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# taz.de -- Ebola-Hysterie erreicht Norddeutschland: Die neue Angst vorm schwar…
> Die Angst vor Ebola ruft rassistische Ressentiments wach und führt zu
> Attacken gegen hilfsbereiten Arzt.
Bild: Im neuen Hochsicherheitslabor in Hannover soll Klarheit über Ebola gesch…
HAMBURG/AURICH taz |Die Sonderbehandlung kam überraschend. Kaum hatte David
M. die Praxis eines Hamburger Allgemeinmediziners betreten und über
Symptome geklagt, die typisch für eine Magen- und Darmgrippe sind, rief die
Sprechstundenhilfe ihren Chef. Der kam Sekunden später ins Wartezimmer,
verweigerte M. den Handschlag und führte ihn in einen separaten Raum, wo er
ihn erst einmal verhörte.
„Ich hatte zunächst keine Ahnung, was das sollte“, erinnert David M. sich.
Erst nach weiteren Fragen, die sich um etwaige Auslandsaufenthalte und
Verwandtenbesuche drehten, verstand der 27-jährige Student: Es ging um
Ebola. Dass der gebürtige Hamburger erst ausgefragt und dann behandelt
wurde, schreibt er einer augenfälligen Äußerlichkeit zu: „Wäre meine
Hautfarbe weiß und nicht schwarz, wäre mir das sicher nicht passiert“, sagt
M.
Mit der taz will der Hamburger Mediziner nicht über den Vorfall reden. Auf
die Frage, wer solche Eingangskontrollen angeordnet habe, lässt der Arzt
nur ausrichten: „Das darf ich Ihnen nicht sagen.“
Verhöre in Arztpraxen, wie David M. es erlebte, sind kein Einzelfall. „Wir
bekommen derzeit öfter solche Rückmeldungen“, sagt der Sprecher der
Hamburger Gesundheitsbehörde, Rico Schmid. „Es gibt da eine sehr große
Sensibilität und manche Ärzte überdrehen ein wenig.“ Schmid warnt zwar
davor, durch „hautfarbenabhängige Verdachtsäußerungen bestimmte Gruppen von
Menschen zu stigmatisieren“. Er sagt aber auch: „Lieber eine Kontrolle zu
viel, als eine zu wenig.“
Schmid hat allerdings kein Verständnis dafür, dass der Arzt von David M.
nicht sagen will, woher er seine Handlungsanweisung nimmt und verweist auf
einen Leitfaden des Hamburger Robert-Koch-Instituts für den Umgang mit
Ebola-Verdachtsfällen. „Der sieht genau das vor, was der Allgemeinmediziner
getan hat“, sagt Schmid: keinen Händedruck, ein Einzelzimmer und viele
Fragen.
Obwohl es in Norddeutschland noch immer keinen ernstzunehmenden
Verdachtsfall gegeben hat, ist die Ebola-Panik auch hier angekommen und sie
trifft vor allem schwarze Menschen. „In der Bahn setzen sich die Menschen
möglichst weit von mir weg“, sagt etwa der Deutsch-Ghanaer Isaah E., der in
Hamburg lebt. „Auch sonst machen immer mehr Menschen einen großen Bogen um
mich.“ Dieses Verhalten resultiere vor allem aus Unwissenheit, sagte
Behördensprecher Schmid: „Ebola verbreitet sich aber nicht durch die Luft,
sondern nur durch direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten Infizierter,
deren Krankheitssymptome bereits offen zutage treten.“
Doch nicht nur schwarze Menschen haben mit Ebola-bedingten Ressentiments zu
tun. Zuletzt attackierte der Auricher SPD-Kreistagsabgeordnete Helmut Roß
in den Ostfriesischen Nachrichten den Auricher Amtsarzt Eimo Heeren, der
vier Wochen für die Hilfsorganisation Cap Anamur in Sierra Leone war.
Heeren betreute während seines Urlaubs Ebola-Patienten in Freetown.
Unverantwortlich, findet Roß. Heeren, der das Auricher Gesundheitsamt
leitet, könne nicht die „mit der Pest vergleichbare Seuche“ nach
Ostfriesland einschleppen und anschließend wieder das „publikumsträchtige
Gesundheitsamt“ leiten, sagte Roß den Ostfriesischen Nachrichten. Für die
taz war er nicht zu sprechen.
Der parteilose Kreisrat des Landkreises Aurich, Frank Puchert, nannte diese
öffentlich formulierte Kritik an seinem Kollegen völlig unangemessen und
befremdlich. „Es ist eine aberwitzige Unterstellung, dass ein Amtsarzt, der
seit Jahren medizinische Hilfe in Drittweltländern leistet, gegenüber
seinen Mitmenschen so gewissenlos handelt“, sagte Puchert. Es sei aber
legitim, Fragen zu stellen, doch schütze nur die Ebola-Bekämpfung vor Ort
vor der Ausbreitung nach Deutschland. „Es bleibt natürlich ein Restrisiko“,
sagte er.
Laut Bernd Göken, Projektkoordinator bei Cap Anamur, werde Eimo Heeren wie
alle freiwilligen Helfer nach seiner Rückkehr am heutigen Donnerstag 21
Tage den Kontakt zu Fremden meiden: „Bereits vor seinem Abflug nach Sierra
Leone stand fest, dass er die Inkubationszeit bei Verwandten in
Nordrhein-Westfalen verbringen wird.“
Der Kreistagsabgeordnete Roß muss also nicht weiter um Aurich bangen.
5 Nov 2014
## AUTOREN
Theresa Glöde
Marco Carini
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