# taz.de -- Nicht existent | |
> WAS SAGT UNS DAS? Ein junger Journalist soll Experten erfunden haben. | |
> Aber warum? Es gibt doch so viele | |
Schon wieder ein Medienskandal. Doch halt, es geht nicht um den findigen | |
Tommaso de Benedetti, der für italienische Blätter erstaunliche Interviews | |
mit US-Prominenten geführt haben will, die ihm ihre Abneigung über | |
Präsident Barack Obama in deutlichsten Worten in den Block diktierten. | |
Sondern um „einen jungen und integren Journalisten“, der „zu Unrecht und | |
unter Namensnennung sowie zum Teil auch mit Foto“ unerhörterweise „an den | |
Pranger“ gestellt wird: „Der Fall ist ein Musterbeispiel für eine | |
unzulässige öffentliche Diffamierung, die einem Rufmord gleichkommt. Es | |
liegt eine mediale Vorverurteilung eines jungen, preisgekrönten | |
Journalisten vor“, schreiben Prof. Dr. Ernst Fricke (Rechtsanwalt) und | |
Michael Winter, LL.M.eur. (Rechtsanwalt) in einer auch der taz zugegangenen | |
Erklärung. | |
## Ein wenig gelogen | |
Wir haben recherchiert: Diese beiden Herren existieren wirklich. Bei | |
einigen Experten, vorzugsweise Anwälten, die der betreffende Journalist in | |
diversen seiner Artikel für Welt.de, Spiegel Online oder den Südkurier | |
zitiert hat, bleiben dagegen, höflich ausgedrückt, Zweifel. Dass man nun | |
laut Mitteilung der Kanzlei Prof. Dr. Fricke & Coll. den Namen des | |
betreffenden Journalisten nicht mehr nennen dürfen soll, der aber auf | |
seiner Webseite [1][www.zeitungsjung.de] munter sein eigenes Gesicht nebst | |
ebenjener Rechtsanwaltserklärung für alle Welt publiziert, macht das Ganze | |
zu einem hübschen Praxisbeispiel für künftige Presserechtsseminare. | |
Doch es geht wie immer um etwas anderes, nämlich um die Experten. Beinahe | |
kein Artikel kommt mehr ohne aus. Egal wie dünn ihr Beitrag zum | |
Erkenntnisgewinn ausfallen mag, wie unbekannt viele dieser wenigen Damen | |
und viel zu vielen Herren sind: Man nimmt sie gern und oft auch noch für | |
bare Münze. Denn das erspart dem Journalisten Arbeit und verlagert | |
Verantwortung: Wenn’s der Experte sagt, wird’s schon stimmen. | |
## Eigenkreationen | |
Im aktuellen Fall wird man den Eindruck nicht los, hier habe sich jemand | |
noch ein bisschen mehr Arbeit gespart: indem er den Experten gleichsam aus | |
sich selbst heraus geschaffen und mit einem Namen versehen hat. Ein fürwahr | |
schöpferisches Tun, das journalistisch freilich den frühen Tod bedeutet | |
(und zwar völlig zu Recht). Quellen erfinden gilt nicht. | |
Im Fall des ungenannten Journalisten und seiner Zitatgeber stößt noch etwas | |
auf: Die fragwürdigen Sätze, zumeist zu finden in Serviceartikeln zu Themen | |
wie Arbeits-, Miet- und Verkehrsrecht, enthalten längst Bekanntes. Wie | |
Stefan Niggemeier in seinem Blog nachweist: Niemand hätte hier neue | |
Experten gebraucht, sondern einfach die einschlägigen Veröffentlichungen | |
und Experten von Gewerkschaften (Arbeitsrecht), Mietervereinen (Mietrecht), | |
bemühen müssen. Herausgekommen wäre vermutlich ein ordentlicher | |
journalistischer Beitrag. Warum also der ganze Aufwand? | |
Schließlich ist jedeR derart unbekannte Experte ein Risiko. Und das von | |
vielen Medien in solchen Fällen gern eingeschobene Wörtchen „renommiert“ | |
verweist nur ganz selten auf eine wichtige, bislang zu Unrecht im | |
Verborgenen blühende Koryphäe. Sondern ist zumeist das schlichte | |
Eingeständnis: „Kennt kein Schwein, wir eigentlich auch nicht.“ Nehmt den | |
Medien doch endlich diese „Experten“ weg! STEFFEN GRIMBERG | |
6 Apr 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://www.zeitungsjung.de | |
## AUTOREN | |
STEFFEN GRIMBERG | |
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