# taz.de -- Ökonomische Krise in Griechenland: Haste mal 'ne Million? | |
> Die griechische Regierung pumpt Behörden und öffentliche Unternehmen an: | |
> Sie sollen vorübergehend Finanzreserven überweisen. | |
Bild: Ein verwaistes Nationalbankgebäude in Athen. | |
ATHEN taz | Schon vor der Europawahl 2004 hatten so manche Politiker der | |
Linkspartei Syriza angedeutet: Wenn es mit den Staatsfinanzen eng wird, | |
dann könnte eine künftige Linksregierung auf eine Art Zwangsanleihe | |
zurückgreifen. | |
Nun wird es offenbar ernst: Per Dekret fordert die Regierung alle Behörden | |
und öffentlichen Einrichtungen – bis auf die Sozialversicherungskassen – | |
auf, ihre Reserven vorübergehend auf ein Sonderkonto der griechischen | |
Zentralbank zu überweisen. Das betrifft selbst Universitäten und | |
Stadtbibliotheken. Die Empörung war so groß, dass der stellvertretende | |
Finanzminister Dimitris Mardas doch etwas zurückruderte: Auf das Konto | |
würden nur die Gelder überwiesen, die nicht bereits für konkrete | |
Ausgabeposten vorgesehen sind. | |
Die Suche nach dem Geld ist längst nicht vorbei: Der griechischen Regierung | |
fehlen derzeit rund 2,5 Milliarden Euro, um ihre künftigen Verpflichtungen | |
gegenüber den Geldgebern, Bediensteten und Rentnern zu erfüllen. „Mein Ziel | |
ist 2,5 Milliarden (Euro), um alle Verpflichtungen im Mai zu sichern“, | |
sagte der stellvertretende griechische Finanzminister Dimitris Mardas am | |
Mittwoch im griechischen Rundfunk. Athen hat nach seiner Darstellung kein | |
Finanzierungsproblem mehr für den laufenden Monat – doch für den Mai fehlt | |
noch Geld. | |
Derweil mahnt die EU Griechenland bei den Gesprächen mit seinen Gläubigern | |
zu mehr Tempo. „Wenn man die angespannte Liquiditätslage Griechenlands | |
sieht, hat Athen allen Grund, die Verhandlungen und seine Reformagenda | |
voranzutreiben“, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis | |
Dombrovskis, am Donnerstag. Die Euro-Finanzminister erörtern den | |
Schuldenstreit am Freitag im lettischen Riga. | |
## Notgesetz aus dem Jahr 1950 | |
Aus der Schatzkiste, in die jetzt Behörden und öffentliche Einrichtungen | |
einzuzahlen aufgefordert sind, sollen nun erst mal Ende April Löhne und | |
Renten im öffentlichen Dienst bezahlt werden. Dafür braucht die Regierung | |
des Ministerpräsidenten Alexis Tsipras knapp 2 Milliarden Euro. Weitere 400 | |
Millionen sind für Zinszahlungen an die internationalen Geldgeber fällig. | |
Selbstverständlich handle es sich bei der Abgabe nicht um ein Geschenk, | |
sondern um ein Darlehen an die Zentralregierung, das voraussichtlich nach | |
zwei Monaten mit 2,5 Prozent zurückgezahlt würde, heißt es. | |
Die Opposition läuft Sturm gegen die Abgabe. Kostas Bakogiannis etwa, | |
Gouverneur der Region Zentralgriechenland, kündigte eine Beschwerde beim | |
Obersten Gerichtshof an. Zahlreiche Städte und Regionalverwaltungen | |
verweigerten zunächst die Abgabe. Befremdlich erscheint vor allem, dass die | |
Regierung auf ein Notgesetz aus dem Jahr 1950 zurückgreift, um den Erlass | |
zu legitimieren. | |
Gewiss: Solche Tricks nutzte auch die Vorgängerregierung des | |
Konservativen-Chefs Antonis Samaras, um Sparmaßnahmen in Rekordzeit | |
durchzusetzen – dafür wurde sie aber von der damaligen Linksopposition | |
heftig angegriffen. Ein neues Ethos im Parlament hatte Syriza damals | |
versprochen; neue Gesetze würden nach einem Linksruck in Griechenland im | |
demokratischen Diskurs besprochen werden. Davon will Regierungssprecher | |
Gavriil Sakellaridis wohl nichts mehr wissen: Ohne diese Gelder wären die | |
Staatskassen einfach leer, erklärte er mit entwaffnender Offenheit. | |
Immerhin eine gute Nachricht: Nach Angaben des stellvertretenden | |
Finanzministers Dimitris Mardas sind die Einnahmen im März um eine | |
Milliarde Euro höher ausgefallen als ursprünglich erwartet. Im April habe | |
sich dieser Trend aber entgegen seinen Erwartungen nicht mehr fortgesetzt, | |
sagte Mardas. | |
23 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Jannis Papadimitriou | |
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