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# taz.de -- MEIN SOHN IST WEISS. DAS BESCHERT MIR VIELE ANGEBOTE FÜRS BABYSITT…
Oft denken Leute, dass ich Ryans Babysitterin bin. Immer wenn wir in
Prenzlauer Berg sind, kriege ich Babysitting-Angebote. Auf dem Spielplatz
kommt eine Frau zu mir und fragt, vorsichtig:
„Entschuldigung? Ich wollte Sie was fragen? Sind Sie professionelle
Babysitterin? Und bieten Sie Babysitting auf Englisch an?“
„Nein“, sage ich dann. „Er ist mein Kind.“
Als Ryan noch ein Baby war, sprach ihn ein Mann in der U-Bahn an. Der Mann
war Alkoholiker, aber noch kein Penner.
„Hey, Kleiner!“, rief er. „Ist das hier deine süße Mama oder deine sü�…
Babysitterin?“
Man muss zu den Fastpennern höflich sein. Ich bin auch zu echten Pennern
höflich, aber ich denke, wenn man zu den Fastpennern höflich ist, könnte
man sie retten von ihrem Untergang.
„Ich bin seine Mama“, sagte ich. „Nee!“, sagte er. „So eine süße br…
Mama hat so ein weißes Kind produziert. Wie geht so was?“
„Ja“, sagte ich. „Der ist sehr weiß, oder? Ich denke, weil ich 50/50 bin,
und meine Mama blond, deswegen ist er so weiß geworden.“
Der Halbpenner lächelte, fast hat er geflirtet. „Der Papa muss ein
Deutscher gewesen sein.“ „Ja“, sagte ich. „Sein Papa war – ist Deutsc…
Der Halbpenner war über diese Information sehr glücklich. „Ich denke, das
muss ein Ostdeutscher gewesen sein.“ „Ja“, sagte ich, verwirrt. „Sein P…
kam aus Ostdeutschland.“
„Ich wusste es!“, sagte der Halbpenner. „Nur ein Ostdeutscher könnte mit…
einer süßen braunen Mami ein so weißes Kind machen. Das sind die Gene,
weißt du?“
Ich guckte ihn fasziniert an. „Sind die Gene von Ostdeutschen und
Westdeutschen anders?“ „Na klar“, sagte der Typ. „Nur preußisches Blut
könnte mit so einem braunen Mädchen so ein weißes Kind machen. Glaub mir
das.“
Ich nickte höflich. Ich wusste nicht, wann oder wo Preußen anfing oder
aufhörte. Ich wusste nicht wirklich, was Preußen war.
Jetzt ist Ryan alt genug, um mitzukriegen, wenn Leute mich für eine
Babysitterin halten. Neulich habe ich ihn vom Kindergeburtstag abgeholt und
er musste der Oma des Geburtstagskindes dreimal sagen, dass ich die Mama
war. Danach hat er mich gefragt: „Warum dachte Finns Oma, dass du meine
Nanny bist? Weil du wie Mary Poppins bist?“
„Ja“, sagte ich. „Genau. Aber auch, weil du so weiß bist. Wir sehen uns
nicht ähnlich.“ „Ja?“, fragte er. „Aber ich habe deine Nase.“ „Sti…
sagte ich. „Aber manche Leute gucken nicht so genau hin.“
Wir liefen die U-Bahn-Treppen runter, dann sagte ich: „Ich sah meiner Mama
auch nicht ähnlich. Sie war blond. Und alle haben gedacht, ich wäre
adoptiert. Sie wurde immer wütend, und ich verstand nicht, warum. Ich
fand’s süß, die Idee, adoptiert zu sein.“
„Die Leute dachten, du bist adoptiert? Warum dachten sie nicht, dass deine
Mama Babysitterin war?“ „Wenn du das verstanden hast“, sagte ich, „dann
hast du ganz viel verstanden, über die Beziehung zwischen Rassismus und
Geld.“
Aber er hat’s natürlich nicht verstanden.
6 Aug 2013
## AUTOREN
JACINTA NANDI
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