: Mahnendes Beispiel: löchrige Betonträger der Rader Hochbrücke | |
KIEL taz | Der Minister steht in einer orangefarbenen Warnweste auf dem | |
Seitenstreifen einer Brücke. Um ihn drängen sich Fernsehteams und | |
Fotografen, in wenigen Metern Abstand dröhnt der Verkehr vorbei – keine | |
neue Situation für den SPD-Politiker Reinhard Meyer, der im | |
schleswig-holsteinischen Kabinett für Verkehr zuständig ist. Vor einem Jahr | |
musste Meyer nach einem solchen Ortstermin auf der Rader Hochbrücke | |
bekanntgeben, dass das Bauwerk über dem Nord-Ostsee-Kanal gefährlich morsch | |
ist. Die folgende Teilsperrung und die Dauerstaus wirkten wie ein | |
Wecksignal: Seither trommelt Schleswig-Holsteins Regierung, allen voran | |
Ministerpräsident Torsten Albig (SPD), für mehr Geld, um die | |
Verkehrsinfrastruktur zu erhalten. | |
Nun hat Verkehrsminister Meyer einen erfreulicheren Ortstermin. Er lässt | |
sich in Bad Segeberg ein Modellprojekt vorstellen, das künftig helfen | |
könnte, Brückenschäden schneller zu erkennen, und damit Reparaturen | |
erleichtert. Das in Lübeck entwickelte Verfahren misst mit Sensoren den | |
Zustand der Bauwerke. Ungeklärt ist, ob die Länder oder der Bund den | |
möglichen Einbau und den Betrieb der Sensoren zahlen müssen. | |
Schleswig-Holsteins erste intelligente Brücke steht in Bad Segeberg an der | |
Kreuzung zweier Bundesstraßen. Die Wahl fiel auf diese Brücke, weil die | |
Betonkonstruktion leicht zugänglich sei, sagt Carsten Horstmann von Roch | |
Services, eine der am Projekt beteiligten Firmen. Auch im Inneren müssten | |
die Techniker nicht klettern, um ihre Messgeräte zu erreichen. | |
Teils außen sichtbar, teils im Inneren der Brücke versteckt hängen die | |
Sensoren. Sie messen die Größe eines Risses, den Neigungswinkel eines | |
Pfeilers oder die Schwingungen, wenn schwere Laster über die Brücke rollen. | |
Die Daten werden drahtlos an ein Übertragungsgerät gesendet und dann im | |
Internet veröffentlicht – natürlich gesichert, sagt Carsten Buschmann von | |
Coalesenses. | |
Die Firma ist eine Ausgründung der Universität Lübeck, die das | |
Modellprojekt begleitet. Finanziert wird die zweijährige Testphase von der | |
Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST), die 440.000 Euro investiert hat. Zu | |
Ehren des Geldgebers nennt sich das Projekt „iBAST“. Wenn der Pilotversuch | |
im August beendet ist, geht die Arbeit für Buschmann und Horstmann weiter. | |
Zum Jahresende könnte das Konzept der klugen Brücke marktreif sein. | |
Dann kommt die Politik ins Spiel: Ob bundesweit Brücken mit den Sensoren | |
aus Lübeck ausgestattet werden, hängt davon ab, ob sich die | |
Verantwortlichen in den Ländern und dem Bund – der für die wichtigsten und | |
am stärksten befahrenen Straßen zuständig ist – vom Konzept überzeugen | |
lassen. Auch wer Geld gibt, ist noch unklar. „Bei neuen Brücken lässt sich | |
die Technik gleich einbauen – dann wäre es Sache des Bundes“, sagt | |
Verkehrsminister Meyer. | |
Aber die Wartung des Bestandes ist Ländersache, auch wenn der Bund die | |
Kosten für seine Straßen trägt. Meyer sieht auf jeden Fall Vorteile: „Wir | |
haben mit der Technik vielleicht schon in absehbarer Zeit die Chance, durch | |
Früherkennung den Reparaturaufwand und damit Stauzeiten drastisch zu | |
senken.“ | |
Zurzeit werden Brücken alle drei Jahre geprüft, alle sechs Jahre findet | |
eine Hauptuntersuchung statt. Die Instrumente: „Hammer, Zollstock, gucken“, | |
beschreibt Horstmann. Anders als diese Momentaufnahmen erlaubt die | |
Sensortechnik, die Brücke dauernd zu beobachten. Sogar einzelne | |
Erschütterungen, etwa durch einen Schwertransport, ließen sich im | |
Extremfall verfolgen – wobei es nicht möglich sei, jedes einzelne Fahrzeug | |
zu verfolgen, sagt Horstmann. | |
Die Kosten für diese neue Technik pro Brücke ließen sich schwer beziffern. | |
„Jede ist anders, an jeder wird etwas anderes gemessen“, so Buschmann. | |
Daher würden die Prüfingenieure weiterhin gebraucht, um Schwachstellen zu | |
finden. | |
Die Rader Hochbrücke wäre also durch die Sensoren nicht klüger geworden: | |
Dort klafften tiefe Löcher in massiv geglaubten Betonträgern. Der Pfusch | |
wurde bei Arbeiten an den Pfeilern entdeckt. | |
23 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Esther Geisslinger | |
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