# taz.de -- Klage gegen Flüchtlingsheim: Das Heim und die feinen Leute | |
> Aus Sorge um den Wert ihrer Immobilien wollen zwei Anwohner im gut | |
> betuchten Charlottenburg gegen ein geplantes Flüchtlingsheim klagen. | |
Bild: Container wie in Köpenick? Nicht in Charlottenburg | |
Wieder einmal machen Anwohner gegen eine geplante Berliner | |
Flüchtlingsunterkunft mobil, diesmal aber nicht in den Plattenbauvierteln | |
von Hellersdorf oder Marzahn, sondern im gut betuchten Charlottenburg. | |
Allerdings stehen in der schmucken Villenkolonie Westend keine schmutzigen | |
Protestmärsche an. Wer es sich leisten kann, der klagt gegen die | |
Unterbringung von AsylbewerberInnen in einem leer stehenden | |
Psychiatriegebäude der Charité in der Eschenallee. So zumindest die | |
Vorstellung zweier Anwohner, die in den vergangenen Wochen einen Brief an | |
die Nachbarschaft verteilten. In dem Schreiben vom 30. Januar, das der taz | |
vorliegt, warnen sie vor „sozialen Spannungen“ und „einer erheblichen | |
Abwertung unserer Wohngegend und somit zu einer Schädigung von | |
Vermögenswerten“. Die Verfasser, ein führender Mitarbeiter eines deutschen | |
Technologiekonzerns und ein Mediziner, bitten die NachbarInnen, sich an | |
einer Klage gegen das Wohnheim finanziell zu beteiligen und glauben an eine | |
gute Chance vor Gericht. Sie berufen sich dabei auf den Fall eines | |
Flüchtlingsheims im Hamburger Villenviertel Harvestehude. Dortige | |
AnwohnerInnen hatten erreicht, den Einzug der Flüchtlinge in eine ehemalige | |
Bundeswehrbehörde einstweilig zu stoppen. Das Hamburger Verwaltungsgericht | |
ließ ihre Klage zu, mit der Begründung, die Anwohner könnten einen | |
Gebietserhaltungsanspruch geltend machen. Das dortige Wohngebiet sei | |
„besonders geschützt“. | |
Im Fall des geplanten Heims im Berliner Westend dürfte eine solche | |
Argumentation ins Leere laufen. Der Charlottenburger Bezirksstadtrat Mark | |
Schulte (SPD) erklärt: „Die Villengegend genießt keinen besonderen Schutz�… | |
die Unterbringung von Flüchtlingen in der ehemaligen Klinik sei | |
„planungsrechtlich erlaubnisfähig“. Zudem zeigen zwei gescheiterte Klagen | |
gegen Flüchtlingsheime in Köpenick im Dezember, dass die Unterbringung von | |
AsylbewerberInnen in Berliner Wohngebieten zumutbar ist. | |
Juristisch stehen die Chancen schlecht für die Gegner, aber was denken die | |
anderen Anwohner so? Bei einer spontanen Umfrage unter Spaziergängern stößt | |
man zunächst auf Verständnis für das Heim: „Wo sollten die Menschen denn | |
auch sonst hin?“, sagt eine Spaziergängerin aus dem Viertel um die | |
Eschenallee. Angesprochen auf das Klagevorhaben schüttelt sie | |
verständnislos den Kopf: „Die sind doch bescheuert.“ Sie erinnert an einen | |
ähnlichen Protest in der Soorstraße, einige Straßen weiter, wo sich der | |
anfängliche Protest gegen das Asylheim nach der Eröffnung im Mai 2013 auch | |
bald wieder beruhigt habe. Angst vor sozialen Spannungen? Die habe sie | |
ebenso wenig wie alle ihre Bekannten von hier. Ganz im Gegenteil stehen für | |
die Anwohnerin pragmatische Gründe im Vordergrund: „Die Klinik steht noch | |
nicht lange leer, sie ist sicher gut mit sanitären Einrichtungen versehen.“ | |
Ein etwa 60-jähriger Passant, graue Jacke, grauer Bürstenhaarschnitt, sieht | |
das anders. „Nichts gegen die Flüchtlinge, aber jetzt ist langsam genug.“ | |
Wo die vielen Asylsuchenden bleiben sollen? „Die sollen bleiben, wo sie | |
sind.“ | |
Aus dem Haus gegenüber der künftigen Flüchtlingsunterkunft, einem | |
Terrassenbau aus den Siebzigerjahren, tritt ein Rentner in brauner Cordhose | |
und gediegener Steppjacke. Er sei zwiegespalten in der Frage um das Heim, | |
sagt er. „Die Flüchtlinge können ja durchaus feine Leute sein. Wenn die | |
sich fein betragen, habe ich nichts dagegen.“ Das Argument der beiden | |
Nachbarn, die Immobilien würden durch die Unterkunft an Wert verlieren, | |
findet er „geschmacklos“. Dennoch leugnet er nicht, die Mehrheit der | |
Bewohner in seinem Wohnhaus sei „gar nicht angetan von dem geplanten Heim | |
gegenüber“. | |
Sowohl das für Flüchtlinge zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales | |
(Lageso) als auch der Bezirk wollen das Heim eröffnen – und suchen derzeit | |
noch nach einem Betreiber. Voraussichtlich noch im Februar sollen hier | |
zunächst 300, später bis zu 500 Menschen einziehen. Lageso und Bezirk | |
wollen bei den Anwohnern mit einer Informationsveranstaltung für Vertrauen | |
sorgen. Die beiden Anwohner, die vor Gericht ziehen wollen, nahmen bisher | |
auf Anfrage keine Stellung zu ihrem Vorhaben. | |
17 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Tobias Krone | |
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