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# taz.de -- Comeback der Schallplatte: „Heintje ist voll nach hinten losgegan…
> Christoph Wohlfarth ist Chocolatier. In seiner Manufaktur in Prenzlauer
> Berg stellt er auch Schokoladen-Schallplatten her. Die sind
> selbstverständlich abspielbar.
Bild: Bis zu sieben Mal kann man eine Schoko-Platte abspielen. Trude Herrs "Ich…
taz: Herr Wohlfarth, sind Sie ein Plattenfreak?
Christoph Wohlfarth: Ne, gar nicht. Ich hatte zwar ganz früher auch mal
eine Anlage mit Plattenspieler und Kassettenteil, bin dann aber doch
schnell auf CD umgestiegen, weil ich nur ein System haben wollte.
Wie kamen Sie auf die Idee der Schokoladen-Schallplatten?
Ich habe vor etlichen Jahren mal in Wien an einem Wettbewerb für
Chocolatiers teilgenommen, bei dem wir Schaustücke herstellten. Bei einem
Tablettabdruck, in dem lauter Rillen waren, dachte ich spontan: Das sieht
ja aus wie eine Schallplatte. Damals wusste ich gar nicht, dass es Platten
aus Schokolade schon lange gab. Das erzählte mir erst ein Kollege im
Schokoladengeschäft, in dem ich damals angestellt war. Ich habe dann ein
bisschen rumexperimentiert und in der Zeit auch den eigentlichen Erfinder
der Schokoladen-Schallplatte getroffen.
Wer ist das?
Das ist Peter Lardong, aus Berlin. Zwar hatten sich auch schon der
Schallplattenerfinder Thomas Edison und der Schokoladenfabrikant Ludwig
Stollwerck Anfang des 20. Jahrhunderts daran versucht, aber erst Herr
Lardong hat es in den 80er Jahren richtig geschafft. Und er hatte damit
offenbar Riesenerfolg, trat sogar in Fernsehshows auf. Ich hatte das nie
mitbekommen, aber er hat es mir selbst erzählt. Neulich war er mal bei mir
im Laden. Demnächst werde ich vielleicht sogar mit ihm zusammenarbeiten.
Es gibt ja seit Jahren einen Comeback-Hype um die Vinylschallplatte. Wirkt
sich das bis zu Ihnen aus?
Ich weiß nicht, ob das eine Rolle spielt. Schokolade ist ein sehr
saisonales Geschäft, gerade vor Weihnachten haben wir sehr viel zu tun.
Deshalb sind von den 13 Platten, die wir im Angebot haben, vier
Weihnachtslieder.
Wie viele Schokoladenplatten verkaufen Sie im Jahr?
Keine Riesenmengen. Insgesamt maximal dreistellig, aber auch nur dann, wenn
Firmen ein paar mehr ordern. Wir haben zum Beispiel für die Plattenfirma
Universal eine Sonderauflage zum Record Store hergestellt. Das war eine
Platte der Hamburger HipHop-Band Deine Freunde.
Welches sind Ihre Verkaufshits im Laden?
Natürlich von Trude Herr „Ich will keine Schokolade“, auch „Mein kleiner
grüner Kaktus“ von den Comedian Harmonists oder „Mister Sandman“ von The
Chordettes.
Entspricht das auch Ihrem Musikgeschmack?
Mein Musikgeschmack umfasst eine Menge, von Dubstep bis zur Volksmusik.
Sehr wichtig ist für mich aber eine gewisse Harmonie in der Musik. Sie darf
nicht zu verfrickelt sein.
Deshalb haben Sie auch Heintje mit „Mama“ im Angebot?
Ne, das war als Muttertagpräsent gedacht, deshalb auch die Herzform. Aber
das ist voll nach hinten gegangen, vielleicht hätte man da noch eine rote
Schleife drum machen müssen und so. So funktioniert es leider nicht
richtig. Heintje ist der Flop. Aber wie gesagt, ich steh auch nicht auf
Heintje, im Gegensatz zum Beispiel zu den Comedian Harmonists. Ich bin ein
großer A-cappella-Fan, wobei A-cappella ja keine Musikrichtung in dem Sinne
ist, mal abgesehen vom Barbershop.
Was ist das?
Das bezeichnet einen Musikstil, der im 19. Jahrhundert in den
amerikanischen Friseursalons entstand. Da wurden die Kunden von den
Barbieren beim Warten mit Gesang unterhalten, und bei dem ist das
Arrangement genau vorgegeben. Ansonsten ist A-cappella ja Singen ohne
Instrumentalbegleitung und da gibt’s heute stilistisch ja alles bis hin zu
Techno.
A-cappella-Techno?
Dabei wird zum Beispiel die Stimme verfremdet, dass sie wie eine E-Gitarre
klingt.
Auf einer Schokosingle haben Sie das aber nicht?
Nein, aber ich habe von der Berliner A-cappella-Gruppe Klangbezirk eine
Jazzversion von „Kling Glöckchen“. Die Gruppe hat auch selbst ein paar
Platten davon für sich gekauft. Privatpersonen bestellen seltener ein
spezielles Lied, das sie als Schokoplatte in der Regel verschenken wollen.
Apropos. Wie lange halten die Schokoplatten?
Fünf bis sieben Mal kann man sie problemlos abspielen, wenn man sie vorher
im Kühlschrank lagert und richtig abspielt. Dazu braucht man nur einen
Plattenspieler, bei dem man das Gewicht des Tonarms einstellen kann. Damit
die Nadel nicht zu schwer aufliegt. Der Nadel selbst schadet das nicht, die
kann man mit einer Bürste wieder reinigen. Allerdings werden unsere Platten
sowieso nicht allzu oft abgespielt, sondern alsbald gegessen oder
aufgehoben. Aber viele Leute sind tatsächlich immer wieder erstaunt, dass
das Abspielen überhaupt funktioniert.
Und der Klang?
Hören wir mal. (Herr Wohlfarth legt „Mister Sandman“ auf.)
Klingt gut, kaum Knacken und Knistern.
Ja, das ist eher ein kleines Rauschen …
Aus welcher Schokolade besteht die Schallplatte denn?
Aus 70-prozentigem Kakao. Natürlich nehmen wir keinen Industriekakao,
sondern fair gehandeltem Kakao aus Südamerika. Der Kakaobutteranteil sorgt
für die nötige Festigkeit. Dunkle Schokolade eignet sich besser als weiße,
weil die schneller weich wird, aber die ginge auch.
Würde die anders klingen?
Im Akustiklabor kann man bestimmt Unterschiede hören, aber marginal.
23 Dec 2014
## AUTOREN
Gunnar Leue
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