# taz.de -- Hilft die Filmförderung den Falschen? | |
> KINO Seit Donnerstag läuft die Berlinale. Neben kleinen Filmen sind auch | |
> internationale Großproduktionen dabei, die teils aus deutschen | |
> Fördertöpfen finanziert wurden. Die Vergabe der Gelder ist umstritten | |
## JA | |
Leander Haußmann, 50, Regisseur von Filmen wie „Sonnenallee“, „Herr | |
Lehmann“ und „NVA“ | |
Natürlich ist die Filmförderung auf oft sehr unterschiedliche Weise | |
ungerecht. Der Mensch als solcher ist ungerecht. Die Förderungen werden nun | |
mal von Menschen vergeben, und Menschen sind subjektiv. Immer. Aber auch | |
die, die Förderungen beantragen, sind sehr von ihrem eigenen Wert befangen. | |
Kriegst du keine oder zu wenig Förderung, sind die Förderer | |
selbstverständlich doof. Ein Geförderter wiederum sieht das anders. Wobei | |
ein Geförderter morgen wieder kein Geförderter sein kann und damit auch | |
seine Meinung eine andere sein wird. Gerechtigkeit ist was für Weicheier. | |
Filmleute müssen lernen, ihre Arbeiten verständlich, unterhaltsam und | |
nachvollziehbar zu machen, man kann es oder kann es nicht. Gott, die Natur | |
oder was auch immer hat es dem einen gegeben und dem anderen nicht, ist das | |
gerecht? | |
Gerechtigkeit, im Übrigen, sieht ja für jeden anders aus. Bei mir zum | |
Beispiel. Nach sechs nicht immer ganz erfolglosen Filmen, mit fünfzig | |
Lebensjahren, halte ich es für gerecht, dass man mir den Vorzug vor | |
jüngeren, unerfahrenen Regisseuren gibt oder zumindest doch mehr Geld. | |
Jüngere, unerfahrene Regisseure sehen das sicher radikal anders, in etwa | |
so: „Weg mit den alten Säcken!“ | |
Leider sind die Filmförderungen viel zu sehr um Gerechtigkeit bemüht. Sie | |
bekennen sich nicht zu ihrer Subjektivität, sondern leugnen diese. Oft | |
flüchten sie sich in unsinnige Erfolgsprognosen und hängen sich sehr weit | |
aus dem Fenster, anstatt zu sagen: „Ich liebe dieses oder jenes Projekt,das | |
muss gemacht werden.“ Transparenz wäre anstrebenswert. Denn ein Drehbuch | |
macht sehr viel Arbeit und verbraucht einiges an Lebenszeit. Daher wäre es | |
nicht nur eine Geste, in den Begründungen, vor allem der Ablehnungen, etwas | |
fachlicher oder detaillierter zu sein. Die Tendenz, Filme nach vor allem | |
ökonomischen und wirtschaftlichen Aspekten zu fördern, halte ich für | |
bedenklich. Wir fördern ja nicht nur den Erfolg, sondern auch das | |
Scheitern. Ein bisschen mehr Streit mit Mut zur Polemik würde ich mir | |
wünschen. Unsachlich und laut sollte er geführt werden. Das würde Spaß | |
machen, wenn endlich die Kollegen ihre Masken fallen lassen und die | |
Uneinigkeit, die ja permanent herrscht, endlich öffentlich ausgetragen | |
würde, kompromisslos und hart. Denn bei Geld hört ja bekanntlich die | |
Freundschaft auf. | |
PS: Es wäre natürlich gerecht, wenn Brandenburg endlich mein neues | |
Filmprojekt „Hotel Lux“ fördern würde. | |
Lizzie Gillett, 31, Produzentin des Dokudramas „Age of stupid“, finanziert | |
über Einzelspenden | |
Obwohl Filmemacher Geld aus allen erdenklichen Quellen brauchen, halte ich | |
staatliche Filmförderung grundsätzlich für schlecht. Das Geld ist an | |
Bedingungen geknüpft, und das kann leicht dazu führen, dass der | |
sanktionierende Blick die Botschaft in den Filmen verfälscht. Für unseren | |
Film haben wir fast eine Million Pfund von 300 Einzelspendern | |
zusammengetragen, denen das Thema wichtig ist. Er wäre nicht realisiert | |
worden, wenn wir umständlich versucht hätten, Regierungsgelder zu bekommen. | |
Das Thema wäre sicherlich auch ein anderes gewesen, wenn der Staat – oder | |
sonst jemand – die Kontrolle gehabt hätte. Warum sollte der Staat darüber | |
bestimmen, welche Filme gemacht werden. | |
Klaus Lemke, 69, Regisseur von etwa 40 Filmen, beantragt aus Überzeugung | |
keine Filmförderung mehr | |
Seitdem der deutsche Film in den 70er-Jahren auf Klassenfahrt hängen | |
geblieben ist, wird jede Filmförderung aus Steuermitteln unweigerlich im | |
Massengrab allerbester Absichten enden. Ändern könnte das nur ein | |
gewaltsamer Ausbruch aus dem Gefängnis der Filmförderung, wozu deutsche | |
Regisseure nicht in der Lage sind. Das Potenzial reicht bestenfalls zu | |
Kirchentagsfilmen mit diesem elendigen homöopathischen Blick auf die | |
Menschen. Meine Fünfzig-Euro-Filme werden in hundert Jahren noch glänzen, | |
wenn der Rest dieses ganzen Industrieschrotts längst verrottet ist. | |
## NEIN | |
Claudia Roth, 54, ist Bundesvorsitzende der Grünen und in ihrer Partei für | |
Filmpolitik zuständig | |
Die Filmförderung ist unverzichtbar, muss aber reformiert werden. No- und | |
Low-Budget-Projekte können spannend und innovativ sein. Doch Mini-Etats | |
bringen auch große Einschränkungen mit sich. Die allermeisten | |
FilmemacherInnen sind auf Mittel der Filmförderung angewiesen. Wir brauchen | |
mehr Kreative in den Förderinstitutionen, zum Beispiel einen Präsidiumssitz | |
für Kreative in der Filmförderanstalt des Bundes (FFA) – unverständlich, | |
dass Minister Neumann sich hier immer noch sträubt. Unverständlich auch, | |
warum ein amerikanischer Rennfahrerfilm wie „Speed Racer“ neun Millionen | |
Euro aus dem Topf des Deutschen Filmförderfonds erhält. Die kulturellen | |
Vergabekriterien sind hier offensichtlich mangelhaft. Wir sollten die FFA | |
auch im Konflikt mit großen Kinobetreibern verteidigen. Es darf nicht zu | |
einer Marktbereinigung im Sinne des Hollywood-Mainstreams kommen. Gerade | |
kleine und anspruchsvolle Kinos brauchen eine Chance – auch das gehört zur | |
Filmförderung. Mehr Einfluss für Kreative, Vorrang für Qualität, Schutz der | |
Kinoinfrastrukur in der Fläche – darauf kommt es jetzt an! | |
Christine Berg ist seit drei Jahren Projektleiterin beim Deutschen | |
Filmförderfonds (DFFF) | |
Nein, Filmförderung ist weder ungerecht noch trifft sie oft den Falschen! | |
Sie ist eine verlässliche finanzielle Stütze der Produzenten und | |
gewährleistet die Vielfalt des deutschen Films – der ein ganz wesentlicher | |
Bestandteil unserer Kultur ist. Natürlich, die aus den verschiedensten | |
Disziplinen der Filmwirtschaft stammenden Experten in den Kommissionen der | |
Filmförderungen sind auch nicht unfehlbar. Dennoch ist es ein | |
weitverbreiteter Irrglaube, dass von der Filmförderung nur die großen | |
Produktionen, bekannten Regisseure und namhaften Studios profitieren. Gute | |
Produkte finden immer ihren Weg zum Publikum, aber ohne Förderung wären | |
viele Filme nicht entstanden – und erst gar nicht ins Kino gekommen. | |
Nico Hofmann, 50, Produzent und Regisseur, ist Gründer der Produktionsfirma | |
teamworx | |
In Deutschland gibt es viele verschiedene Fördermöglichkeiten mit | |
unterschiedlichen Gremien. Diese Mannigfaltigkeit der Entscheider führt | |
unterm Strich zu einer gewissen Balance und Gerechtigkeit. Fällt man bei | |
der einen Institution durch, gibt es noch vier bis fünf andere | |
Anlaufstellen. Mir ist jedenfalls noch nie ein Projekt weggebrochen. Und | |
wenn man bei allen durchfällt, sollte man sein Drehbuch hinterfragen. | |
Kritisch sehe ich natürlich die amerikanischen Großproduktionen, die nur | |
wegen der deutschen Fördergelder hier gedreht wurden. Die Amis fliegen ein, | |
drehen und fliegen wieder ab – ohne jede Nachhaltigkeit. Das ist höchstens | |
als regionale Arbeitsplatzförderung nachvollziehbar. | |
Dieter Wiedemann, 63, ist Präsident der Hochschule für Film und Fernsehen | |
in Potsdam | |
Die Filmindustrie in Deutschland kann nicht aus eigener Kraft heraus | |
existieren. Deshalb bedarf es der Unterstützung des Staates und der Länder. | |
In der Regel vergeben Gremien die Gelder. Wenn ein Drehbuch meiner | |
Hochschule abgelehnt wird, ärgert mich das natürlich, aber ich muss diese | |
Gremienentscheidung akzeptieren. Dass die großen Summen an die großen, oft | |
amerikanischen Koproduktionen gehen, ist gut für die hiesige Filmindustrie. | |
Natürlich könnte man mit den 9 Millionen Euro für solch eine Produktion | |
auch 90 meiner Absolventen fördern. Aber: Die hätten auf dem Kinomarkt wohl | |
kaum eine Chance. Die Filme müssen ja auch gesehen werden. Absurd | |
allerdings ist die Zersplitterung der Filmförderung in Deutschland. Früher | |
haben sich die Landesfürsten Dome und Opern gebaut, heute wollen alle | |
Medienstandort sein. | |
13 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Leander Haußmann / Lizzie Gillett / Klaus Lemke / Claudia Roth / Christine Ber… | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |